Formel 1: Williams bremst sich selbst aus
Für Massa Siegchance geopfert

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Mangelnder Mut und zwei viel zu konservative Strategieentscheidungen verhageln Williams beim Heimrennen in Silverstone eine mögliche Sensation.
Bild: Picture-Alliance
Am Ende musste sich das Team selbst eingestehen: Williams hat beim Großbritannien GP 2015 in Silverstone eine große Chance verpasst. Am Start hatte sich Felipe Massa von Platz drei aus in Führung schieben können, anschließend sicherte Teamkollege Valtteri Bottas die Spitze vor den schnellen Mercedes auf dem zweiten Rang ab. Doch die Williams-Show währte nicht lange. Erst war man machtlos gegen Hamiltons vorgezogenen Stopp - und auch als im letzten Renndrittel Regen einsetzte, war Williams mit dem Wechsel auf Intermediates wieder eine Runde zu spät: Rosberg kam vorbei, darüber hinaus auch noch der eigentlich unterlegene Ferrari von Sebastian Vettel. Doch wie konnte das nach der Doppelführung zu Beginn passieren? Die Antwort lautet schlichtweg: Mangelnder Mut.

Schon in der Startphase kamen beide Williams vorbei an den schwach startenden Silberpfeilen
Massa verteidigt Teamorder
"Das wäre nicht das Richtige gewesen. Er hatte auch das DRS, was es ihm erleichtert hat, mir auf den Geraden zu folgen", so Massa. Aus Expertensicht jedoch eine klare Fehlentscheidung vom Kommandostand. Bottas Sektorzeiten hinter Massa waren in allen Streckenabschnitten deutlich besser, mehr als eine halbherzige Attacke traute sich der Finne wegen des Funkspruchs jedoch nicht. Somit verpasste Williams die Chance, Bottas vorne wegziehen zu lassen und den langsameren Massa als Puffer zwischen ihn und die Mercedes zu bringen. Doch dieses Szenario wollte man Massa, jahrelang die Nummer zwei bei Ferrari hinter Fernando Alonso, wohl nicht antun und pfiff ihn nicht zurück.

How to loose a race: Massa konnte die Pace von Mercedes nicht so gut mitgehen wie Kollege Bottas
Frust statt Sensation
Noch schlechter entwickelte sich das Szenario für Bottas. Der zu diesem Zeitpunkt eigentlich schnellere Williams musste noch eine Runde länger auf alten Reifen auf der Strecke bleiben und hatte somit erneut keine Chance, an Massa vorbeizukommen. Nach der ersten zu konservativen Entscheidung, dem Einbremsen von Bottas, blieb Williams seiner zögerlichen Linie anschließend treu und ließ, als später der Regen einsetzte, mit dem zu späten Wechsel auf Intermediates gleich die nächste folgen. "Wir haben eine Runde länger gewartet, wodurch wir das Podium verloren haben. Wir haben diskutiert, dass es sehr eng wird. Dann hat Lewis gestoppt. Um ehrlich zu sein, konnte ich nicht sehen, dass es er war. Vielleicht haben wir diese Chance vertan", musste auch Massa einräumen.

Kein guter Stopp: Bei Massas Reifenwechsel benötigte die Crew 1,4 Sekunden länger als Verfolger Hamilton
Wolff bemängelt Aggressivität
Möglicherweise muss sich der Finne aber auch an die eigene Nase fassen. Im Rahmen des Großbritannien GP hatte Williams-Entwicklungsfahrerin Susie Wolff durchblicken lassen, dass Bottas in den Team- und Taktikbesprechungen des Rennstalls meistens eher den schweigenden Part einnimmt, wohingegen der erfahrene Massa Wortführer beim Gespräch mit den Ingenieuren ist. Bei der Order zu seinen Gunsten am Sonntag mag dem Brasilianer das zugute gekommen sein. Auch Wolff stellte nach dem Rennen ohne Umschweife fest: "Wir hatten heute einen tollen Start und eine gute Anfangsphase. Ab Mitte des Rennens waren wir aber nicht schnell genug - auch bei den Entscheidungen." Die Chance auf den Sieg war somit weg. "Die Stregie war nicht aggressiv genug, denn Hamiltons Undercut war abzusehen und wir haben zu spät reagiert", so Wolff zähneknirschend.

Das Mercedes-Team von Susie Wolffs Ehemann Toto (r.) bekam den Strategie-Poker besser hin
Smedley räumt Enttäuschung ein
Welche Überlegungen das waren, skizzierte nach Rennende Williams-Chefingenieur Rob Smedley, bereits seit Ferrari-Tagen enger Vertrauter und Renningenieur Felipe Massas. Wollte der Brite seinen Schützling deswegen nicht für Bottas Platz machen lassen? "Nein", sagt Smedley, der versucht die umstrittene Entscheidung zu verteidigen: "Zu Beginn wollten wir nicht das Risiko eingehen, dass durch einen internen Zweikampf die Mercedes weiter heran- oder sogar vorbeikommen." Der Chefingenieur: "Wir haben Valtteri ja später auch gesagt, dass er gern überholen darf, wenn es sauber abläuft und er sich dann absetzen kann."

Auch Teamchefin Claire Williams (r.) dürfte wenig begeistert von Rob Smedleys (l.) Ansagen gewesen sein
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