Zum zum neunten Mal in Folge und zum insgesamt zehnten Mal in dieser Saison wurde Sebastian Vettel beim Qualifying zum Großen Preis von Russland (Sonntag, 14.10 Uhr auf RTL, Sky und F1 TV Pro) von seinem Teamkollegen Charles Leclerc im Qualifying geschlagen. Wirklich genervt wirkt der Deutsche davon aber nicht.
Vettel: „Ich hatte einen Schnitzer in der letzten Runde. Ein wenig Zeit war also noch da. Anders gesehen muss man auch akzeptieren: Charles war heute schneller und hat einen guten Job gemacht. Ich bin natürlich nicht zufrieden, weil mehr drin war. Für morgen bin ich aber guter Dinge. Der Speed im Rennen ist da. Es wird interessant, was Mercedes mit den anderen Reifen macht.“
Hintergrund: Mercedes startet mit den mittelharten, gelben Pneus; Vettel und Leclerc mit den weichen roten. Der Hesse: „Wir sind der Meinung, dass die Mercedes-Strategie kein Vorteil ist. Deshalb kamen wir zu dem Schluss, es nicht zu machen.“
Im Gegenteil: Am Start dürfte die weichere Mischung Vettel sogar helfen. „Für Lewis haben wir gute Chancen, denn wir sind auf den weicheren Reifen“, resümiert er denn auch. „Das sollte uns beim Start in die Karten spielen. Dann ist es ein langer Weg zur ersten Kurve. Schauen wir mal, was passiert. Wenn man nicht ganz vorne ist, ist der dritte Platz vielleicht kein schlechter Startplatz.“
Überhaupt glaubt der Heppenheimer auch, dass er im Rennen mit seinem schnellen Teamkollegen mithalten kann. Vettel: „Im Rennen beruhigt sich vieles, da können wir nicht so sehr attackieren wie im Qualifying und generell fühle ich mich immer wohler im Rennen, wenn ich mehr Runden in dem Auto habe.“
Top-3 Quali
Leclerc auf Pole, Vettel Dritter noch hinter Hamilton
Vettel fährt damit eine Strategie, die es auch in der Vergangenheit schon in der Formel 1 gab. Sein ehemaliger Toro-Rosso-Teambesitzer Gerhard Berger erklärt gegenüber ABMS: „Sebastian trifft in Leclerc auf einen wesentlich jüngeren, hungrigen Teamkollegen, der auch noch der Liebling des Teams zu sein scheint. Damit muss er erst mal zurechtkommen. Aber der Sieg in Singapur hat bewiesen, dass er die neue Rolle angenommen hat. Und das heißt: Er muss den unglaublichen Speed und die Unbekümmertheit, welche die Jugend Leclercs mit sich bringt, mit seiner Erfahrung kontern. Dass ein junger Bock den Platzhirsch herausfordert, ist nicht neu.“
In zwei berühmten Fällen behielt der Platzhirsch die Oberhand. 1984 wurde Niki Lauda (damals 35) bei McLaren-Porsche schnell klar, dass er in Sachen Tempo seinem jüngeren Teamkollegen Alain Prost (damals 29) nicht mehr gewachsen war. „Also“, analysierte die im Mai dieses Jahres verstorbene Formel-1-Legende, „musste ich umdenken. Ich schenkte das Training praktisch her und konzentrierte mich ganz auf die Abstimmung aufs Rennen. Gleichzeitig versuchte ich, die Schwachstellen Alains im physischen Bereich zu entdecken. Die nutze ich dann gnadenlos aus.“ Lauda gewann so seinen dritten Titel mit einem halben Punkt Vorsprung.
1989 fühlte sich Prost wie Lauda vier Jahre zuvor. Von der reinen Geschwindigkeit war für ihn kein Kraut gewachsen gegen den Emporkömmling im McLaren-Team Ayrton Senna (damals 29). Nach verlorener WM 1988 schlug er 1989 mit all seiner Routine zurück. Er konzentrierte sich wie Lauda ganz auf das Rennen und machte so viel Politik, dass Senna die Contenance verlor. Mit dem Ergebnis, dass Prost die WM gewann.
Berger relativiert indes: „Vettel ist mit seinen 32 Jahren im optimalen Alter für einen Formel-1-Piloten. Einerseits ist er noch jung genug, um richtig Gas zu geben, andererseits hat er schon über zehn Jahre Erfahrung im Rucksack. Auch wenn er von der Natur her kein Politiker ist, hat er mit seinen schnellen Runden am Ende des Rennens in Singapur Leclerc und dem Team eine klare Ansage gemacht. Und die war: Ich lebe noch, Freunde.“
So etwas würde ihm am Sonntag in Russland auch gut tun.
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Von

Ralf Bach
Bianca Garloff