Mit seinen langen Geraden und dem hohen Vollgasanteil spielt der Shanghai International Circuit, auf dem am Wochenende der Große Preis von China ausgetragen wird, Mercedes voll in die Karten. Alles andere als ein weiterer Sieg der derzeit haushoch überlegenen Silberpfeile wäre eine faustdicke Überraschung. Doch wer triumphiert im Reich der Mitte: Rosberg oder Hamilton? In der WM hat der Deutsche die Nase noch um elf Punkte vorne, zuletzt in Bahrain gewann aber Hamilton und das auf die denkbar knappste Art und Weise. Nicht wenige erwarten deshalb schon für das Rennen am Sonntag in China den großen Knall. Und in der Tat: Auch wenn nach außen hin alles nach einer heilen Welt aussieht, kracht und knistert es hinter den Kulissen bereits gewaltig.

Fairness: Vorteil Rosberg

Bahrain-Podium
Rosbergs müdes Lächeln auf dem Bahrain-Podium sagt alles: Der Deutsche war mit dem Verhalten von Teamkollege Hamilton (re.) nicht einverstanden
AUTO BILD MOTORSPORT erfuhr: Hamiltons letzter Sieg hatte einen hohen Preis, denn der Brite hielt sich bei seinen harten Verteidigungsmanövern in Bahrain nicht immer an die bei Mercedes intern vereinbarten Vorfahrtsregeln – anders als Rosberg, der zurücksteckte und somit den Doppelerfolg sicherte. Dem Team ist nicht entgangen: Während Hamilton sich aggressiv und zu 100 Prozent verteidigte, griff Rosberg nur mit 95 Prozent an. Genau dieses Quäntchen machte am Ende den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage aus, weswegen der Wiesbadener am Teamfunk in der Wüste kochte, nachdem Hamilton ihn mehrmals abgedrängt hatte. Mit ein bisschen Abstand dürfte sich der deutsche Teamplayer aber bestätigt sehen, denn intern gab es nun von keinem Geringeren Rückendeckung als von Sportchef Toto Wolff. „Nico hat sich sehr schlau verhalten“, lobt der Österreicher im Gespräch mit den Kollegen von SPORT BILD. „Er verhinderte einen möglichen Unfall und verzichtete so auf die Siegchance, obwohl er mit den weicheren Reifen das bessere Material zur Verfügung hatte“, freut sich Wolff über die Weitsicht seines Piloten.

Rosberg hat ein Ass im Ärmel

Der Österreicher geht sogar noch weiter: „Nico hat ans Team gedacht und seine Punkte nach Hause gebracht. Wenn man so will, hat er einen gut.“ Für Rosberg heißt das: Er darf ein ähnlich breites Grinsen auflegen wie Hamilton zuletzt auf dem Bahrain-Podium. Beim nächsten strittigen Duell ist der Deutsche im Vorteil und hat ein Ass im Ärmel - Dank seines bis dato mustergültigen Verhaltens. Eben jenes will Wolff nun auch Hamilton einbläuen. Denn, so gibt der Sportchef zu bedenken: „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass beide Silberpfeile im Kiesbett stehen.“ Um dieses Mercedes-Horrorszenario zu vermeiden, haben sich die Teamverantwortlichen vor dem Rennen in China mit beiden Fahrern noch einmal hingesetzt und das Geschehen aus Bahrain per Videoanalyse diskutiert. Bei der Begründung der ein oder anderen Linienwahl dürfte Hamilton dabei ganz schön ins Schwitzen gekommen sein...

Von

Frederik Hackbarth