„Tony, mit sowas musst du aufhören. Ich dachte schon ich bin nur Zweiter! Du darfst ruhig ein bisschen enthusiastischer sein...“, witzelte Nico Rosberg auf seiner Fahrt zurück an die Box am Teamfunk. Zuvor hatte ihm Renningenieur Tony Ross in stoischer Ruhe das Ergebnis mitgeteilt: Pole-Position, mit vier Zehnteln Vorsprung auf Lewis Hamilton. Dass besonders auf Grund des großen Abstands, mit dem Rosberg seinen Rivalen deklassierte, der eingeforderte Enthusiasmus durchaus angebracht war, demonstrierte anschließend Niki Lauda. „Wahnsinn. Das war eine Wunderrunde von Nico! Was der hier gleich für zwei schnelle Runden hingefetzt hat, so etwas habe ich überhaupt noch nicht gesehen“, sparte der Mercedes-Aufsichtsratsboss nicht mit Lob.

Hamilton vier Zehntel aufgebrummt

Rosberg
Die erste Aufgabe hat Nico Rosberg mit Bravour gemeistert: Der Deutschte holte die Pole in Abu Dhabi
Anders als im Fall von Lewis Hamiltons Leistung. „Lewis hat es verwachst. Er hat sich auf seinem einen Versuch verbremst“, stellte Lauda fest. Obwohl Rosberg mit 17 Punkten Rückstand in das Finalrennen am Sonntag geht, sieht Lauda die Vorteile nun beim WM-Zweiten. Der Österreicher: „Unglaublich, was er heute geleistet hat. Er hat zweimal voll abgerufen und Lewis vier Zehntel aufgebrummt. Besser kann er es nicht machen. Er muss hier gewinnen und hat mit dieser Runde alle Voraussetzungen dafür geschaffen. Nico geht damit morgen gestärkt ins Rennen und heute Abend erst einmal beruhigt ins Bett.“ Anders als Hamilton. Lauda: „Lewis ärgert sich und muss sich fragen, was passiert ist.“

Hamiltons Nervenflattern freut Rosberg

„Er hat heute kleine Fehler gemacht, die nicht passieren dürfen und seine Performance nicht so abgerufen wie Nico. Darüber wird er die halbe Nacht grübeln. Hoffentlich kann er schlafen, denn morgen muss er neutralisiert und mit freiem Kopf an die Strecke zurückkehren“, machte Lauda bei WM-Spitzenreiter Hamilton Unsicherheiten aus. Rosberg setzte seinen Plan, den Rivalen unter Druck zu setzen und so zu Fehlern zu zwingen, in die Tat um. „Ich brauche noch ein bisschen mehr Hilfe von ihm, aber er hat heute schon Nerven gezeigt. Vielleicht zieht sich das durch bis morgen. Für mich wäre das gut“, freute sich Rosberg nach seiner Pole über die gelungene Attacke auf Hamilton.

Erinnerung an Brasilien-Fehler

Abu Dhabi
Sowohl im Training als auch im Qualifying war Rosberg am Samstag auf Yas Island der dominierende Mann
Der Brite wirkte in der Pressekonferenz nach dem Qualifying nervös, starrte nach vorne, biss sich auf die Lippen. Hamilton wortkarg: „Ich versuche alles wie immer zu machen. Heute waren es nicht meine besten Runden, aber erst morgen geht es um die Wurst.“ Ob er Rosberg nicht einfach davonziehen lassen will und selbst auf Platz zwei fahren, der ihm zum Titel reicht, fragte ein Reporter. Hamilton: „Das werde ich aus der Situation entscheiden. Aber eigentlich sind zweite Plätze nicht so mein Ding.“ Für Rosberg eine gelungene Steilvorlage, um im Psychoduell nachzulegen und Hamilton zu erinnern: „Vor zwei Wochen in Brasilien ist Lewis auch schon ein Fehler unterlaufen. Das brauche ich morgen wieder.“

Rosberg spendiert eine Runde Wellness

Und als sei der Druck auf den WM-Führenden vor dem alles entscheidenden Rennen nicht schon groß genug, packte Rosberg dann auch noch ganz cool die Finnen-Connection aus – in Form eines unmoralischen Angebots. „Ich habe Valtteri (Bottas; d. Red.) schon angeboten ihm heute Abend eine Runde Wellness zu zahlen, damit er morgen topfit ist“, scherzte Rosberg unter großem Gelächter. Der Finne geht von Startplatz drei aus ins Rennen, könnte Hamilton mit seinem schnellen Williams vor allem auf den langen geraden in Abu Dhabi gefährlich werden, wo nur die Höchstgeschwindigkeit zählt. Am Samstag war Williams hier acht Stundenkilometer schneller als Mercedes. Wird Bottas somit zum Zünglein an der Waage im WM-Duell der Silberpfeile? Rosberg: „Überholen kann man hier definitiv nicht, das habe ich im Training nicht mal gegen einen Ferrari geschafft.“

Rat vom berühmten Vater

Bottas
Wird ausgerechnet Bottas (l.) im Duell zwischen Hamilton (Mitte) und Rosberg (r.) zur Schlüsselfigur?
Fakt ist: Gegen Schützenhilfe für seinen halb-finnischen Landsmann Rosberg hat Bottas nichts einzuwenden. Schon am Donnerstagmorgen beim Frühstück im Yas Hotel an der Strecke beobachtete ABMS, wie der Williams-Pilot von zwei Fans gefragt wurde, ob er Fan von Keke Rosberg sei. Antwort: ‚Na klar!’ Gegenantwort: ‚Dann musst du am Sonntag Zweiter werden!’ Bottas musste laut lachen. Vor Ort ist Nicos berühmter Weltmeister-Papa Keke, der vor 32 Jahren den Titel holte, aber nicht. „Meine Familie schaut zu Hause am Fernseher zu, die Spannung hier ist zu nervenzerreißend für sie. Ich habe mit meinem Vater vor diesem Wochenende aber geredet und mir Rat abgeholt“, so Rosberg. Das Rezept: „Lewis so gut wie möglich unter Druck setzen.“ Zumindest am Samstag hat das auf und auch neben der Strecke schon einmal bestens geklappt. Selbst wenn Hamilton betont: „Ich schlafe immer gut.“

Von

Frederik Hackbarth