Ich war zehn Jahre alt, als mein Onkel beim Großen Preis von San Marino in Imola 1994 starb. Ich sah den Unfall mit der ganzen Familie live am TV. Zunächst dachten wir, er würde aussteigen und einfach weitermachen. Plötzlich begannen alle Telefone zu klingeln und alles versank im Chaos. Meine Mutter, Ayrtons Schwester, hat mich ins Haus meines Freundes geschickt. Später erfuhr ich von seinem Tod.
Bruno Senna
Bruno Senna posiert stolz mit einem Boliden seines Onkels
In meinem Alter konnte ich das gar nicht richtig erfassen: Aber, was mich extrem mitgenommen hat, war die Traurigkeit der ganzen Familie. Ich wollte nicht auf die Beerdigung, schaute sie mir am Fernseher an und sah drei Millionen Menschen auf den Straßen, die weinten. Erst da wurde mir klar, wie sehr ihn die Brasilianer geliebt haben.
Der Film, der heute über meinen Onkel in meinem Kopf abläuft: unsere gemeinsame Zeit im Strandhaus. Dass er viel geschlafen hat, meist bis Mittag. So hat er sich von der Formel 1 erholt. Anschließend haben wir immer etwas unternommen, sind Kart oder Jetski gefahren oder haben mit Flugzeugmodellen gespielt. Das war seine Leidenschaft.
Senna
Von 2010 bis 2012 fuhr der Neffe von Ayrton Senna selbst in der Formel 1
Als ich mit fünf Jahren mit dem Kartfahren angefangen habe, hat Ayrton mich gelehrt, was eine Ideallinie ist, wie ich meine Position verteidige, wie ich attackiere und überhole. Selbst ich konnte damals schon sehen, dass er hinterm Steuern etwas ganz Besonderes war. Was mich beeindruckte: Er konnte sehr präzise und kontrolliert um die Kurven rutschen.
Meine eigene Karriere hatte nach seinem Tod einen heftigen Knacks bekommen. Kurz: Mein Großvater hat mir das Kartfahren verboten. Um mich vor Ayrtons Schicksal zu bewahren. Irgendwann später fing ich trotzdem wieder an. Deshalb hat mein Opa bis vor kurzem nicht mehr mit mir geredet. Der Rest der Familie ist besser damit umgegangen. Auch deshalb, weil der Motorsport heute so viel sicherer ist als früher. Ich darf gar nicht daran denken, aber: Die große Sicherheit kam erst durch Ayrtons Tod.

Von

Ralf Bach