Auslaufmodell oder nur ein schlafender Riese? Diese Frage beschrieb den Stellenwert von Williams in der Königsklasse in den vergangenen Jahren am besten. Seit 2014 gibt es eine neue Frage: Nummer drei oder sogar Nummer zwei in der Formel 1, sprich erster Mercedes-Herausforderer? Dreimal in Folge stand mit Valtteri Bottas zuletzt ein Williams-Pilot auf dem Podest und auch durch gute Qualifying-Leistungen (Pole & P2 in Österreich, P2 & P3 in Deutschland) machte das Team aus Grove auf sich aufmerksam. Damit ist Williams die Überraschung der Saison – denn noch im Vorjahr verzeichnete der Traditionsrennstall, der es in seiner glorreichen Vergangenheit immerhin auf sieben Fahrer- und neun Konstrukteurstitel bringt, die schlechteste Saison in der Teamgeschichte.

Vor Ferrari & Red Bull

Mercedes
Williams in Hockenheim: Nah dran an Mercedes und klar vor Red Bull und Ferrari
Im Winter folgte jedoch der Wechsel von Renault- auf Mercedes-Motoren. Mit der neuen Power und guter Arbeit beim Umsetzen des geänderten Reglements schaffte man den Sprung zurück in die Spitzengruppe der F1. Für manch einen ist das auch eine große Genugtuung, so zum Beispiel für Rob Smedley. Der Brite war jahrelang Felipe Massas Renningenieur bei Ferrari. Nach dem Aus Massas bei der Scuderia Ende letzter Saison zog es ihn mit zu Williams, wo er nun den Posten des Chefrenningenieurs bekleidet – und seine beiden Autos zuletzt regelmäßig vor der roten Konkurrenz aus Maranello fahren sieht!

Zauberwort Fortschritt

Rückblende um vier Jahre, Hockenheim, Deutschland GP 2010. Felipe Massa führt im Ferrari. Smedley muss seinen Piloten via Funk zurückpfeifen, um den in der WM besser platzierten Teamkollegen Fernando Alonso vorbeizulassen. Dann spricht Smedley die Worte aus, die längst Kultstatus in der F1 haben: „Felipe, Fernando is faster than you...“ Als ABMS den Briten fragt, ob er sich vor vier Jahren hätte vorstellen können, nun – immer noch vereint mit Massa – bei Williams zu arbeiten und Ex-Team Ferrari um die Ohren zu fahren, muss er laut lachen. „Wahrscheinlich nicht“, sagt Smedley breit grinsend. Doch was ist das Erfolgsgeheimnis von Williams 2014? „Wir konzentrieren uns nicht nur auf einen sondern auf alle Bereiche“, sagt Smedley. „Dadurch machen wir weiter Fortschritte und die Lücke zu Mercedes kleiner.“

Tiefstapeln angesagt

Smedley
Mit Williams besser als Ferrari: Rob Smedley (li.) & Felipe Massa (re.) können wieder lachen
Die Dominatoren von Mercedes angreifen – ist das wirklich schon Williams’ Ziel? Smedley rudert zurück. „Nein. Noch nicht. Ich habe lange mit Pat Symonds (Technikchef; d. Red.) über unsere Zielsetzung diskutiert und am Ende haben wir uns darauf geeinigt, dass wir als Dritter in der Teamwertung in die Sommerpause gehen wollen. Das hat oberste Priorität.“ Aktuell sieht es dafür gut aus. Mit 121 Zählern liegt Williams auf P3, sechs Zähler vor Ferrari. Smedley weiß: „Seit drei Rennen haben wir das zweitschnellste Auto im Feld. Aber wir müssen jetzt am Boden bleiben.“ Daher ging man auch am Sonntag in Hockenheim konservativ vor, wies Bottas am Funk zunächst an, sich in der Schlussphase gegen den von hinten heranstürmenden Hamilton nicht um jeden Preis zu wehren, sondern in erster Linie das Podium zu sichern.

Bottas' Plan geht auf

Durch Adrian Sutils Dreher und die drohende Gefahr eines Safety-Cars musste Hamilton seinen letzten Reifenwechsel jedoch vorziehen, wodurch sein Reifenvorteil geschmälert wurde und Bottas die Chance witterte, dem Briten doch trotzen zu können. „Als ich Lewis das erste Mal im Rückspiegel sah, wusste ich, dass ich ihn nur ein paar Runden lang aufhalten musste – dann würden seine superweichen Reifen definitiv anfangen zu überhitzen und abzubauen“, so Bottas. Gesagt, getan – der Finne setzte seinen Plan bravourös in die Tat um, rettete P2 knapp ins Ziel. Doch wie Smedley mahnt auch Bottas zur Vorsicht. „Wir wissen, dass bald wieder schwierigere Strecken für uns kommen.“

Reifenvorteil weg

Massa, Rosberg, Bottas
Felipe Massa (li.) & Teamkollege Valtteri Bottas (re.) wollen WM-Leader Nico Rosberg (Mitte) jagen
Stimmt: Denn schon nächstes Wochenende in Ungarn könnte es mit der Herrlichkeit bei Williams zu Ende sein. Der Kurs in der Puszta kommt dem FW36 weniger entgegen, das verwinkelte Layout lässt die Mercedes-Power nicht so zur Entfaltung kommen – viele lange Geraden wie in Hockenheim gibt es kaum. WM-Spitzenreiter Nico Rosberg hat gleich noch einen anderen Grund ausgemacht, warum der Williams am nächsten Sonntag schon nicht mehr so formatfüllend in seinem Rückspiegel auftauchen könnte: „Die sind vor allem auf den superweichen Reifen gut. Das war schon in Österreich so und jetzt in Deutschland wieder“, sagt der Deutsche, der auch weiß: In Budapest rückt Pirelli mit der weichen und der mittleren Mischung an... und nimmt Williams somit einen Vorteil weg.

Von

Frederik Hackbarth