Es war einmal ein kleines, sechsjähriges Mädchen, das behütet am Fuße des Himalaya in Indien aufwuchs. Sie hatte keine Geschwister, war wild und hatte große Träume. Ihr Spielkamerad war ein Schäferhund, dem sie öfters mal ihren kleinen Kopf in den Rachen steckte.
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Ihr zweiter Freund war der Mond, der in den kalten, aber klaren Nächten verlockend leuchtete. Sie beschloss, Astronautin zu werden, um ihren Freund einmal zu besuchen. Zwei Jahre später trat sie mit ihren Eltern in der Tat eine große Reise an. Familie Narang wanderte nach Wien aus, um ihrer Tochter ein Umfeld zu bieten, das ihrer scheinbar unendlichen Phantasie gerecht wurde.
42 Jahre später ist aus dem kleinen Mädchen eine Ehefrau und Mutter von zwei Kindern geworden, die zwar ihren Freund am Himmel noch nicht besucht hat, aber dennoch schon nach den Sternen gegriffen hat. Denn Monisha Kaltenborn hat etwas erreicht, was einer Mondlandung gleichkam.
Kaltenborn
Monisha Kaltenborn steht vor einer neuen Aufgabe
Sie brach in die Domäne einer absoluten Männerwelt ein. In eine Welt, in der Frauen entweder als Grid Girl Berechtigung hatten oder als Zeitvertreib der Ritter der Moderne dienten, wie der Zirkus gerne seine Helden nannte – sie wurde erste weibliche Teamchefin in der Formel 1. 2012 gab ihr der Schweizer Peter Sauber die Chefrolle in seinem Formel-1-Rennstall, nachdem er ihr zuvor schon ein Drittel der Firmenanteile übertragen hatte.
Es war seine Art Danke zu sagen an die studierte Juristin - denn Frau Kaltenborn rettete sein Team, als sich Investor BMW im Sommer 2009 plötzlich aus der Formel 1 zurückzog und Partner Sauber im Regen stehen ließ.
Kaltenborn blieb knochenhart und handelte mit den Münchner Automobilmanagern schließlich einen Deal aus, der es Peter Sauber ermöglichte, nach der BMW-Übernahme 2006 wieder aus eigener Kraft Formel 1 zu machen. Wichtiger aber: Sie rettete den circa 400 Mitarbeitern in der Sauber-Fabrik in Hinwil ihren Job. Noch heute spricht man auch bei BMW deshalb voller Anerkennung in höchsten Tönen von Frau Kaltenborn.
2017 hatte sie nach Differenzen mit den neuen Sauber-Investoren genug vom schnellsten Zirkus der Welt und widmete sich neuen Herausforderungen. Sie leitet heute die Formula V. Die Firma des Schweizer Multimillionärs Francisco Fernandez will mit Formel-1-Simulatoren rund um die virtuelle Welt expandieren und sicherte sich dafür das Know How der Ex-Teamchefin aus der realen Formel-1-Welt.
Allein: Frau Kaltenborn hat jetzt aber noch ein anderes Ziel. Sie plant ihre nächste Mondfahrt und will nach der Formel 1 in die zweite Domäne eindringen, die immer noch – gewollt oder nicht – von Männern regiert wird: den Fußball. Sie gehört dem Team von Martin Bruckner an, der am 25. November in einer Stichwahl Präsident von Wiens Traditionsklub Rapid werden will - mit dem Ziel, das "Wiener Heiligtum" wieder an die Spitze zu führen. Gewinnt Bruckner, zieht Kaltenborn mit ihm ins Präsidium ein.
Für Kaltenborn macht das alles Sinn. Formel 1 und Fußball, das passe gut zusammen. Kaltenborn: "Beides sind Mannschaftssportarten, wo jedes Rädchen ins andere greifen muss, um Erfolg zu haben. Außerdem: Jedes Kind spielt doch mit Autos. Und jedes Kind hat auch einen Fußball."
Rapid zu helfen, wo es hingehört, nämlich wieder an die Spitze, sei aber noch viel mehr eine Herzensangelegenheit als nur zukunftsorientiertes Management. "Als Kind ging ich mit meinem Vater oft ins Hanappi-Stadion, ein grün-weißer Schal hing über meinem Bett.“ Spieler wie Krankl, Feurer, Panenka oder Kienast waren ihre Helden. Sie hat den Weg des Vereins auch später immer weiterverfolgt und Niederlagen traf sie wie alle Fans, wenn ihr Verein verliert.
Es sei heute jedenfalls eine gute Basis vorhanden, auf der man aufbauen könne. "Sportdirektor Zoran Barisic und Trainer Didi Kühbauer leisten gute Arbeit“, analysiert sie, „Rapid hat seinen eigenen Spielstil gefunden und folgt einer Linie. Das ist gut so." Ihre zukünftige Aufgabe definiere sie so: "Ich habe viele Kontakte aus der Formel 1, die ich einbringen kann. Ich bin im Management aktiv, kann also auch im Sponsoring mithelfen. Ich will mithelfen, aus Rapid nicht nur in Österreich eine Topmarke zu machen. Rapid gehört langfristig in die Champions League."
Allein: Die Sätze sind keine Träumerei. Sie kennt sich schon jetzt besser im Fußballbusiness aus, als man vermuten könnte. Kaltenborn hat exzellente Kontakte zur FIFA und arbeitete 2012 als Sauber-Teamchefin mit Chelsea London zusammen. Kaltenborn: "Wir haben mit Logos, Bandenwerbung und PR-Auftritten kooperiert."
Fest steht: Wer Monisha Kaltenborn trifft, weiß: Sie meint es ernst. Was soll man auch von einer Frau erwarten, die schon mit sechs Jahren zu ihrem Freund, den Mond, fliegen wollte? Und die es auf ihre Art auch geschafft hat. 

Von

Ralf Bach