Der Drittplatzierte Sebastian Vettel freute sich herzlich mit seinem Teamkollegen Daniel Ricciardo über dessen Premierensieg beim Großen Preis von Kanada. Ganz zufrieden war er trotzdem nicht. Vettel wusste, dass auch er selbst hätte gewinnen können. Doch was ging schief beim zweiten Boxenstopp? Offiziell sagte Vettel nach dem Rennen nur: „Als ich hinter Nico Hülkenberg festhing, bat ich per Funk etwas mit der Strategie auszuprobieren. Aus dem Auto habe ich nicht die perfekte Übersicht. Die Jungs am Kommandostand wissen besser, welche Möglichkeiten es gibt. Am Ende habe ich meine Position aber sogar an Daniel verloren.“

Inlap macht den Unterschied

Red Bull
Den Jubel bei Red Bull heimste in Kanada nicht Sebastian Vettel sondern Sieger Daniel Ricciardo (Bild) ein...
Vettel kommt in Runde 36 zu seinem zweiten Boxenstopp. Da hat er 0,8 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen, hängt hinter Nico Hülkenberg fest. Ricciardo lässt eine Runde später die Reifen wechseln. In seiner Inlap ist er 0,896 Sekunden schneller als Vettel zuvor. Die Boxenstopps liegen 0,2 Sekunden auseinander – zugunsten des Australiers. In Runde 38 kommt Ricciardo mit etwa 1,2 Sekunden Vorsprung auf Vettel zurück auf die Strecke. Der Deutsche hätte in seiner Outlap also rund 1,5 Sekunden schneller fahren müssen als die gezeiteten 1.22,04 Minuten. Mit kalten Reifen und ohne DRS auf der langen Geraden (Perez war 1,5 Sekunden entfernt) ist das unmöglich. Ricciardo fuhr eine Runde später nur deshalb eine Zeit von 1.21,28 Minuten, weil er mit weniger als einer Sekunde hinter dem Force India des Mexikaners seinen Heckflügel flacher stellen konnte.

Ricciardo hätte gebremst werden müssen

Red Bull-Motorsportchef Helmut Marko erklärt nach dem Rennen bei AUTO BILD MOTORSPORT: „Das war einfach Pech. Daniel war über die gesamte Renndistanz zwar schneller, aber nicht, weil Seb langsamer gefahren ist. Außerdem ist irgendwas mit dem GPS schiefgelaufen.“ Das zeigt die Positionen der Autos auf der Strecke und berechnet, wo der Fahrer nach einem Stopp wieder herauskommt. „Jedenfalls hat Sebastian in seiner Inlap Zeit hinter Hülkenberg verloren. Daniel hatte auf seiner Runde in die Box dagegen freie Fahrt und konnte richtig angasen, weil er noch etwas weiter von Hülkenberg entfernt war als Vettel zuvor.“ Marko weiter: „Das war definitiv kein Vettel-Fehler, sondern der Kommandostand hat sich verschätzt. Damit er hinter Vettel bleibt, hätten wir Ricciardo bewusst einbremsen und später zum Stopp holen müssen.“

Viel Pech mit der Technik

Vettel & Ricciardo
... dem Deutschen (li.) blieb wie so oft in dieser Saison nur die Rolle des geschlagenen Gratulanten
Der Fehler: Vettel wurde zu früh reinbefohlen. „Meine Reifen waren noch gar nicht runter“, wunderte er sich denn auch hinterher. Unbewusst bekam Ricciardo von Red Bull also die bessere Strategie! Auch deshalb will der Österreicher nichts davon wissen, dass Vettel langsamer sei als Ricciardo. „Im Moment ist der Vergleich verzerrt“, betont er im Hinblick auf die WM-Tabelle. „Der Grund: Sebastian hatte viel Pech mit der Technik. In Malaysia hatte er ein problemloses Rennen. Da kam er vor Daniel ins Ziel.“ Zusammen mit dem Vierfach-Weltmeister ist Marko noch am Sonntagabend zurück nach Europa geflogen. Sorgen, dass der Heppenheimer bei Red Bull hinschmeißen könnte, macht er sich nicht. „Darüber muss ich derzeit nicht nachdenken. Wir haben andere Probleme.“

Kein Wechsel in Sicht

Dass Vettel jetzt überstürzt einen Teamwechsel plant, würde auch nicht zum loyalen Hessen passen. Vor dem Rennen in Kanada hatte er im Interview mit AUTO BILD MOTORSPORT noch gesagt: „Nur weil ich mal nicht gewinne, soll ich gleich das Team verlassen? Bullshit! Ich bin nicht ein Teil dieser schnelllebigen Welt.“ Am Wochenende in Kanada ergänzte er: „Solche Phasen schweißen uns als Team nur noch mehr zusammen.“ Auch in der Pressekonferenz nach seinem dritten Platz in Montreal antwortete er auf die Frage, ob er nach Red Bulls Vertragsverlängerung mit Adrian Newey nun auch einen neuen Kontrakt unterschreiben werde: „Ich denke, mein Vertrag geht noch lang genug.“ Bis Ende 2015 ist Vettel sicher an Red Bull gebunden.

Von

Ralf Bach