"Plötzlich hat man ein Messer im Rücken"

Verabredung mit einem Helden. Doch, doch – wer zwei Mal in Folge die 24 Stunden von Le Mans gewinnt, der ist schon ein Held. Auch wenn er, mit Verlaub, nicht eben so aussieht. Frank Biela (37) ist unauffällig. Aber gut. Weit weg zum Beispiel von Steve McQueen, der hier in den siebziger Jahren zur Legende wurde. Als rennfahrender Schauspieler. Als Selbstdarsteller ist Biela eine Fehlbesetzung. Als Fahrer eine andere Liga, selbstredend. Er taugt fürs Gasgeben auf der Strecke, nicht auf dem Boulevard. Geschäftig läuft er in Le Mans durchs Fahrerlager. Nicht eitel. Er hat zu tun. Nicht zu posieren. Die Leute drehen sich nach ihm um, wenigstens hier. Aber sie bestürmen ihn nicht. Niemand tuschelt, niemand rätselt. Biela lächelt scheu. Der König von Le Mans ist keine Majestät. Daran wird auch der Sonntag (16.6.) nichts ändern, so oder so. Für 16 Uhr ist die Krönung vorgesehen, dann fällt die Flagge. Biela hat nach 2000 und 2001 Sieg Nummer drei auf der To-Do-Liste stehen. Den Hattrick. Das Fachblatt "Motorsport aktuell" schreibt diese Woche: Er wäre neben Klaus Ludwig nominell der zweiterfolgreichste deutsche Rennfahrer nach Michael Schumacher. Biela lächelt matt. Nominell heißt Titel zählen. Andere zählen die Millionen. Ohne jeden Titel.

Wie er ist? Ruhig, zuverlässig, wenig spektakulär. Wie er fährt? Ruhig, zuverlässig, wenig spektakulär. Ganz genauso. Der Mensch Biela unterscheidet sich vom Rennfahrer Biela nur unmerklich. Er sagt: "Wie ich fahr, bin ich." Er ist so gleichmäßig. Und präzise. Und zielstrebig. Solche Leute kommen an im Leben. Auf lange Sicht und auf lange Distanz. 5008 Kilometer mehr hatte sein Audi R8 vor zwei Jahren auf dem Tacho, als ihn Biela nach 24 Stunden über die Ziellinie fuhr. 5008 Kilometer (im Wechsel mit Emanuele Pirro und Tom Kristensen), das ist beinahe die Distanz einer ganzen Formel-1-Saison. Und alles blieb heile. Seine Chefs, seine Mechaniker geben ihm das Audi-Auto gerne, denn so viel Eigenlob muss sein: "Sie wissen: zu 99 Prozent kommt es wieder."

Biela sagt: Viele finden Biela langweilig. Wenig spontan. Ihn stört das nicht, ihm ist das lieber so. Andere sind anders, sollen sie doch, "was hab ich von dem oberflächlichen Kram, von der schnellen Mark, und wenn man sich dann umdreht, hat man ein Messer im Rücken". Biela ist eher der Typ verlässlicher Partner. Vorsprung durch Beständigkeit. Für Audi fährt er jetzt im zwölften Jahr. Das reicht auch zum Wohnsitz Monte Carlo. "Monte Carlo ist ein Kaff", sagt er auf die Frage, ob man ihn dort kenne. Jeder kennt da jeden. Dagegen in Neuss, zum Beispiel, wo er herkommt, kennt ihn kaum einer. "Am häufigsten erkennt man mich noch in Ingolstadt." Alles Audi-Kollegen.

Brav, blond und bodenständig

Biela ist ein Realist und deshalb weiß er auch: Le Mans ist nicht mehr die ganz große Nummer. Audi fährt im Grunde gegen sich selbst, die Beachtung in Deutschland schrumpft. Klaus Ludwig, Hans-Joachim Stuck siegten hier, als er noch Kart fuhr, heute steht er mit ihnen auf einer Stufe, "aber ich fühle mich nicht so". Kein Porsche mehr, kein Mercedes, kein BMW, keine Konkurrenz, "dumme Zeit halt", sagt er bloß, denn auch das große Geld bleibt weg. Nicht mal einen neuen Sponsorenvertrag haben ihm seine beiden Le-Mans-Siege gebracht, "nein, definitiv nein". Er hat Audi. Er ist dankbar.

In Deutschland hat er keinen Auftritt mehr. Fährt er nicht in Le Mans, fährt er ein Dutzend Mal im Jahr in Amerika. Ist das Rampenlicht mal auf ihn gerichtet, kommt er damit zurecht, knipst es einer aus, ist es auch gut. Auffallend häufig trägt er eine verspiegelte Sonnenbrille, die schickt das Licht, die Blicke, die Aufmerksamkeit zurück an den Absender. "Ich bin kein Star. Ich mache keine Politik, ich biedere mich nicht an, ich schleime nicht rum", sagt er.

Biela ist Biela. Brav, blond, bodenständig. Und ehrlich genug zu sagen, dass Langstreckenrennen wie Le Mans eigentlich gar nicht sein Ding sind. Der Spaßfaktor hält sich arg in Grenzen. Er teilt das Auto nicht gerne mit anderen. Will es lieber für sich. Bei Sprintrennen muss er weniger Kompromisse machen. So wurde er 1991 Deutscher Tourenwagen-Meister und fast schon mal bekannt. Es gab eine Zeit, sagt Biela, da hat die Erkenntnis weh getan, dass es für die Formel 1 nun doch nicht gereicht hat. Warum auch immer. Heute sitzt er manchmal vor dem Fernseher und fragt sich gelassen: "Sind die da wirklich glücklicher als du?" Frank Biela möchte am Sonntag Geschichte schreiben. Es ist seine letzte, seine einzige Gelegenheit. Er ist der Hauptdarsteller. Der Held hat eine kleine Warze auf der rechten Wange. Er ist so was von normal.