Reifenfenster. Der Fachausdruck ist zum geflügelten Wort geworden in der Formel 1. Weil die WM davon abhängig ist, ob man das Temperaturfenster der Reifen trifft. Das ist dieses Jahr mit einer neuen, Hitze-resistenteren Konstruktion der Karkasse und einer dünneren Lauffläche schwieriger geworden.
„Alles hängt von den Reifen ab“, sagt Haas-Teamchef Günther Steiner zu AUTO BILD MOTORSPORT. „Wenn man die vier Pirellis ins Arbeitsfenster bekommt, ist das Auto gut. Wenn nicht, dann nicht. Es gibt aber keinen richtigen Hinweis, was man dafür tun kann.“
Nur ein Team kommt mit den neuen Gummis klar. Mercedes. Und damit ausgerechnet die Mannschaft, bei der die Reifen letztes Jahr ständig überhitzten.
Steiner weiter: „Ich denke das ist nicht im Sinne des Sports. So denken viele. Klar ist der Reifen schuld, aber alle haben die gleichen Voraussetzungen. Deshalb ist es extrem schwierig, nur Pirelli die Schuld zu geben. Selbst wenn du Teams fragst, bei denen der Reifen funktioniert, können sie dir nicht genau sagen, warum.“
Steiner erklärt, was seit 2018 passiert ist: „Pirelli hat das kleine Arbeitsfenster, indem ihr Reifen funktioniert gelassen, aber es in den zweiten Stock gestellt. Weil einige Teams im letzten Jahr Probleme hatten, den Reifen zum Arbeiten zu bringen. Statt das Fenster größer zu machen, haben sie es einfach nach oben gestellt. So ist das eben. Aber wie gesagt: Es ist für alle gleich. Selbst die Mercedes-Leute können dir nicht genau sagen, warum es bei ihnen funktioniert. Es ist ein bisschen wie eine Lotterie.“
Mercedes
Ferrari und Red Bull verbünden sich gegen Mercedes
Das stößt auch Red Bull-Motorsportberater Helmut Marko sauer auf. Er bezeichnet die Walzen mittlerweile als "Mercedes-Reifen" und macht eine enge Zusammenarbeit von Pirelli und Mercedes auch bei den Erstaustattungen im PKW-Bereich für die aktuelle Entwicklung verantwortlich. 
Marko zu ABMS: „Leider werden unsere Getränkedosen nicht mit Reifen ausgeliefert. Im Ernst: Nur ein Team profitiert von diesen Reifen und das ist Mercedes.“
Konkret ergänzt er im Gespräch mit der Gazzetta dello Sport: „Mercedes hat von dieser dummen Änderung der Reifen als einziges Team einen Vorteil. Neun Teams haben Probleme, eines nicht.“ Marko weiter: „Wessen Idee war es denn, die Reifen zu verändern? Mercedes! Weil sie ständig Blasenbildung hatten.“
Diejenigen Mannschaften, die wie Ferrari und Red Bull aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr reifenschonende Autos gebaut haben, schauen in die Röhre.Bereits in Barcelona 2018 witterte Ferrari eine Verschwörung, nachdem die Reifen dort, in Le Castellet und in Silverstone aus Sicherheitsgründen eingeführt worden waren. Bereits damals war von Wettbewerbsverzerrung die Rede.
Auch jetzt kritisiert Ferrari-Teamchef Mattia Binotto: „Die Reifen überhitzen nicht mehr und nutzen sich deshalb kaum noch ab. Alle Grand Prix sind Einstopp-Rennen. Das ist schlecht für die Show.“
Die Lobby gegen die Pirelli-Pneus ist groß. Die Allianz aus Red Bull, Ferrari und Co. plant den Aufstand. 
Doch noch lehnen die Italiener eine schnelle Änderung ab. Pirelli-Rennleiter Mario Isola zu ABMS: „Wir haben die Lauffläche aus Sicherheitsgründen reduziert. Das werden wir nur rückgängig machen, wenn sieben Teams eine entsprechende Anfrage stellen – oder die FIA. So steht es im Reglement. Und dann könnten wir auch kurzfristig reagieren, aber nur dann.“ 
Erst für 2020 kündigt Isola eine Änderung an: „Wir werden auf den Erfahrungen, die wir dieses Jahr machen, neue Mischungen für 2020 backen. Und vielleicht ändert sich damit auch die Dicke der Lauffläche.“
Mal sehen, wie lange er sich noch gegen die Allianz aus Red Bull und Ferrari wehren kann.

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Von

Ralf Bach