Erwartungen sind immer auch mit Druck verbunden – so lautet zumindest die gängige Meinung. Doch lauscht man dieser Tage Red Bulls Teamchef Christian Horner, stellt man schnell fest, dass sich diese Kausalität auch umdrehen lässt... und zwar ausgerechnet am Beispiel von Sebastian Vettel. „Ich erwarte eine ganz starke zweite Saisonhälfte von ihm“, sagt Horner im Interview mit AUTO BILD MOTORSPORT. Noch mehr Druck für den amtierenden Weltmeister, der in diesem Jahr bisher klar hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben ist? Ganz im Gegenteil! Horner: „Seb weiß jetzt auch, dass der Titel nahezu unmöglich ist. Das nimmt den Druck.“

Ricciardo im Vorteil

Red Bull
Harter Fight & meistens im Nachsehen: Vettel (l.) hat mit Ricciardo (r.) 2014 einen harten Brocken im Team
Somit lautet das neue Motto: Befreit zurück zu alter Stärker. Horner hält das durchaus für möglich. „Ein Vierfach-Weltmeister steht unter ständiger Beobachtung“, so der Teamchef, der hier auch Vettels Nachteil im Vergleich zu Teamkollege Daniel Ricciardo sieht. Der Australier konnte diese Saison die beiden einzigen Red-Bull-Siege (in Kanada & Ungarn) einfahren. „Daniel ist ohne irgendwelche Erwartungen ins Team gekommen und hatte sehr viel Glück mit der Standfestigkeit. Für ihn war es leichter als für Seb“, setzt Horner die Leistung seiner beiden Piloten in die richtige Relation. Und noch etwas bestärkt den Teamchef in seinem Glauben an Vettel: Die Fähigkeit des Deutschen, Selbstkritik zu üben. Als „eine seiner größten Stärken“ bezeichnet Horner diese.

Vettel mit viel Überblick

„Seb hinterfragt sich ständig: Was kann ich noch besser machen, wo kann ich noch besser werden? Er ist sehr intelligent und versucht, alles zu verstehen - und dann umzusetzen“, lobt der Brite und fügt hinzu: „Ich kann versichern, dass er außergewöhnlich hart an sich arbeitet. Er studiert die Daten, probiert im Auto viel aus, spricht stundenlang mit seinen Ingenieuren. Und mittlerweile hat er auch einen ziemlich guten Überblick, was er braucht und was er selbst ändern muss.“ In der zweiten Saisonhälfte soll sich eben dieser Überblick dann auch wieder in besseren Resultaten auf der Strecke auszahlen.
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Von

Frederik Hackbarth