Formel 1 diskutiert Cockpitkuppel
Muss immer erst Tote geben

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Kommt die Cockpitkuppel oder nicht? Fahrer wollen handeln, Ex-F1-Pilot Di Grassi widerspricht bei ABMS aller Kritik und sieht weitreichende Vorteile.
Bild: Picture-Alliance / Red Bull / Twitter
Motorsport ist gefährlich: Dieser Satz findet sich auf jeder Eintrittskarte zu Rennveranstaltungen rund um die Welt. Durch die tödlichen Folgen der Unfälle von Jules Bianchi und Justin Wilson ist sich auch die Königsklasse des Motorsports in jüngster Vergangenheit wieder der Gefahren auf brutale Weise bewusst geworden. Die zwei verunglückten Kollegen – Bianchi raste letzten Oktober unter einen Bergungskran, Wilson wurde beim IndyCar-Lauf in Sonoma von einem Trümmerteil am Kopf getroffen – erinnerten die gesamte Szene an das Risiko, das der Sport mit sich bringt. Und das, geht es nach den Piloten selbst, dringendst weiter eingedämmt werden muss. Eine dabei immer wieder genannte Lösung, um der maximalen Sicherheit möglichst nahe zu kommen, ist der streitbare Ansatz der Cockpitkuppel.

Bisher gibt es die Cockpithaube nur in Concept-Studien - oben in Red-Bull-Optik, hier im Ferrari-Look
Statistiken bringen nichts
Eine klare Entscheidung zur Thematik steht aber noch aus. Für viele Fahrer ein großes Ärgernis. „Ich bin eigentlich selbst ein Freund offener Cockpits, aber realistisch gesehen muss man zugeben, dass jetzt etwas passieren muss“, findet McLaren-Pilot Jenson Button. „Es ist schade, dass immer erst etwas passieren und es Tote geben muss, damit die Leute realisieren, dass man etwas unternehmen muss“, kritisiert der Weltmeister von 2009 und sagt: „Wenn die Kuppeln da sind, dann ist es eben so.“ Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo fügt hinzu: „Auch die Statistiken, dass in den letzten Jahren eigentlich relativ selten etwas passiert ist, interessieren nicht, denn sie sagen nichts über die Zukunft aus.“

Fühlt sich an seinem (offenen) Arbeitsplatz nicht mehr wohl: Lucas Di Grassi im Formel-E-Cockpit
Offene Cockpits ohne Zukunft
Das Festhalten an der aktuellen Lösung versteht er nicht und führt weitere Vorteile der neuartigen Lösung auf. „Cockpithauben sind nicht nur sicherer, sie sind auch aerodynamisch besser. Man kann den Luftwiderstand reduzieren und das ganze Auto leichter machen, weil man eine bessere Struktur um den Fahrer herum hat“, so Di Grassi, der sein Sportwagen-Team in der Langstrecken-WM als Beispiel nennt. „In der LMP1 waren die Cockpits auch offen und Audi hat sie vor allem wegen der aerodynamischen Effizienz geschlossen.“ Die Skepsis, die den Cockpithauben entgegenschlägt, sei unangebracht. „Die Leute sollen sich aufregen, aber am Ende des Tages ist es einfach viel sicherer. Die Bedenken, dass der Fahrer eingeschlossen werden könnte, stimmen nicht.“
Wie das Racing der Zukunft mit geschlossenen Cockpits aussehen könnte, sehen Sie hier im Video:
„Wir haben Türen und auch im Fall von großen Unfällen kann man die Hauben so konstruieren, dass man rauskommt. Dass jemand gefangen wäre, passiert nie“, so Di Grassi, der vorschlägt: „Man kann es machen wie in einem Jet, sodass man die Haube absprengt, wie bei einem Schleudersitz.“ Di Grassi ist überzeugt: „Die FIA wird die Hauben bald für Monoposto-Rennwagen einführen.“ Für absolut zwingend notwendig hält er die Lösung im Fall von Ovalrennen. „Gerade bei den IndyCars macht es doch Sinn. Da fällt auch der Kritikpunkt der eingeschränkten Sicht weg, denn man muss im Oval sowieso nur geradeaus gucken und keine Scheitelpunkte einsehen können. Dafür herrschen dort extrem hohe Geschwindigkeiten.“Unfall mit Liuzzi in Abu Dhabi 2010

Der Unfall, auf den sich Di Grassi bezieht: Liuzzis Force India fährt über den Mercedes von Schumacher
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