Monisha Kaltenborn, Sie waren von 2012 bis 2017 Teamchefin bei Sauber und haben sich damals sehr für eine Budgetgrenze eingesetzt. Nun gibt es das Budgetcap in der Formel 1. Es versetzt die Königsklasse aber in Krisenmodus. Was war damals Ihr Anliegen?
Monisha Kaltenborn (51): Gemeinsam mit Bob Fernley (damaliger Force India-Teamchef; d. Red.) und Cyril Abiteboul (ehemaliger Renault-Teamchef; d. Red.) habe ich mich damals schon für solche Mechanismen eingesetzt, die die Kostenspirale der Formel 1 stoppen. Denn es ist ungesund für den Sport, wenn von einigen Wettbewerb extrem viel Geld ausgegebenen wird. Das macht die Schere zwischen Groß und Klein immer größer. Insofern ist mir dieses Thema in vielen Details bekannt.
Warum waren Sie damals noch nicht erfolgreich mit der Implementierung einer Budgetgrenze?
Wir hatten mit dem Ressource Restriction Agreement eine Art Vorstufe umgesetzt. Aber wir konnten uns damals nicht einigen, wie man ein Budgetcap prüfen kann. Und wie man vor allem die Strafen umsetzen kann. Damals gab es auch das Argument, es werde eine Kultur des Whistleblowings und der Angst reinkommen.
Die Befürchtungen, die man damals hatte, werden aktuell wahr. Red Bull wurde überführt, die Budgetgrenze überschritten zu haben. Wie bewerten Sie die Situation heute?
Das wird Sie jetzt wahrscheinlich überraschen: Ich stehe dem Costcap mittlerweile sehr kritisch gegenüber. Damals hatte ich natürlich ein Team und damit auch ein ureigenes Interesse an einer Budgetgrenze, weil es der einzige Weg war, um überhaupt einen gewissen Anschluss an die Top-Teams zu schaffen. Jetzt bin ich keine Teamchefin mehr, jetzt kann ich das mit einer gewissen Distanz sehen. Und ich bin dem Ganzen gegenüber sehr kritisch geworden.
Red Bull soll die Budgetgrenze überschritten haben.
Bild: Red Bull Content Pool

Warum?
Natürlich ist es wichtig, dass ein Sport nicht primär von Geld regiert wird. Die Formel 1 ist nicht der einzige Sport, wo Geld nicht immer, aber sehr häufig auch mehr Erfolg bedeutet. Deshalb bleibt es wichtig, Wege zu finden, die die Kosten reduzieren. Aber der Costcap ist – das sehen wir jetzt ja – nicht der richtige Weg dafür. Denn man darf ja eins nicht vergessen: Warum soll eine wertvolle Marke wie Red Bull nicht mehr Sponsorgeld verlangen und das dann auch wieder in die Entwicklung stecken dürfen? Gleichmacherei sollte es in einem Sport wie der Formel 1 nicht geben. Aber es existieren andere Möglichkeiten, wie beispielsweise das Financial Fairplay im Fußball, wo die Clubs nur so viel Geld ausgeben dürfen, wie sie einnehmen. Dann wird der Sport wieder ausgewogener – was er auch mal war, Anfang der 2000er zum Beispiel.
Als Ferrari und McLaren-Mercedes mit hohen Budgets dominiert haben.
Aber auch wir mit Sauber hatten damals Podestplätze. Das ging auch ohne das Costcap. Im Endeffekt muss man es über die technischen Regeln lösen. Denn die sind der eigentliche Kostentreiber.
Wie nachvollziehbar und transparent agiert die FIA gerade?
Ihre Vorgehensweise ist leider nicht nachvollziehbar. Ich kenne das aus anderen Feldern so auch nicht. Wenn eine Regelverletzung festgestellt wird, müsste man eigentlich einen dazu passenden Strafenkatalog haben. Oder einen Richter in einem Gerichtsverfahren, der die Strafe nach eigenem Ermessen aussprechen kann. Mit den wenigen Informationen, die ich als Außenstehende habe, kann ich nur zum Schluss kommen, dass die Regelungen viel Interpretationsspielraum zulassen. Und dann hat man – ich sag das jetzt mal als Juristin – die Schwierigkeit zu beurteilen, ob es eine Strafe auslösen darf und welche Präzedenzwirkung das hat. Das ist eine sehr schwierige und vor allem für die Fans eine nicht befriedigende Situation.
Wie kommt die FIA da raus?
Das Beste, was die FIA für sich tun kann, ist gar keine Strafe aussprechen und zu sagen, dass die Regeln einfach gewisse Spielräume zulassen. Das war nicht die Intention, also müssen wir die Regeln verbessern. Alles andere ist für mich schlecht. Eine Strafe wäre wahrscheinlich eine reine Ermessensentscheidung, weil es ja offensichtlich einen gewissen Spielraum gibt, in dem man sich bewegen kann. Und wenn man eine Strafe ausspricht, die sich auf das nächstjährige Budget bezieht, ist die Unsinn, weil sie eigentlich schon für dieses Jahr hätte gelten müssen.
Haben Sie in Ihrem Simracing-Unternehmen Racing Unleashed solche Probleme auch?
Nein. Wir haben im Simracing ja quasi Einheitsautos. Das heißt nicht, dass ich das für die Formel 1 propagiere, die auch ein Wettbewerb der Techniker bleiben muss, aber bei Racing Unleashed machen die Fahrer den Unterschied, nicht die Autos. Fast noch schwerer zu kontrollieren als in der Formel 1 sind im Simracing allerdings die Emotionen der Fahrer (lacht). 

Von

Ralf Bach
Bianca Garloff