Sebastian Vettel ist jemand, der offen seine Stimmung im Gesicht trägt. Ist er schlecht gelaunt, deuten leicht zusammengepresste Lippen mit herabfallenden Mundwinkeln darauf hin. Und er geht Gesprächen aus dem Weg. Ist er gut gelaunt, steuert er mit gewinnendem Lächeln schon von weitem direkt auf einen zu. In Bahrain kam er strahlend im Fahrerlager an. Er genoss es sichtlich, dass alle ein Foto von einem schwarzen Aktenkoffer machten, den er wie ein Vorstandsvorsitzender eines Großkonzerns in der rechten Hand trug.
Vettel
Bester Laune: Vettel am Donnerstag in Bahrain
Er wusste, dass jemand, der sonst studentenmäßig mit auf den Rücken geschnallten Rucksack ins Fahrerlager kommt, mit einem Aktenkoffer auffällt. Er genoss auch die Fragen nach dem geheimnisvollen Inhalt. Ein neuer kleiner Frontspoiler? Etwa ein neuer Ferrari-Vertrag? Das alles war es nicht. In dem Koffer befand sich ein Backgammon-Spiel, mit dem er sich mit Steffen, einem alten Kumpel aus Heppenheim, die Freizeit vertreibt.
Auch in der aktuellen sportlichen Analyse wirkt Vettel extrem ausbalanciert und bringt die Dinge auf den Punkt. Über seinen Sieg in Australien sagte er: "Wir sind noch nicht die Schnellsten, deshalb brauchten wir ein wenig Glück. Im Moment ist Mercedes noch vorn. Ich spreche von rund drei Zehnteln pro Runde, im Rennen und Qualifying. Aber ich hatte das erwartet, weil unser Auto noch sehr neu ist und wir es erst kennenlernen müssen. Das letztjährige Auto war von Anfang an in der Balance, das ist mit dem neuen noch nicht so. Aber es ist besser als das alte, jetzt müssen wir es nur noch so schnell wie möglich ins optimale Arbeitsfenster bringen. Hier in Bahrain haben wir dafür schon ein paar Ideen, die wir ausprobieren werden."
Ferrari
Darf Ferrari auch in Bahrain feiern wie in Melbourne?
Schmunzeln konnte er über Fragen nach seinem 200. GP, den er am Sonntag in Bahrain fahren wird. Vettel: "In Australien sollte ich schon meinen 200. GP fahren. Zumindest hat mir das jemand erzählt. Ehrlich gesagt kümmert mich die Zahl nicht. Sie sagt nur aus, dass ich schon sehr lange dabei bin" Ob er trotzdem seine drei Höhepunkte der 200 Rennen nennen kann? Vettel: "Ich bin in der glücklichen Situation, auf viele extrem gute Erinnerungen in meiner Karriere zurückgreifen zu können. Aber müsste ich drei von vielen tollen Rennen herausgreifen: mein erster Sieg in Monza 2008, das Rennen in Abu Dhabi 2010, wo ich meinen ersten WM-Titel gewann. Und mein erster Sieg mit Ferrari in Malaysia 2015."
Selbst Fragen nach einem möglichen Ausstieg Ferraris aus der Formel 1, und ob er dann auch in anderen Serien an den Start gehen würde, konnten ihn nicht nervös machen. Mit souveränem Lächeln auf den Lippen antwortete er: "Wir reden hier von frühestens 2021. Bis dahin kann noch viel passieren. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich dann noch fahren werde." Fazit: Wenn Vettel mit der gleichen Souveränität am Sonntag ins Rennen geht, wird es nicht an ihm liegen, wenn er nicht auch das zweite Saisonrennen gewinnt.

Von

Ralf Bach