Ok, ich gebe es zu. Als ich als 16 Jahre alter Teenager mit Schumi-Mütze und ferrarirotem Herzen vorm Fernseher saß, habe ich ihn zutiefst verachtet. Ich hätte ihn am liebsten nach Sibirien deportiert oder in die eiskältesten Jagdgründe seines Heimatlandes Kanada. Er hatte gerade in Jerez meinen Schumi geschlagen. Vorgeführt hatte er ihn. Lächerlich gemacht. Meiner Meinung nach hatte dieses kleine kanadische Vatersöhnchen meinem Idol den Titel gestohlen.
Ich schleuderte meine rote Mütze voller Wut auf den braunen Teppich unserer Wohnstube und konnte mir so ungefähr alles vorstellen. Nur zwei Dinge nicht! Erstens: Dass ich irgendwann einmal Jacques Villeneuve als sehr intelligenten Analytiker schätzen würde, mit genauso viel Mut bei seiner Wortwahl wie beim Fahren am Limit des F1-Williams von damals. Und dass ich mit ihm in vertrauter Atmosphäre frühstücken würde. Beides ist passiert.
Bianca Garloff
Reporterin Bianca Garloff berichtet von den Rennstrecken dieser Welt
Jacques habe ich im Laufe meiner Reporterin-Laufbahn vor zwei Jahren kennen gelernt. Wir sprachen immer öfter, immer vertrauter. Was mir sofort auffiel: Er redet immer Klartext, er redet wie eine Gerade - seine Worte wurden durch kein verbales Kurvengeschlänge gefiltert. Er hat seine Meinung. Wem es passt, gut! Wem nicht, was soll´s! In Malaysia jetzt wohnten wir zufällig im gleichen Hotel. Er sah mich beim Frühstück und fragte mich, ob er sich dazusetzen könnte. Wieder redete er Klartext. Über die aktuellen Themen der Formel 1. Über seine Pläne als Rennfahrer. Die Überlegenheit der Mercedes zum Beispiel erinnert ihn an Melbourne 1997.
„Dort hatte ich im Training 1,7 Sekunden Vorsprung. Trotzdem wurde es am Ende eng.“ Oder über die für mich doch etwas künstlich aufgebrachte Sounddiskussion. „Der Sound ist gar nicht schlimm“, sagt Jacques, „schlimm ist dagegen die Diskussion darüber. Das zeigt, dass die Formel 1 ein anderes Problem hat. Die Show des eigentlichen Racings ist nicht mehr gut genug. Zuviel Elektronik bestimmt mittlerweile das Fahren. Deshalb: Gebt den Jungs mehr PS, größere Turbolader und wenig Beschränkungen. Die Kraft der Motoren muss wieder sichtbarer werden. Dann werden die Fans auch wieder mehr Freude empfinden.“
Villeneuve & Hill
Immer zu Scherzen aufgelegt: Villeneuve (li.) traf im Sepang-Fahrerlager auch Ex-Teamkollege Damon Hill
Im Mai werde ich ihm - das hätte ich 1997 auch nie gedacht - kräftig die Daumen drücken. Aus zwei Gründen. Erstens: Er soll erfolgreich sein. Zweitens, noch wichtiger: Er soll unverletzt die Indy 500 überstehen. Denn die sind immer noch eines der gefährlichsten Rennen der Welt. Man fährt mit über 350 km/h Durchschnitt. Mehr muss man nicht sagen. Jaques kennt die Gefahr, hat aber keine Angst: „Die Autos sind sicherer geworden als vor 20 Jahren, als ich das erste Mal in Indy fuhr. Aber, ja, es ist gefährlich. Ich weiß jetzt schon: Wenn ich im Qualifying ohne Lupfen die Runde fahre, wird mein Herz höher schlagen. Aber ich brauche das Adrenalin immer noch.“
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Vorher steht aber noch ein so genannter Refresh-Kurs für den Indy 500-Gewinner von 1995 an. „Eine Art Alterstest“, erzählt Jacques amüsiert. „Sie schicken ältere Piloten zehnmal um den Kurs. Wenn man dann keinen Unfall hat und keine Herzattacke erleidet, darf man fahren.“ Wir haben noch viele andere Dinge besprochen, auch private. Die aber gehören nicht in die Öffentlichkeit. Unglaublich, aber wahr: Auch Journalisten können schweigen. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon auf die nächste Unterhaltung mit Jacques...