Mit den Plätzen neun und 13 landete Marco Wittmann vergangenes Wochenende auf dem Norisring wieder in der harten DTM-Realität. Der erste Saisonsieg scheint für BMW in weiter Ferne. Für den amtierenden Meister kein gutes Szenario, die bisherige Saison verläuft nicht nach Wunsch. Umso schöner war es für Wittmann, in der Woche vor dem Stadtrennen der DTM in Nürnberg, einmal aus dem aktuellen Alltag auszubrechen. In Spielberg testete der Deutsche für Toro Rosso erstmals in seiner Karriere einen Formel-1-Boliden. Die Belohnung für seinen überzeugenden Titel 2014 und zeitgleich die Erfüllung eines Kindheitstraumes.
Wittmann
Geschafft: Wittmann hat sich den Traum eines jeden Rennfahrers erfüllt und im F1-Cockpit Platz genommen

„Es war eine tolle neue Erfahrung und ich bin sehr glücklich, dass es nun endlich geklappt hat“, sagt Wittmann, den die Power der Königsklasse begeistert hat. „Das war natürlich schon eine andere Welt. So ein Formel-1-Auto hat im Vergleich zur DTM unheimlich viel Leistung, Es gibt allerdings auch gewisse Faktoren, wo sich die Autos ähneln“, verrät Wittmann im Gespräch mit AUTO BILD MOTORSPORT. „Zum Beispiel auf der Bremse oder bei den Kurvengeschwindigkeiten ist gar nicht so viel Unterschied. Aber die reine Power war schon enorm.“

Realismus vor Träumereien

Seine Leistung in Spielberg schätzt Wittmann als anständig ein. „Letzten Endes war es ein guter Testtag mit vielen Runden und einer ganz guten Rundenzeit im Gesamtklassement“, so der Franke, der aktuell aber keine Möglichkeit für ein vollwertiges Engagement im Oberhaus des Motorsports sieht. „Man muss realistisch sein: Der Weg, um dort hinzukommen, ist sehr schwer – gerade mit den vielen Fahrern, die heutzutage sehr viel Geld mitbringen, um sich ein Cockpit zu kaufen.“ Von Träumereien hält Wittmann nichts. „Ich bin ein Mensch, der Realist genug ist und sich deshalb eher weniger Hoffnungen macht.“
Toro Rosso
Für Toro Rosso testete der Franke im österreichischen Spielberg - als Belohnung für seinen DTM-Titel 2014
Daher blickt er lieber auf seine aktuellen Optionen. „Ich konzentriere mich darauf, was im Moment und realistisch erreichbar ist. Und das ist zur Zeit die DTM.“ Geht es nach Wittmanns Markenkollege Timo Glock, sollte der Franke sich auch bestens überlegen, ob er seine Karriere überhaupt irgendwann in Richtung Formel 1 verlagern will. Glock fuhr zwischen 2004 und 2012 selbst 91 Grand-Prix für Jordan, Toyota, Virgin und Marussia, stand dabei immerhin dreimal auf dem Podest. Kollege Wittmann in der Formel 1? Glock würde das stark von den Rahmenbedingungen abhängig machen. „Natürlich muss so etwas jeder für sich selbst entscheiden und der Reiz ist natürlich immer da“, so Glock.

Guter DTM-Vertrag mehr wert

„Die Formel 1 weckt Begehrlichkeiten und jeder Rennfahrer möchte da irgendwann mal hin. Man muss sich aber auch die klare Situation anschauen und sehen, dass es momentan vier Teams gibt, die Fahrer bezahlen. Und nicht Fahrer suchen, die Geld mitbringen“, sagt Glock zu AUTO BILD MOTORSPORT. In der DTM fährt mit Pascal Wehrlein noch ein weiterer Pilot, der momentan Testfahrer in der Formel 1 ist. „Pascal hat mit der Unterstützung von Mercedes vielleicht andere Möglichkeiten. Aber meinem Teamkollegen Marco rate ich, das nur zu machen, wenn er ein Angebot bekommt, wo er kein Geld mitbringen muss.“
Glock
Der Ex-F1-Star und der DTM-Youngster: Die Kollegen Glock und Wittmann verstehen sich bestens
Formel 1 um jeden Preis – das kann Glock aus eigener Erfahrung nicht empfehlen. „Wenn er in der DTM einen guten Werksvertrag opfert, für ein Team, das in der Formel 1 hinten rumfährt und wo er Geld mitbringen muss – dann würde ich ihm definitiv davon abraten.“ Und auch ansonsten scheint Glock kein großer Fan der aktuellen Formel 1 mehr zu sein – auch, weil die Königsklasse derzeit nicht besonders viel Spannung generieren könne. „Ich verfolge die Formel 1 momentan gar nicht mehr richtig“, räumt Glock ein. „Ich gucke mir meistens noch den Start an und dann genieße ich die nächsten zwei Stunden mit meinem Sohn im Freien.“

Von

Frederik Hackbarth