Er stand im Mittelpunkt im Fahrerlager am Donnerstag in Baku: Australiens Wonneproppen Daniel Ricciardo (28). Und das nicht nur wegen seines Siegs beim letzten Rennen in China. Um ihn ranken im Moment alle Spekulationen betreffend seiner Zukunft. Hat er einen Vorvertrag bei Ferrari unterschrieben? Redet er mit Mercedes? Bleibt er bei Red Bull, die ihn behalten wollen, aber konkrete Antworten bis spätestens Ende August haben wollen?
Autorennen
Beerbt Ricciardo 2019 Kimi Räikkönen bei Ferrari?
Offiziell traf ich ihn das erste Mal bei der FIA-PK am Donnerstagnachmittag. Wir hatten schon vor der offiziellen PK einen kleinen privaten Chat. "Hast Du schon Deutsch gelernt? Ich meine richtiges Deutsch, nicht mit österreichischem Einschlag?", provozierte ich ihn, "ich bin sicher, Mercedes ist scharf auf Dich. Besonders Niki Lauda!" Ricciardo grinste nur in seiner typischen Honigdachsart und machte sofort alle Anstalten, sich schnell das Headset für die PK aufzusetzen und der Fragen zu harren, die da kommen. Er wusste, dass ich ihn hart anpacken konnte mit Fragen über genau dieses Thema.
Vorher schon hatte er dementiert, dass er mit Ferrari einen Vorvertrag unterschrieben hätte. "Das ist nicht wahr. Reden tue ich in Wahrheit nur mit Red Bull." Dann kam unser gemeinsamer Auftritt. Im Namen von AUTO BILD MOTORSPORT fragte ich ihn: "Du bist ein aufrechter und mutiger Fahrer. Also erwarte ich jetzt eine mutige und aufrichtige Antwort: Hättest Du, wie kurz nach dem Rennen in Bahrain angedeutet, das Rennen dort anstelle von Valtteri Bottas gewonnen, als er kurz vor Schluss versuchte mit wesentlich besseren Reifen Sebastian Vettel zu überholen und scheiterte?"
Red Bull
Ricciardo ist schon zehn Jahre im Red-Bull-Programm
Die Sonnenbräune wechselte kurz in ein jungfräuliches Rot in Ricciardos Gesicht. Er füllte sich gleichzeitig ertappt und bestätigt. Und ein wenig Mitleid mit Bottas war auch noch mit ihm Spiel. Wie ein Richter, der am Ende doch nicht das härteste Urteil fällen will. "Ich habe doch nur gesagt, ich hätte alles probiert. Und zwar genau in Kurve eins. Ich weiß nicht, ob es geklappt hätte, aber ich hätte auf jeden Fall alles für den Sieg getan. Ich will aber nicht zu respektlos klingen, weil ich am Ende ja nicht in Valtteris Schuhen steckte." Wer ihn aber kennt, weiß: Ja, er ist überzeugt, er hätte das Rennen gewonnen. Was wiederum ein Beispiel dafür ist, dass ein Fahrer trotz der High-Tech in der Formel 1 mit einer entscheidenden Aktion doch noch den Unterschied zwischen Sieg und zweitem Platz ausmachen kann. Wie ein Messi im Fußball.
Ich ließ aber nicht locker: "Daniel", hakte ich nach, "das ist meine vorerst letzte Frage zu deiner Zukunft: Hast Du Geduld, bis Sommer zu warten, ob Ferrari oder Mercedes Kontakt mit Dir aufnehmen? Oder musst Du dann selbst aktiv werden?" Antwort: "Keine schlechte Frage. Sommer klingt schon mal gut. Ich habe ehrlich gesagt keine Angst, im nächsten Jahr ohne Auto dazustehen. Deshalb muss ich nicht gleich morgen irgendwo unterschreiben. Wenn aber bis Sommer nichts passiert, ja, dann muss ich mir vielleicht Plan B zurechtlegen. Wenn dann nur noch Red Bull übrig ist, ist das auch nicht schlimm. Denn ich weiß, was ich an ihnen habe. Aber im Moment verspüre ich noch keinen Druck."
Ricciardo
Klingeling: Welches Top-Team ruft Ricciardo zuerst an?
Später trafen wir uns nochmal bei Red Bull. Da war es weniger offiziell. Er kam gleich zu mir und klatschte mich ab. "Deine letzte Frage ist genau die, die ich mir auch stelle. Aber ich bin jetzt schon zehn Jahre bei Red Bull und ich weiß, was ich ihnen verdanke. Ich bin ein sehr loyaler Typ. Aber am Ende des Tages will ich in dem Auto sitzen, mit dem ich die WM gewinnen kann. Denn ich weiß, ich kann das. Ich bin mit Seb im Team gefahren, jetzt mit Max und auch mit einem Hamilton hätte ich kein Problem. Dass ich mein Ziel verfolge, Weltmeister zu werden, darf mir auch keiner übel nehmen. Aber noch wichtiger ist: vergiss nicht Helmuts Geburtstag - der wird morgen 75." Ricciardo meint Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko - seinen Mentor, Vettels Mentor und der Mentor auch von Max Verstappen. "Nein", sagte ich, "ich werde dran denken."

Von

Ralf Bach