Für den Chef eines Top-Teams ist die Anklage gegen Bernie Ecclestone (83) ein historischer Moment. „Dieser Tag ist für mich der Beginn einer Neuordnung in der Formel 1!“ Auch wenn der allmächtige PS-Impresario bedenklich wackelt: Aus Furcht kritisieren die Teamchefs ihn nur anonym. Ab heute wird Ecclestone vor dem Landgericht München 1 der Prozess gemacht. Hauptvorwurf: Bestechung. 44 Millionen Dollar soll Ecclestone dem früheren Bayern-LB-Vorstand Gerhard Gribkowsky als Schmiergeld für den Verkauf von Formel-1-Anteilen bezahlt haben. Ecclestone streitet das ab. Er sei erpresst worden. Ecclestone hat seinen Posten als Direktor im Formel-1-Vorstand für die Dauer des Prozesses bereits niedergelegt. Doch er bleibt Geschäftsführer des Formel-1-Managements. Aber wie lange noch?

Brisantes Dokument

Bianca Garloff bei N24
Das Medieninteresse am Ecclestone-Prozess ist groß: ABMS-Reporterin Bianca Garloff (re.) war daher als Expertin beim Nachrichtensender N24 eingeladen
AUTO BILD MOTORSPORT liegt ein Dokument vor, aus dem geschlossen werden könnte, dass Gribkowsky und Ecclestone zumindest auch untereinander Geschäfte gemacht haben. In dem 2005 von Gribkowsky unterzeichneten Beratervertrag zwischen Ecclestone und der Bayern-LB wird dem Briten eine exklusive Berater- und Vermittlertätigkeit beim Verkauf der Formel-1-Anteile zugesichert. Punkt fünf auf diesem Papier macht dabei erfahrene Vertragsanwälte stutzig: Es wird festgelegt, dass ein künftiger Käufer auf Ecclestones Dienste zurückgreifen muss. Laut ABMS-Recherchen war es sehr ungewöhnlich, dass das von einer großen Bank akzeptiert wurde.

Fünf Prozent Provision

Nicht nur, dass diese ominöse Klausel die „Alleinherrscher“-Position Ecclestones innerhalb der Formel 1 gesichert hat. Die Vereinbarung mit dem Briten sah zudem eine Provision in Höhe von fünf Prozent des zukünftigen Verkaufspreises vor. Als die Anteile 2006 für 830 Millionen Euro an die Investmentfirma CVC gingen, spülte ihm das knapp 41 Millionen Euro in die private Kasse seiner familieneigenen Bambino-Holding. AUTO BILD MOTORSPORT hat das Dokument mit den Original-Unterschriften von Ecclestone und Gribkowsky der Münchner Staatsanwaltschaft übergeben. Es gilt als Teil der Ermittlungsakte.

Haftstrafe droht

Ecclestone-Prozess
Galgenhumor oder Zufall? Ecclestone passiert im Gericht ein Schild mit der Aufschrift 'Vorsicht! Stufe': Stolpert der F1-Boss nach vielen Jahren nun ausgrechnet über den Prozess in München?
Der Brite bleibt dennoch dabei. „Ich bin unschuldig“, sagt er gewohnt zynisch, „ob ich verurteilt werde, ist aber eine andere Geschichte.“ Es ist kein Wunder, dass sich Ecclestone keiner Schuld bewusst ist. Über 40 Jahre regierte er die Königsklasse des Motorsports als Alleinherrscher. Die Teamchefs ließen ihn machen. Er machte sie reich, er machte sich noch reicher. „Ich bin deshalb so klein, weil man mir ständig auf die Schulter geklopft hat“, scherzt er. Fest steht: Der 1,58 Meter große Mann fühlt sich immer noch bestätigt mit seiner Art, Geschäfte zu machen. Doch dafür droht ihm statt des besten Platzes im Fahrerlager nun eine kleine Gefängniszelle in München.