"Man sieht die Sonne langsam untergehen und erschrickt doch, wenn es plötzlich dunkel ist." Franz Kafka hat diesen Satz geschrieben und er passt nur zu gut zu der Stimmung in Monte Carlo. Als hätten sich dann auch noch die Wolken extra zum letzten Gruß für Niki Lauda zur Parade vereinigt, verdunkelten sie das Fahrerlager im Yachthafen des Spielerparadies, der sonst nur sehr selten so düster wirkt.
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Niemand wünschte sich gestern die Sonne am Himmel, denn überall herrschte Betroffenheit über den Tod einer Ikone, der sich nach langer schweren Krankheit abgezeichnet hatte und demnach alles andere als plötzlich war. Bei Ferrari sprach man von einem großen Verlust, bei Mercedes zeigte man im Motorhome eine Dia-Show mit sich immer wiederholenden Lauda-Bildern. Die Österreicher hatten nur ein Thema. Niki Lauda. Einer brachte es auf den Punkt, warum immer noch Ungläubigkeit über Laudas Tod herrschte. "Wir dachten doch, er könnte übers Wasser laufen."
Es ist schwierig über das Ableben eines Menschen zu schreiben, der besonders in seinem Heimatland in den Himmel gehoben wurde, den man besonders dort in eine Rüstung der Unverwundbarkeit gesteckt hatte. Und dem man einen Heiligenschein verpasst hatte, der ihm einen Freifahrtschein gab für alles, was er sagte. Auch wenn es der größte Unsinn war.
Wenn Lauda dreimal am Tag seine Meinung änderte, dann änderte man sie eben mit. Ja, Niki Lauda war eine Ikone, ein Superstar, einer, dem sogar Hollywood, das Epizentrum aller Dramen, einen Spielfilm widmete. Bloß: Ein Heiliger war Niki Lauda beileibe nicht. Das hätte er auch nicht gelten lassen. "Ich bin ein Egoist", sagte er immer wieder mit einem Lächeln, das nicht um Verständnis für das Geständnis bat, sondern eher dem Gegenüber vermittelte: "Wer es nicht ist, ist ein Depp."
„Ich komme in die Grüne Hölle“
Niki Lauda 1974 in Brands Hatch
Ich wurde am 1. August 1976 richtig auf ihn aufmerksam. Sein Feuerunfall in der "Grünen Hölle" des Nürburgrings, sein Comeback nach sechs Wochen in Monza, das alles faszinierte mich. Sein Buch "Protokoll – Meine Jahre bei Ferrari" machten mich noch neugieriger auf einen Menschen, der sogar über seine letzte Ölung sprach, als hätte er gerade seinen Nachbarn beim Brötchen holen getroffen.
Das Interessanteste aber für mich war: Wäre er wirklich noch mein Superheld, wenn ich ihn kennenlerne würde? Durch meine Arbeit in der Formel 1 lernte ich ihn in der Tat kennen. Aber wie ein Gemälde, bei dem zehn Betrachter zehn verschiedene Sachen sehen, steht meine Beschreibung nicht für Endgültigkeit.
Schnell lernte ich, dass er zwar nicht gebildet, aber hochintelligent war. Dass er nicht erst über belanglose Dinge wie das Wetter sprach, sondern gleich zum Punkt kam. "Was willst Du? Mach schnell, ich habe keine Zeit." Antworten wie "Du hast die Uhr, aber ich die Zeit", überraschten ihn.
Und man merkte, dass er eigentlich am meisten Respekt vor Menschen hatte, die seinen Heiligenschein ignorierten. Mit der Zeit schöpfte er immer mehr Vertrauen, legte langsam die Rüstung des Unnahbaren ab, die doch nur reiner Selbstschutz war. Nur übertreiben sollte es man nicht.
Das habe ich manchmal getan. Einmal, er war wegen eines Artikels verärgert, wartete er im Mercedes-Motorhome auf mich. "Ich erwarte mehr Respekt", kam er gleich selbstironisch zur Sache, "immerhin bin ich in Österreich so was wie eine gottähnliche Erscheinung." "Gut", sagte ich zu seinem ältesten Sohn Lukas, der neben ihm stand, "dann nenn ich Dich jetzt ab sofort Jesus Christus."
Die gottähnliche Erscheinung wollte nicht, aber musste lachen, der Ärger war vergessen. Denn: Ihm taugte es zwar, einer der größten Superstars des Planeten zu sein, mit allen Vorteilen die man dabei hat. Aber er fühlte sich nicht so, er machte sich eher über die lustig, die ihn dazu machten.
Lauda hatte Gefühle, die er ab und zu preisgab. "Ich bin ein sehr sensibler Mensch", sagte er oft. Doch immer im Nebensatz, die ernstgemeinte Botschaft sollte überhört werden. Er gab zu, mal aus heiterem Himmel geweint zu haben, nur weil er hoch oben im Flieger unten Jamaika entdeckte. "Weil ich Bob Marley so mochte." Wenn er Gefühle zugab, sprach er ganz offen drüber.
Seine größte Krise hatte Lauda fernab aller Rennstrecken zu bewältigen. Als 1991 die Boeing seiner Lauda Air in Thailand abstürzte und 223 Menschen mit in den Tod riss. "Ich bin sofort zur Unfallstelle geflogen. Man kann nur etwas zu einem Flugzeugabsturz sagen, wenn man weiß, worum es geht. Das war für mich eine klare Entscheidung, auch wenn es fürchterlich war, das alles zu sehen.  Die Unfallursache herauszufinden, war für mich der beste Weg, diese schwierige Situation zu meistern. Es hat acht Monate gedauert, ehe ich wusste, dass es die Schubumkehr, also ein technischer Mangel war. Sonst hätte ich sofort zugedreht."
Und eins hatte Niki Lauda auch. Einen feinen, sensiblen, oft hintergründigen Humor. Einmal sprachen wir über den Tod, über Gott, über das Leben danach. "Ich komme nicht in den Himmel, sondern in die "Grüne Hölle." Dieser Satz hat sich fest in mein Hirn gebrannt. War er doch so typisch für ihn.
Das letzte Mal habe ich Niki Lauda am 22. Februar gesprochen. Ich wollte ihm zum 70. Geburtstag gratulieren, erwartete aber nicht, dass er den Hörer abnahm. Ich wollte gerade auf die Mailbox sprechen, als ich eine dünne Stimme hörte. "Ja, Hallo." Kein "Was willst Du? Ich habe keine Zeit", kein schnoddriger Dank, dass man an seinen runden Jahrestag gedacht hatte. Er freute sich richtig herzlich, es kam aus der schwachen Stimme ehrliche Rührung herüber.
Ich war traurig betroffen, denn ich spürte, dass es das letzte Gespräch mit ihm war.

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Lauda
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Niki Lauda: Seine Karriere

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Ralf Bach