Der 1. Mai 1994 ist für immer in das kollektive Gedächtnis der Motorsport-Gemeinde eingebrannt: Es ist „der Tag, an dem die Sonne vom Himmel fiel“, wie es Gerhard Berger einmal so fürchterlich treffend beschrieb. Es ist der Todestag von Ayrton Senna. Sein blau-weißer Williams-Renault zerschellte in der Tamburello-Kurve von Imola und mit ihm die Millionen Träume und Hoffnungen all derer, denen Senna, der brasilianische Volksheld, mit seinen Siegen jeden zweiten Sonntag ein bisschen Licht und Lächeln in die sonst herrschende Tristesse des Alltags, in einem vom bitterer Armut gebeutelten Entwicklungsland, gebracht hatte. 20 Jahre ist der Fall des großen Helden nun her und die Stadt Imola, deren Name durch das Unglück ebenso für alle Ewigkeit mit dem Sennas verbunden sein wird, nahm diesen Anlass, um eine beispiellose Gedenkveranstaltung auf die Beine zu stellen.

Vier Tage volles Programm

Senna-Denkmal
Die Bewunderung & Verehrung für Senna reißt auch 20 Jahre nach seinem Tod nicht ab - genauso wenig wie die Trauer
Ganze vier Tage widmete man dem großen Helden der F1 ab dem 1. Mai und bot den zahlreich angereisten Fans von Donnerstag bis Sonntag mit Ausstellungen, F1-Prominenz, Kart- und Radrennen sowie einem Benefiz-Fußballspiel ein mehr als buntes Rahmenprogramm. Dass die Branche ihren verglühten aber nichts desto trotz immer noch am hellsten strahlenden Stern nicht vergessen hat, bewies die Eröffnung der Presserunde am Morgen des 20. Todestages. Da grüßte via laut verlesener und mit frenetischem Applaus quittierter SMS-Botschaft kein Geringerer als Stefano Domenicali. Der Italiener, bis vor wenigen Wochen Teamchef Ferraris, war jedoch nur einer von vielen aus dem großen F1-Zirkus, der sich zu Wort meldete – und nicht wenige waren sogar vor Ort.

Fahrerkollegen zollen Tribut

So beispielsweise Fernando Alonso und Kimi Räikkönen, die gemeinsam mit ihren Ferrari-Kollegen Pedro de la Rosa und Jules Bianchi pünktlich um 14 Uhr zur Unfallstelle pilgerten. Im Schlepptau hatten sie dabei aber nicht nur tausende Anhänger, sondern auch diverse Wegbegleiter Sennas von vor 20 Jahren. Ex-Teamkollege und Freund Gerhard Berger war genauso mit von der Partie, wie die ehemaligen F1-Piloten Ricardo Patrese, Andrea de Cesaris, Emanuele Pirro, Ivan Capelli, Pierluigi Martini, Luca Badoer und Jarno Trulli. Wieder einmal fand Berger dabei die besten Worte. „Obwohl das heute ein trauriger Moment ist, ist es zeitgleich auch ein schöner Anlass, wieder einmal nach Imola zu kommen. Wir hatten hier alle so viele gute Zeiten, egal ob bei den Rennen oder Tests. Nun stehen wir alle hier, sind froh, noch da zu sein und wollen unserem Freund Ayrton Respekt zollen, der – und ich denke, da werden mir alle hier zustimmen – der beste Rennfahrer aller Zeiten ist.“

Die verhängnisvolle Mauer

Zuschauer
Bis zum Horizont nur Leute: Die Menschenmassen, die am Todestag die Piste säumen, sprengen jeden vorstellbaren Rahmen
Unter dem ekstatischen Jubel der Zuschauer, der mindestens so laut ist, wie es das längt verhallte Dröhnen der F1-Motoren in Imola in jenen goldenen Zeiten war, fährt Berger fort: „Ich möchte euch heute eine Geschichte erzählen: 1989 hatte auch ich in dieser Kurve einen schweren Unfall. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, holte mich Ayrton ab und wir fuhren raus zur Strecke, um uns die Unfallstelle anzusehen. Ich sagte ihm: 'Wir müssen diese Mauer hier versetzen lassen, sie ist zu gefährlich.' Doch dann schauten wir hinter die Mauer und sahen, dass dort ein Fluss war. Da sahen wir uns an und stimmten überein, dass wir wohl nichts daran ändern können und die Mauer so lassen müssen. Daran, dass wir auch um eine Schikane hätten bitten können, so wie es sie heute gibt, haben wir nicht einmal gedacht. Also haben wir einfach so weitergemacht... und nun, 20 Jahre später, stehen wir hier genau an der Stelle, an der Ayrton gestorben ist.“

Schweigen & Jubel

Bei der anschließenden Schweigeminute ist es mucksmäuschenstill. Sennas Tod war der bisher letzte eines Piloten in der Formel 1. Die Fahrergeneration von heute war damals größtenteils noch nicht einmal eingeschult, kann sich die Zustände und Gefahren von früher oft nur schwer vorstellen. „Ayrton war ein großer Champion und für mich als Kind ein Idol. Ich hatte in meinem Zimmer sogar sein Poster hängen“, erklärt beispielsweise Fernando Alonso. „Wann immer ich in den Zeitungen geschaut habe, wer gewonnen hat, war das immer Ayrton, mit dem gelben Helm und dem Auto mit der Nummer 1.“ Im Hintergrund branden immer wieder 'Senna! Senna!'-Sprechchöre auf. Die Redner – in diesem Fall Alonso - müssen minutenlang unterbrechen: Gänsehautstimmung in der Tamburello.

Ein Tod für die Sicherheit

Ferrari-Fahrer
Walk of Tribute: Auch die Ferrari-Stars Räikkönen und Alonso (Mitte) erweisen Senna die Ehre und pilgern zur Tamburello-Kurve
Alonsos Teamkollege Kimi Räikkönen ergänzt: „Für die Formel 1 und den ganzen Motorsport war das hier vor 20 Jahren ein grauenhaftes Wochenende. Es ist aber schön, dass heute trotzdem so viele Leute hier sind, denn es ist besser, die gute Erinnerungen zu bewahren und nicht die schlechten.“ Außerdem dürfe man nicht vergessen, sagt der Finne: „Diese Tragödie hat die Formel 1 stark verändert und letzten Endes doch noch etwas Gutes bewirkt, denn sie ist heute viel sicherer geworden als damals.“ Die Wirkung Sennas ist also auch zwei Dekaden nach seinem Ableben ungebrochen – auch das wird einem klar, wenn man in diesen Tagen durch Imola läuft und die brasilianischen Flaggen, die weißen T-Shirts mit dem roten S und die Menschen mit Tränen in den Augen sieht. Der große Held der Formel 1 – längst ist er durch seinen Tod unsterblich geworden.
Die besten Impressionen vom Ayrton-Senna-Tribute 2014 in Imola - jetzt nur in unserer großen Bildergalerie.

Von

Frederik Hackbarth