Formel 1: Ferrari-Stallorder
Italienische Presse hetzt gegen Vettel

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Nach der Stallorder in China steht Ferrari in der Kritik. Der Versuch einer Aufklärung.
Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte es schon am Samstag angekündigt, dass er im Zweifel auf Sebastian Vettel setzen würde. Die Stallorder, die am Sonntag beim Großen Preis von China ausgesprochen wurde, war nur eine logische Konsequenz davon.
Trotzdem haut vor allem die italienische, aber auch die spanische Presse jetzt auf die Scuderia und ihren Nummer-1-Piloten drauf. „Maranello sollte endlich auf das Jungtalent setzen und nicht mehr Kapitän Sebastian Vettel verteidigen. Der Deutsche sollte endlich auf die Kapitänsbinde verzichten", schreibt der Corriere dello Sport. „Charles war der Bauer, der komplett für das Haus Maranello geopfert wurde“, ist in der „Marca“ zu lesen.
Vettel Interview zum China-GP: Hier klicken
Ganz so schwarz-weiß ist die Situation aber nicht. Denn Sebastian Vettel war in China der klar schnellere Mann. Sowohl in den freien Trainings als auch im Qualifying. Am Start kam Leclerc nur am Deutschen vorbei, weil Vettel hinter dem langsam gestarteten Bottas eingeklemmt war.

Leclercs Performance-Ingenieur Jock Clear
Klar, dass Vettel mit der konservativeren Motoreinstellung nicht aus eigener Kraft an seinem Teamkollegen vorbeikam. Ein Vorgehen, das so gar nicht dazu passt, dass die Ferrari-Chefs am Kommandostand gerade den Platztausch vorbereiteten.
Von außen betrachtet erinnert das an Felipe Massa und seinen damaligen Renningenieur Rob Smedley 2010 in Hockenheim. Damals wurde der Funkspruch legendär: „Felipe, Fernando ist schneller als du.“ Stallorder war noch verboten, trotzdem machte Smedley den Befehl offensichtlich, als er nach dem Platztausch mit Fernando Alonso funkte: „Guter Junge.“
War es jetzt Leclercs Performance-Ingenieur Jock Clear, der seinem Schützling empfahl, mit mehr Motorleistung zu fahren? Clear ist mit allen Wassern gewaschen, arbeitete schon mit Jacques Villeneuve und Michael Schumacher.
Fakt ist: Teamchef Binotto steht vor keiner leichten Aufgabe. Nicht nur wegen des Drucks der italienischen Presse. Auch mit seinem Manager Nicolas Todt hat Leclerc mächtige politische Unterstützung. Todt ist der Sohn von FIA-Präsident Jean Todt, der auch bei Ferrari als ehemaliger Erfolgsteamchef immer noch Einfluss hat. Und: Leclerc hat in den letzten Jahren von Familie Todt gelernt, wie man auch als Fahrer im Hintergrund die Fäden zieht. Gut möglich, dass er deshalb die Strategie am Boxenfunk ganz bewusst offen hinterfragt hat.
In der Presserunde nach dem Rennen jedenfalls blieb er auffällig cool, sagte: "Nach unserem Meeting weiß ich, dass es eine schwierige Entscheidung war." In seinem Gesicht konnte man nicht ablesen, ob er das ernst meint oder gerade pokert. Vettel hingegen ist die mentale Belastung anzumerken. Er wirkte verunsichert, attackierte verbal sogar einige Reporter, die nach dem Stallorder-Thema fragten und warf ihnen schlechten Journalismus vor.
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, der in den vergangenen Jahren Valtteri Bottas zum Hamilton-Helfer machte, weiß jedenfalls: „Ich kann Ferrari komplett verstehen.Trotzdem wird es sehr kompliziert, sobald man mit diesen Dingen anfängt. Man schafft einen Präzedenzfall und schafft sich Probleme.“
Vor allem mit der italienischen Presse…
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