Aus dem Rückspiegel verloren

Es gibt sicherlich angenehmere Gesprächsthemen im Urlaub. Michael Schumacher und Formel-Konkurrent Nick Heidfeld indes haben während ihres gemeinsamen Aufenthalts in Malaysia vor dem dortigen Grand Prix am 20. März etwas aufzuarbeiten: ihr Doppel-Aus beim Großen Preis von Australien in Melbourne. "Wir verstehen uns gut und werden das so regeln, daß es nicht wieder vorkommt", meinte BMW-Williams-Neuzugang Heidfeld, nachdem die beiden Rheinländer in Runde 42 beim Kampf um Platz acht nach einem "auffällig unnötigen" Crash (BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen) von der Strecke gerutscht waren.

Wie bei so vielen Unfällen im täglichen Straßenverkehr wird die Schuldfrage auch bei der Zusammenkunft der beiden Berufsfahrer wohl für immer ungeklärt bleiben: Schumacher, mit seinem Ferrari F2004 M gerade nach Boxenstop Nummer zwei auf die Strecke zurückgekehrt, hatte den Ausgang der ersten Schikane schlecht erwischt, als sich ein heranbrausender FW27 mit Heidfeld am Steuer beim Anbremsen neben ihn setzen wollte. Der Weltmeister machte mit einem Schlenker die Tür zu, drängte seinen Landsmann aufs rutschige Grün, woraufhin ihn dieser anschließend ohne Kontrolle von der Strecke holte. Zwar ließ sich der siebenfache Champion nochmals auf die Piste zurückschieben, doch stellte er seinen Boliden kurz darauf mit Schäden an der Radaufhängung in der Box ab.

Eine Szene wie ein Elfmeterpfiff beim Fußball – es läßt sich vortrefflich über sie diskutieren. Vor allem von den Beteiligten: "Ich glaube, ich habe das Manöver richtig angelegt. Er kam nach seinem Boxenstop nicht sehr gut aus der ersten Schikane heraus, weil er nicht auf der Ideallinie war. Ich fuhr rechts neben ihn und hätte ihn ausbremsen können, aber er ließ mir absolut keinen Platz und drängte mich auf das Gras, wo man natürlich nicht bremsen kann. Da kann sich jeder sein eigenes Bild machen", schilderte ein verärgerter Nick Heidfeld seine Sicht der Dinge.

Eine Sicht, die der andere Verkehrsteilnehmer erwartungsgemäß nicht teilen konnte: "Ich sah ihn, als ich aus der Box kam, nah hinter mir und machte klar, daß ich meine Position verteidigen werde. Ich wußte, daß er versuchen würde, innen zu überholen, und ich habe meiner Meinung nach deutlich gemacht, daß ich das nicht zulassen werde. Dann verlor ich plötzlich den Sichtkontakt in den Spiegeln. Ich lenkte in die Kurve ein und plötzlich hat es einen Knall gegeben", meinte Schumacher, der vorsorglich auch seinen Unfallgegner in Schutz nahm: "Ich kann ihn nicht dafür beschuldigen, daß er versucht hat, mich zu überholen."

Renn-Stewarts verhängten keine Strafe

Auch wenn es für Schumacher eine Szene war, bei der man "von zehn Menschen zehn verschiedene Meinungen zu hören bekommt": Die öffentliche Kritik einen Tag danach richtete sich meist gegen den Dauerweltmeister – vor allem die der Ex-Piloten: "Er wollte nicht, daß ihn dieser Heidfeld im BMW überholt. Auf fairem Wege konnte er das aber nicht mehr verhindern, deswegen hat er ihn gefoult", klagte BILD-Kolumnist und TV-Experte Hans-Joachim Stuck (72 Formel-1-Rennen). RTL-Mann Christian Danner (36 GP) pflichtete ihm bei: "Michael hat Nick auflaufen lassen, ihn dann eingeengt. Absolut unnötig, das macht man nicht." Immerhin zeigte sich Niki Lauda salomonisch: "Das war ein hartes Manöver. Michael hätte den Unfall verhindern können, wenn er nicht nach innen gezogen wäre. Aber ich würde beiden Fahrern die Schuld geben", urteilte der Österreicher.

Was den älteren Schumacher-Bruder indes am meisten interessierte, war dies: Die Renn-Stewarts in Melbourne stuften den Vorfall nach Ansicht der Videobilder als "normalen Rennunfall" ein und verhängten keine Strafe gegen die beiden Bruchpiloten. So konnte denn der 36jährige das schwarze Wochenende einfach abhaken und sich vor Sepang in einen Kurzurlaub mit Ehefrau Corinna verabschieden. Seinem neun Jahre jüngeren Landsmann Heidfeld, einer seiner Nachfolger im Mercedes-Juniorprogramm, hätte derweil ein Achtungserfolg gut zu Gesicht gestanden. Sitzt bei BMW-Williams doch die hausinterne Konkurrenz mit Antonio Pizzonia auf Abruf bereit.