So hatten sich die Verantwortlichen bei Mercedes das sicher nicht vorgestellt: Trotz zwei klarer Bestzeiten am Auftaktfreitag der Formel 1 in Kanada sorgte wie schon vor zwei Wochen in Monaco ein kurioser Vorfall um WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton für Verwunderung im Fahrerlager. Im zweiten Freien Training von Montreal setzte der Brite erst die Bestzeit. Als es anfing zu regnen, schickte Mercedes seine beiden Piloten als einzige Fahrer im Feld trotzdem noch einmal auf die Strecke - und das, trotz bereits starker Regenfälle, auf Intermediate-Reifen. Schlussendlich kam es wie es kommen musste: Hamilton schaffte es nicht bis an die Box zurück sondern schlitterte mit seinem Silberpfeil in der Haarnadelkurve von der Strecke und direkt in die Reifenstapel.

Risiko zahlt sich nicht aus

Wolff
Musste einmal mehr eine falsche Ansage vom Mercedes-Kommandostand verteidigen: Toto Wolff
„Aquaplaning”, funkte der Brite anschließend gefrustet zurück den Mercedes-Kommandostand, der schon vor knapp zwei Wochen in Monte Carlo für eine Menge Wut im Bauch des Weltmeisters gesorgt hatte. Im Fürstentum hatten sich die Strategen der Silberpfeile zu einer Entscheidung hinreißen lassen, die für Hamilton schlussendlich ein Fiasko darstellte. Ein zusätzlicher und unnötiger Boxenstopp kostete ihn den Sieg beim Stadtrennen, schlussendlich musste er wegen der Taktikpanne Teamkollege Nico Rosberg den ersten Platz überlassen. Auch wenn Hamilton sich am Freitag in beiden Sessions erneut als schnellster Mann und Topfavorit für das Wochenende präsentierte, dürften bei Mercedes nach der erneuten Fehleinschätzung die Köpfe rauchen.
Motorsportchef Toto Wolff musste sich nach dem Training fragen lassen, warum Mercedes im einsetzenden Dauerregen noch einmal eine Ausfahrt riskierte, während alle anderen Autos geschlossen in der Garage blieben. Nachdem ein Sprecher des Teams bereits unmittelbar nach dem Vorfall erklärt hatte, dass die Silberpfeile die Zusatzrunde im Regen für eine Startübung nutzen wollten, bestätigte auch Wolff:  „Diese Startübung war wichtig für uns. Man lernt dabei viel über die Kalibrierung der Kupplung.“ Hamiltons Crash sei aber ein zu hoher Einsatz gewesen, wenngleich der Plan natürlich anders gelautet habe. „Wir wollten die Intermediates nehmen und diese anschließend zurückgeben“, so Wolff. Für das restliche Wochenende sind trockene Bedinungen angesagt. „Lewis Abflug war ein kleiner Fehler, der uns aber hoffentlich nicht mehr kostet“, sagte der Österreicher.

Streckenposten unvorsichtig

Mercedes
Als den Streckenposten bei der Bergung auch noch Hamiltons Auto in den Kran fiel, war das Chaos perfekt
Beim Anprall in die Reifenstapel hatte sich Hamilton augenscheinlich nur den Frontflügel seines Mercedes zerstört. Für weniger Freude bei den Mechanikern dürfte gesorgt haben, dass die Streckenposten in der Haarnadelkurve den Boliden bei der Bergung anschließend mit so viel Wucht aus der Bande zogen, dass er mit dem empfindlichen Heck am Bergungskran anschlug. Trotzdem bekräftige Wolff: „Wir haben keinen großen Schaden feststellen können.“ Nichtsdestotrotz passte der kuriose Vorfall ins Bild. Nach seinem furiosen Saisonstart sieht es für Hamilton inzwischen nicht mehr nach einer lockeren Solofahrt zum dritten Titel aus. Teamkollege Rosberg hat nach zwei Siegen in Serie nur noch zehn Punkte Rückstand in der Gesamtwertung. „Ich habe eine positive Erfahrung hinter mir, das ist natürlich besser als eine schlechte”, sagte Rosberg zu den Vorzeichen für das siebte Saisonrennen.
Als Tageszweiter stärkte derweil Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel die Hoffnung, mit dem Einsatz eines verbesserten Motors den Druck auf die bislang übermächtigen Silberpfeile erhöhen zu können. 0,316 Sekunden Rückstand hatte Vettel bei seiner besten Runde auf Hamilton. Als Dritter lag auch sein Stallgefährte Kimi Räikkönen noch vor Rosberg im zweiten Silberpfeil. „Wir arbeiten in allen Bereichen, weil wir genau wissen, wo wir hin wollen”, sagte Vettel vor dem Qualifying am Samstag (19.00 Uhr/RTL und Sky). Fünfter im Training am Freitag wurde derweil Pastor Maldonado, vor Valtteri Bottas (Williams) und Lotus-Teamkollege Romain Grosjean. Felipe Massa im zweiten Williams und die beiden Red Bulls von Danil Kvyat und Vorjahressieger Daniel Ricciardo rundeten die Top-10 zum Auftakt ab.

Von

Frederik Hackbarth