Herr Wolff, nach der Kollision zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton in Spa sowie dem Krisengipfel am Freitag: Mit welcher Prämisse geht Mercedes in das Rennen in Monza?
Toto Wolff (42): Wir bleiben unserer Prämisse treu, dass wir spannende Rennen wollen und dass die beiden gegeneinander um die Weltmeisterschaft fighten können. Aber unsere goldene Regel, dass Teamkollegen sich nicht abschießen oder kollidieren dürfen, wurde den Fahrern im Vorfeld des Italien GP noch einmal deutlich gemacht.
Was heißt das im Detail?
Es wurde mit beiden Fahrern Klartext geredet, was wir von ihnen erwarten und - da geht es nicht nur um die Vorfälle in Spa - es geht darum, dass wir die letzten Saisonrennen respektvoll und fair miteinander umgehen. Konsequenzen gab es, aber die werden wir nicht öffentlich diskutieren.
Nico Rosberg hat sich entschuldigt und die Verantwortung für den Crash übernommen. Viele Fans in den deutschen Foren verstehen das nicht. Gehören zu einem Crash nicht immer zwei?
Mercedes
Paddy Lowe (l.) und Toto Wolff (r.) haben in Ruhe mit ihren Fahrern Lewis Hamilton & Nico Rosberg geredet
Der Unfall zwischen den beiden würde in jeder anderen Situation mit zwei unterschiedlichen Fahrzeugen als klarer Rennunfall gesehen. Deshalb wurde er in Spa auch nicht bestraft. Wir bleiben aber dabei, dass der Unfall zwischen zwei Teamkollegen in Runde zwei eines 44 Runden langen Rennens - ohne dass der Klappflügel-Effekt wirksam gewesen wäre - ein absolutes No-go ist. Es ist hierbei egal, ob die Schuld bei dem Fahrer zu 100 Prozent liegt oder nur zu 80 Prozent. Wenn die Schuld bei 51 Prozent liegt, ist es für mich schon ausreichend. Aber wir haben zur Genüge darüber diskutiert und sollten jetzt nach vorne schauen.
Inwiefern hat Nico Rosberg denn nun absichtlich agiert oder nicht?
Nico hat den Unfall nicht absichtlich herbeigeführt. Das macht kein Rennfahrer, der bei Mercedes fährt. Es ist aber zu dieser Kollision gekommen, obwohl die Situation zu vermeiden gewesen wäre.
Welche Schlussfolgerung zieht Mercedes grundsätzlich aus Spa für den Rest des Jahres?
Aus zwölf Rennen sind wir elfmal gut durchgekommen und haben elfmal spannende Rennen gehabt. Trotzdem müssen wir aus den Vorkommnissen in Spa lernen. Deshalb haben wir bei beiden Fahrern ausdrücklich daraufhin gewirkt, dass wir eine Kollision der beiden nicht mehr tolerieren werden. Ich glaube, dass beide jetzt noch einmal klarer verstehen, dass so etwas nicht passieren darf.
Freuen Sie sich auf den Rest der Saison - oder befürchten Sie weitere Zwischenfälle?
Rosberg
Will auch weiterhin mit seinen Piloten Rennsiege für Mercedes bejubeln: Toto Wolff (r.)
Spa war ein ganz wichtiger Meilenstein für das Team - egal wie schmerzlich der Punktverlust ist. Er war deshalb wichtig, um noch einmal darüber zu diskutieren und festzulegen, wo unsere Prinzipien liegen und wie wir miteinander Rennen fahren wollen. Wir stehen nach wie vor zu unserer Philosophie des freien Fahrens. Aber es muss auch respektiert werden, dass an diesen Autos viele hundert Menschen arbeiten, die rund um die Uhr Kompromisse eingehen, um sie so schnell und haltbar wie möglich zu machen. Und dieses Engagement kann in letzter Instanz nicht von einem unserer Fahrer weggeworfen werden.
Die gesamte Formel 1 spricht derzeit ausschließlich über die Kollision in Spa. Gut oder schlecht für die Formel 1 und Mercedes?
Dazu gibt es viele Standpunkte und sicherlich keinen, der ausschließlich richtig ist. Für die Formel 1 ist es gut, dass man in den Medien ist. Die Kontroverse gehört zur DNA der Formel 1. Ob es für das Team gut ist, dass man über einen Krieg der Sterne diskutiert? Mit Sicherheit nicht. Ich glaube, dass die Zusammengehörigkeit im Team an diesem Wochenende gelitten hat. Deshalb haben wir in den letzten Tagen viel investiert, um sie wieder zu stärken. Ich bin auch der Meinung, dass wir gestärkt herausgekommen sind. Als Mercedes hätte ich mir diese Debatte aber gerne erspart.
Wie ist die Stimmung im Team?
Die Stimmung im Team ist sehr gut. Wir haben in der vergangenen Woche viele Gespräche geführt, haben viele unterschiedliche Standpunkte gehört. Ich denke aber, dass wir so einen starken Zusammenhalt im Team haben, dass wir Gruppenbildung nicht zulassen. Die Jungs kennen sich seit langem und respektieren sich. Das ist eine der Stärken dieses Teams.

Von

Ralf Bach
Bianca Garloff