Für viele im Fahrerlager war es nur eine Frage der Zeit. Die Mercedes-Teamführung versuchte bis zuletzt immer wieder es abzuwenden, am Sonntag ist es aber doch passiert: Die Situation im WM-Duell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton eskaliert. In Runde zwei des Großen Preises von Belgien kommt es zur Kollision der beiden Silberpfeil-Piloten. Dabei schlitzt Rosberg Hamilton den linken Hinterreifen auf. Der Brite fällt erst weit zurück, später ganz aus. Rosberg beschädigt sich den Frontflügel, rettet aber immerhin Platz zwei hinter Daniel Ricciardo ins Ziel. Trotzdem bekommt er nach dem Rennen verbale Prügel von den eigenen Bossen. „Was heute geschehen ist, ist völlig inakzeptabel", poltert Aufsichtsratschef Niki Lauda.

Doppelsieg weggeworfen

Kollision
Die Szene, die alle Gemüter erhitzte: Rosberg fährt in Runde zwei auf Teamkollege Hamilton auf
„Für das Team, alle Mitarbeiter und die Fahrer ist das schlecht. Nico hat heute deshalb nicht gewinnen können, Lewis konnte nicht einmal das Rennen beenden. Wir haben einen Doppelsieg weggeworfen. Bravo!“, spottet Lauda süffisant. Was den Mercedes-Chef besonders aufregt: „Eine Kollision ist immer schlecht, kann im Endkampf um den Sieg allerdings passieren. Aber nicht am Anfang des Rennens!“ Unterstützung erhält Lauda von Mercedes-Sportchef Toto Wolff: „Das war ein absolut unerfreuliches Szenario und zu diesem Zeitpunkt eines langen Rennens nicht notwendig. Das lässt uns alle ziemlich dämlich dastehen.“

Lauda gibt Rosberg die Schuld

Auch bei der Beantwortung der Schuldfrage sind sich die beiden Österreicher einig. Während die Rennleitung die Kollision als normalen Rennunfall wertet, geben Lauda und Wolff WM-Spitzenreiter Rosberg die Schuld! Lauda: „Lewis war vorne, es war seine Kurve. Punkt. Nico lenkt in ihn hinein - da muss er nachlassen, vom Gas gehen oder mehr bremsen und ihm die Kurve überlassen.“ Zwar räumt Lauda ein: „Es war auch viel Pech dabei. Aber ausgelöst hat das Ganze eindeutig Nico. Es war ein dummer Unfall und es war sein Fehler.“ Harter Tobak von Lauda, der teamintern allgemein als Unterstützer von Hamilton gilt. Doch auch der sonst pro Rosberg gewandte Toto Wolff sagt: „Nico ist heute im Rennen schon stark gefahren, aber das Manöver in der zweiten Runde war Harakiri.“

Hamilton 29 Punkte hinten

Auf die Nachfrage eines Reporters, ob er sich nicht in Rosbergs Gedanken in der Situation reinversetzten kann, antwortet Wolff schroff: „Da waren keine Gedanken dabei...“ Mercedes macht Rosberg zum Prügelknaben und kündigt Konsequenzen an. „Wir werden uns hinsetzen und das diskutieren. Dabei fliegen mit Sicherheit die Fetzen“, so Wolff. „Es liegt an uns, die Message jetzt richtig rüberzubringen, sodass so etwas nie wieder passieren kann und darf.“ An den Auswirkungen auf den WM-Stand ändert die nachträgliche Diskussion aber nichts mehr. Lauda: „Lewis ist in der WM jetzt 29 Punkte hinten, ohne etwas dafür zu können. Natürlich hat er so einen Hals.“

Wie in der Schule

Hamilton
Dicker Hals: Lewis Hamilton musste in Belgien nach der Kollision eine Nullrunde verzeichnen
Hamilton selbst zeigte sich nach der Kollision von Spa geknickt. „Das heute ist nicht einfach zu schlucken. Es war bisher schon ein hartes Jahr und heute war wieder einer dieser Tage.“ In Bezug auf sein Zusammentreffen mit Rosberg konstatiert der Brite: „Es ist traurig für alle in der Garage und im Team.“ Zur Schuldfrage wollte er sich anders als seine Bosse aber nicht äußern. „Es ist unwichtig, was ich denke. Das müssen andere entscheiden. Aber ich war vorne und fahre die Kurve, wie ich sie immer fahre. Dann spüre ich von hinten den Schlag.“ Große Konsequenzen für Rosberg erwartet Hamilton aber nicht. „Es ist wie in der Schule. Wenn jemand etwas falsch macht, kriegt er einen kleinen Klapps auf die Finger. Was soll man sonst machen? Nico ist nach Punkten vorne und ich denke, er wird zufrieden sein.“

Ein entscheidender Moment

Toto Wolff greift Hamiltons Worte allerdings direkt auf: „Wenn dieser Fingerschlag so in Erinnerung bleibt, dass es zukünftig nicht mehr passiert, ist es gut. Die Stärke werden wir jetzt versuchen richtig zu dosieren. Wichtig ist letztendlich, dass wir als Team nicht geschwächt sondern gestärkt aus der Sache rauskommen. Es ist also definitiv ein entscheidender Moment im WM-Kampf.“ Und was sagt 'Übeltäter' Rosberg selbst zur Causa? Der Deutsche hielt sich als einziger mehr oder weniger bedeckt. „Aus Teamsicht ist es heute sehr schlecht gelaufen. Wir duellieren uns aber die ganze Zeit. Es war klar, dass es früher oder später mal eng werden würde“, so der Mercedes-Pilot.

Rosberg kennt die Regeln

Rosberg
Um Beschwichtigung bemüht: Nico Rosberg hatte auch nach dem Rennen noch alle Hände voll zu tun
Mit Blick auf die Kollision mit seinem Teamkollegen fügt Rosberg an: „Es ist schwierig für mich, das so kurz nach dem Rennen zu kommentieren. Mir ist nur wichtig, dass man sich die Sache nochmal genau anguckt, bevor man sich eine Meinung bildet. Und dazu auch das Regelwerk liest, das ist nämlich entscheidend.“ Worauf Rosberg hinaus will: Im Sportlichen Reglement steht, dass der vorherfahrende Fahrer einem hinterherfahrenden Fahrer im Zweikampf 'den Platz zum Überleben' lassen muss, sobald dieser sich mit einem Teil seines Autos auf Höhe des Vordermanns befindet. Das hat Hamilton am Sonntag in Les Combes nicht getan - Rosberg weiß das. Anders als scheinbar die Teamführung bei Mercedes.

Von

Frederik Hackbarth