Irgendwann musste es im knallharten Ferrari-Teamduell zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc ja so kommen: die Scuderia-Stars crashen in der Schlussphase des Brasilien GP in Sao Paolo, scheiden beide aus - und sorgen so für die Mega-Blamage bei den Italienern!
Ex-Weltmeister Damon Hill fordert: "Das sind zwei Jungs, die sich nichts schenken. Aber (Teamchef Mattia; d. Red.) Binotto muss sich hinsetzen und ihnen klarmachen, dass sie sich nicht wie Kinder benehmen können. Sie haben Verantwortung fürs Team."
Leclerc
Szene des Rennens: Leclerc und Vettel crashen

Binotto versucht nach dem Rennen trotzdem Ruhe zu bewahren: "Natürlich ist das nicht akzeptabel und sehr enttäuschend. Unsere Fahrer dürfen frei fahren, weil wir Rang zwei bei den Konstrukteuren schon sicher haben. Deshalb dürfen sie um ihre Position in der Fahrer-WM kämpfen. Aber sie wissen natürlich, dass sie lächerliche Fehler dabei vermeiden müssen."
Am Sonntag in Interlagos klappt das nicht. Runde 66 von 71: Leclerc stürmt auf frischeren Reifen in Kurve eins an Vettel vorbei. Der Deutsche kontert auf der folgenden Geraden, es kommt zum Kontakt. "Der Kontakt war nur leicht", sagt Binotto. Auch Experte Paul di Resta wundert sich: "Wie kann es sein, dass die Autos da so auseinander fallen?"
Am katastrophalen Ausgang für Ferrari ändert das nichts. Binotto will auf voreilige Schuldzuweisungen aber verzichten. "In der Hitze des Gefechts macht es jetzt keinen Sinn, meine Meinung zu sagen. Wir werden das Video zusammen mit den Fahrern anschauen und gemeinsam analysieren."

Auch die Stewards sehen sich den Vorfall an, verhängen aber keine Strafen, weil nach ihrer Meinung kein "hauptsächlich Schuldiger" ausgemacht werden kann. Für Teamchef Binotto steht ohnehin fest: "Wenn zwei Fahrer crashen, haben beide auch zu einem gewissen Prozentsatz einen Anteil daran. Beide sind verantwortlich!"
Das wissen auch die Fahrer: Vettel sagt nach dem Unfall: "Es ist eine Schande fürs Team, weil wir beide das Rennen nicht beendet haben. Das hätte Priorität gehabt." Direkt nach dem Zusammenstoß hatte Vettel am Funk auf deutsch geflucht: "Mein Gott! Muss das sein? So ein Bockmist aber auch!"
Zum Duell mit Leclerc sagt der Heppenheimer: "Ich hatte rechts wenig Platz, aber den besseren Run aus der Kurve raus, deshalb habe ich versucht ihn zu überholen. Das ist es." Mit Leclerc geredet hat Vettel noch nicht: "Weil ich ihn noch nicht gesehen habe."
Vettel
Vettel kann's nicht glauben: Beide Ferrari sind raus
Der Monegasse glaubt seinerseits: "Ich bin mir sicher, dass wir erwachsen genug sind, diese Sache hinter uns zu lassen und weiterzumachen. Am Ende tut es uns beiden sehr leid fürs Team, dass wir beide nicht im Ziel sind."
Die Kollision beschreibt Leclerc aus seiner Sicht so: "Ich habe Seb in Turn eins überholt, in Kurve drei war er wieder nah dran und hat es dann außenrum versucht. Da war wenig Platz, aber ich habe ihm genug Raum gelassen. Am Ende der Geraden hat er mich dann nach innen gedrückt. Wir waren einfach zu nah beieinander, alles ging sehr schnell und dann gab's die Berührung und bei mir den Reifenschaden."
Vettels Linienwahl auf der Geraden ist indes auch den Experten ins Auge gestochen. "Sebastian zieht ein bisschen in die Mitte, es erinnert mich etwas an seine Kollision mit (seinem damiligen Red-Bull-Teamkollegen; d. Red.) Mark Webber in der Türkei 2010", urteilt Sky-Experte Martin Brundle.
Paul di Resta vermutet indes: "Vielleicht war Seb sauer, weil er anders als Leclerc beim letzten Safety-Car keine frischen Reifen bekommen hat. Vielleicht kam da sein Frust her?" Teamchef Binotto klärt mit Blick auf die Strategie und einen ausgebliebenen Vettel-Stopp am Ende aber auf: "Seb hatte gar keine neuen Reifen mehr, er hatte also sowieso keine andere Wahl."

Von

Frederik Hackbarth