Die neuen Formel-1-Autos sind also da, am kommenden Wochenende geht es mit dem Auftakt in Australien wieder los. Viele haben gespannt auf die neuen Formel-1-Flitzer gewartet. Doch viele waren auch enttäuscht: Die meisten Neuerungen spielten sich im Detail ab: hier den Winkel eines Flügelprofils anders gestaltet, dort einen Schlitz in die Nase gefräst. Nur echte Technik-Freaks erkennen wirklich größere Unterschiede.
Kolumne zum Mercedes-DAS-System: hier klicken
Dazu kommt: Viele Teams fahren inzwischen mit B-Varianten von großen Teams. Alpha Tauri und Red Bull haben denselben Besitzer – logisch, dass Alpha Tauri möglichst viele Teile von Red Bull bezieht. Auch Haas kauft alles bei Ferrari ein, was per Reglement erlaubt ist.
Doch den Gipfel bildet Racing Point – mit einer Kopie des Mercedes-Weltmeisterautos von 2019. Technikchef Andy Green: „Ich versteh die Aufregung nicht. Es ist doch klar: Wenn wir uns verbessern wollen, dann kupfern wir vom besten Auto ab und nicht vom schlechtesten.“
Die Diskussion ist brisant: Bisher war der Rennstall aus Silverstone immer der größte Verfechter gegen das Haas-Modell und verwies auf die DNA der Formel 1. Die sieht vor, dass Teams ihre eigenen Chassis bauen müssen. Doch inzwischen hat bei Racing Point der Besitzer gewechselt: Lawrence Stroll hat das Team von Vijay Mallya gekauft. Dem ist die DNA der Formel 1 egal – er will schnellstmöglich an die Spitze des Feldes.
McLaren
McLaren will nicht mit einer Kopie fahren
McLaren-Teamchef Andreas Seidl fürchtet: „Bald haben wir nur noch fünf verschiedene Teams, die auch wirklich eigene Autos bauen.“ Für ihn kommt die Kopier-Philosophie nicht in Frage: „Eine Kopie kann nie so gut sein wie das Original.“
Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost wünscht sich dagegen, dass noch mehr Teile vereinheitlicht werden. „Dieses Jahr müssen wir zum Beispiel wieder unsere eigenen Bremskanäle selber konstruieren. Für kleine Teams wie unseres ist das extrem teuer. Wir werden da immer Nachteile gegenüber den großen Teams haben.“
Daher werden 2021 – zusätzlich zur Budgetobergrenze – noch mehr Teile vereinheitlicht und teure Materialen verbannt.
In Hinblick auf andere Rennserien wie die IndyCar oder die Formel E stellt sich aber die Frage, warum die Formel 1 nicht gleich mit Einheitschassis fährt. Die DNA der Königsklasse sieht die Konstruktion eigener Chassis gar nicht vor. Bis Ende der 1970er Jahre war es völlig normal, dass Teams sich bei anderen Rennställen ganze Autos gekauft haben. Williams zum Beispiel begann 1966 mit Brabham-Kundenautos, Ferrari in den 1930er Jahren mit gekauften Autos von Alfa Romeo.
Die technischen Entwicklungen laufen in einem eng gestrickten Reglement zudem ohnehin nur im Detail ab. Topteams bringen pro Saison bis zu 35 verschiedene Varianten von Frontflügeln. Die meisten Fans bekommen davon kaum etwas mit.
Größere Ideen wie das DAS-System von Mercedes sind die Ausnahme. Vor 30 Jahren machten Gedanken und Ideen von Technik-Genies wie Adrian Newey noch den Unterschied. Heute zeigt sich, dass Newey allein auch chancenlos ist. Die Autos werden viel mehr von Computer-Programmen und Simulationen konstruiert. Und da gewinnt das Team, das am meisten Geld ausgibt – also die größten Ressourcen hat.
Heißt auch: Der Sport würde enger, spannender und abwechslungsreicher, wenn die Teams dieselben Fahrzeuge erhielten. Die IndyCar zeigt das: Zwar gehen die meisten Siege da auch an die Topteams Penske, Andretti und Ganassi. Aber an guten Tagen kann jedes Team gewinnen.
Zum Ausgleich könnten den Herstellern dafür mehr Freiräume bei der Motorentwicklung eingeräumt werden. Damit neue Hersteller angelockt werden könnten
In der Bildergalerie zeigen wir Ihnen nochmal die neuen Autos der Topteams und ihre Technikkniffs im Detail.

Von

Michael Zeitler