Mit Tränen in den Augen verkündete Luca di Montezemolo (67) vergangene Woche sein Ausscheiden bei Ferrari nach 27 Jahren. Ein gewohnt theatralisches Ende für die Regentschaft des Landgrafen, der nun von Fiat-Konzernchef Sergio Marchionne (62) ausgebremst wurde. Trotz schwarzer Zahlen, die Montezemolo mit den Serienautos schrieb. Offiziell gab der Fiat-Chef die Ferrari-Krise in der Formel 1 als Trennungsgrund an. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Eitelkeit, behaupten Ferrari-Insider hinter vorgehaltener Hand, sei der wahre Grund gewesen. Man muss wissen: Ein Fiat-Präsident führt in Italien das Leben einer grauen Maus. Der Ferrari-Chef dagegen steht im Rampenlicht. Daher, so heißt es, hätte sich Alleinherrscher Marchionne jetzt selbst auf Ferraris Chefsessel gesetzt.

Luca, der Tausendsassa

Fiat
Fiat-Konzernchef Sergio Marchionne (li.) nahm Luca di Montezemolo (re.) den Job weg
Dafür hat der Italiener sogar eine Abfindung von 27 Millionen Euro bezahlt – eine Hälfte für fünf Jahresgehälter, die andere Hälfte, damit Montezemolo bis 2017 nicht bei einem Fiat-Konkurrenten anheuert. Mit Montezemolo verschwindet nicht nur der letzte Getreue des legendären Firmengründers Enzo Ferrari, sondern auch ein Tausendsassa. Seine Vita liest sich wie die Anleitung zum perfekten Multi-Tasking. Als Assistent von Enzo Ferrari hatte er 1973 begonnen, holte von 1975 bis 1977 fünf WM-Titel mit Niki Lauda (zweimal Fahrer, dreimal Hersteller) sowie mit Michael Schumacher und Kimi Räikkönen von 1999 bis 2008 14 Titel (sechs Fahrer-, acht Hersteller-Titel). In den 80er-Jahren hatte Luca di Montezemolo mehrere Funktionen innerhalb des Fiat-Imperiums und leitete zudem noch das Organisationskomitee der Fußball-WM 1990 in Italien.

Auch politisch engagiert

Von 2004 bis 2010 war er gleichzeitig der Vorsitzende des Mutterhauses Fiat. Auch außerhalb des Automobilsektors war er aktiv, unter anderem als Gründer eines Investmentfonds und als führender Kopf hinter dem Hochgeschwindigkeitszug Italo. Mit seiner Initiative Italia Futura unterstützte Montezemolo den ehemaligen italienischen Regierungschef Mario Monti. Nach dem Ferrari-Aus wird sein Name mit dem Posten des Geschäftsführers der Fluglinie Alitalia in Verbindung gebracht. Fest steht: Nicht nur Ferrari, auch die Formel 1 hat mit Montezemolo einen Mann verloren, der ihr in Zukunft fehlen wird. Ferrari-Legende Gerhard Berger kann sich weder Ferrari noch die Formel 1 „ohne Montezemolo vorstellen“.

Ecclestones Erbe?

Marko
Luca di Montezemolo (li.) im Gespräch mit Red Bulls Helmut Marko (re.)
Red-Bull-Motorsportchef Helmut Marko sieht den Rücktritt ebenfalls sehr kritisch. Marko in der aktuellen SPORT BILD: „Wir könnten bei Red Bull ja eigentlich froh sein, weil Ferrari meiner Meinung extrem geschwächt wird durch den Rücktritt – sind wir aber nicht. Denn Montezemolos Weggang ist nicht nur ein Verlust für Ferrari, sondern für die ganze Formel 1.“ Eine Hintertür bleibt noch. Für viele wäre der Landgraf genau der Richtige, um Nachfolger des in die Kritik geratenen Bernie Ecclestone als F1-Boss zu werden. Marko nennt den Grund: „Montezemolo ist nicht nur extrem charismatisch, sondern auch ein Querdenker, der nicht nur viele gute Ideen hat, sondern auch den Einfluss, die von ihm erkannten Trends zu fördern, um unseren Sport immer wieder noch besser zu machen.“ Den Job dürfte er auch machen. Denn die Formel 1 gilt nicht als Konkurrent des Fiat-Konzerns.

Von

Ralf Bach
Bianca Garloff