Es ist wohl jetzt schon der Funkspruch des Jahres: Als Sebastian Vettel seinen Ferrari wegen eines Defekts im Hybridsystem abstellen musste, funkte er genervt: "Bringt die verdammten V12-Motoren zurück!"
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Nach dem Rennen erklärte der Deutsche in der Ferrari-Presserunde: "In so einem Moment sind die Reaktionen eines Fahrers nicht unbedingt die positivsten. Die Motoren sind sehr komplex und aus der Sicht der Ingenieure sicherlich sehr interessant. Aber ich habe meinen Standpunkt dazu. Ich finde, sie sind für das Racing und für das Zuschauen nicht die besten Motoren.“
Viele Fans sehen das ähnlich. Zwar stehen die rund 1000 PS starken 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybride längst nicht mehr derart in der Kritik wie noch 2014, als die Motoren reihenweise kaputt gingen, Mercedes dominierte und der Sound sehr zu wünschen übrig ließ. Aber auch heute würde wohl eine Mehrzahl der Fans eine Rückkehr zu V12-Motoren begrüßen.
Das letzte Team, das V12-Motoren in einem Grand Prix einsetzte, war Ferrari 1995. Zur Jahrtausendwende wollten Toyota und Ferrari erneut V12-Motoren entwickeln, der Automobilweltverband verbot diese aber daraufhin.
V12? Darum liegt Vettel falsch
Vettel musste seinen Ferrari wegen eines Defekts im Hybridsystem abstellen.
Ganz richtig ist Vettels Kritik inhaltlich aber nicht. Ferrari hat seit der Einführung der aktuellen Motoren 2014 erst sechs Ausfälle aufgrund des Motors zu beklagen. Zwei davon trafen Vettel: Der MGU-K-Defekt in Russland gestern sowie ein Zündkerzen-Defekt 2017 beim Japan-GP. 230 Ferrari-Flitzer standen seit 2014 am Start, die Motor-Defektquote liegt also bei gerade mal 2,61 Prozent.
Zum Vergleich: Ferrari setzte von 1950 bis 1952, von 1967 bis 1980 und von 1989 bis 1995 V12-Motoren ein. Bei 631 Einsätzen einzelner Werksautos trat dabei 118 Mal ein Motordefekt auf – eine Quote von 18,7 Prozent. Also um ein Vielfaches höher als bei den aktuellen Hybrid-Aggregaten.
Und Ferrari ist da kein Einzelfall. Lamborghini baute 1993 einen V12-Motor für das Larrousse-Team. Bei 32 Einsätzen traten acht Defekte auf – eine Quote von 25 Prozent.
Natürlich sind seither über 20 Jahre vergangen. Die Qualitätsprüfungen in der Formel 1 sind wesentlich professioneller geworden. Trotzdem: Die aktuellen Hybridmotoren sind explizit auf Effizienz und Zuverlässigkeit, also auf eine lange Laufleistung ausgelegt.
Schon allein das führt zu einer geringeren Anzahl an Defekten. Zu V12-Zeiten wurden allein an einem Rennwochenende mindestens zwei Motoren pro Auto eingesetzt. Heute müssen Motoren rund sieben Rennen halten. Das Ergebnis: Keine Saison hatte eine so niedrige Ausfallquote wie 2019.

Von

Michael Zeitler