Rennsport beginnt vor Sonnenaufgang

Mit Chips und Bier oder bei Kaffee und Kuchen auf der Couch – so erleben die meisten die Formel 1. Eine ziemlich verzerrte Perspektive. Denn als Sieger werden die wahrgenommen, die auf dem Treppchen stehen. Was das Team in oft nicht mehr als zehn Sekunden wirklich leistet, kann man nur erahnen, wenn sich Siegertypen wie Michael Schumacher oder Jenson Button überschwenglich bei ihren Mechanikern bedanken.

Zwölf User von autobild.de wissen jetzt ganz genau, daß die Rennen eher abseits der Strecke entschieden werden: Als Gewinner des Honda-Gewinnspiels "Racing 4 Real" durften sie einen Tag lang am Nürburgring in die Rollen von Mechanikern, Teammanagern und Renningenieuren schlüpfen. Näher kann man Motorsport nicht erleben.

"Wir wollen den Leuten zeigen, was das Team leistet, welche Arbeit, Logistik und Koordination hinter einem Rennen steht", erklärt Dr. Alexander Heintzel, Pressechef von Honda Europe North, beim ausführlichen Briefing am Vorabend. Die Teilnehmer ahnen bereits, was am nächsten Tag auf sie zukommt: Die Tische sind vollgepackt mit Informationen – über die Strecke, über die Fahrzeuge, über praktisch alles, was aus autobild.de-Gewinnern ein Rennteam macht.

Die Arbeit geht schon bei der Wahl eines Namens los. Während sich das eine Team für "Mega Race Team" entscheidet, nennt sich das andere ganz nüchtern "Whisky BAR", eine schöne Reminiszenz an den Veranstalter und richtungsweisend für den weiteren Verlauf des Abends. Beim "Meet and greet" an der Hotelbar sollen schließlich ordentlich Teamspirit entwickelt werden und eine gute Strategie für den Renntag.

Der beginnt noch vor Sonnenaufgang. Pünktlich um 7:30 Uhr reisen die Teams dann zum Nürburgring. Dort warten das Frühstück im BAR-Motorhome, die Instruktoren und zwei Boliden aus der britischen Formel-3-Meisterschaft. Aufregend, einmal dahin zu kommen, wo sonst Jenson Button und Takuma Sato mit ihren Ingenieuren über der Taktik brüten. So wird das Motorhome schnell in Beschlag genommen, und während zwei Prominenten-Teams bereits vormittags um Ruhm und Ehre kämpfen, sitzen die zwölf autobild.de-Gewinner am großen Konferenztisch im ersten Stock und büffeln für ihren Einsatz am Nachmittag.

Routiniert werden die Fahrer abgefertigt

Kurz nach dem Mittagessen der erste Kontakt mit den Rennwagen in der Box. Die Autos aus der englischen Formel 3 mit 900 cm³ großen Honda-Motorad-Motoren leisten 130 PS, was manchem Teilnehmer wenig erscheinen mag. Die Instruktoren erklären die Technik und spätestens beim Wiegen – auch das ist Teil des Rennens – wird klar, daß die 354 Kilogramm leichten Fahrzeuge über ein ordentliches Leistungsgewicht verfügen.

Begeisterung macht sich breit. Nicht nur, daß die Teilnehmer mittlerweile alle in orginal Honda-Rennoveralls stecken, sie sind auch mit Headsets ausgestattet, und die Kommunikation läuft ganz authentisch in Englisch, der Sprache der Formel 1. Wie sollten die Briten James Rossiter aus der englischen Formel-3-Meisterschaft und Phil Bennett, Fahrer in der Le Mans Endurance Serie, sonst auch die Kommandos verstehen?

Überhaupt, die beiden Fahrer verhalten sich wie Diven. Nicht, daß sie wirklich welche wären, aber sie spielen ihre Rolle perfekt. Da kann es schon einmal sein, daß einer von ihnen unauffindbar ist, beim Boxenstop nach einem Kaffee verlangt oder auf den Start wartend einen Sonnenschirm wünscht. Die Teams lernen schnell, daß die beiden Manager Beate Herzog-Renker und Gerhard Schnierle immer wissen müssen, wo die Fahrer sind. Klingt banal, ist aber spätestens dann wichtig, wenn die Instruktoren das Kommando zur Trainingsrunde geben, und das Cockpit leer ist. Ohne den Befehl "Start your engine" läßt kein Fahrer der Welt seinen Motor an. Völlig normal, daß der frisch geborene "Racing 4 Real"-Renningenieur diesen Befehl in der Hektik schon einmal vergessen kann.

Koordination und Teamplay sind gefragt

Spannung im ersten Training: Phil Bennett, Fahrer des "Mega Race Teams" meldet seinem Ingenieur Alexander Schilles ein Übersteuern in Kurve sieben und kommt in die Box. Wer beim Briefing aufgepaßt hat, weiß was zu tun ist: Die Mechaniker Norbert Förster und Frank Hoyermann passen den Reifen an und verstellen den Heckflügel, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.

Beim "Whisky BAR"-Auto verzeichnet Fabian Werner ganz ähnliche Problemen bei seinem Fahrer, aber auch Wolfram Eckhoff und Gottfried Edenharter haben die Technik im Griff. Fast schon routiniert werden die Fahrer abgefertigt, und bei der nächsten Runde laufen die Autos perfekt. Renate Herzog-Renker und Gerhard Schnierle, die beiden Teammanager, sind zufrieden. Es gibt ein großes Lob aus dem BAR-Team: Die Instruktoren bescheinigen den Teilnehmern "ruhiges und sehr konzentriertes" Arbeiten.

Richtig hektisch wird es erst beim Boxenstop. Was am Fernseher so geschmeidig und schnell über die Bühne geht, ist echte Arbeit. Die Reifen sind schwer, die Radmuttern lassen sich nicht beim ersten Versuch aufsetzen, und überhaupt ist alles ganz anders als gedacht. Koordination ist gefragt.

Die Rolle der Mechaniker an den Schlagschraubern ist klar, aber es schadet nicht, wenn die beiden Logistic Manager Stefan Pfeifer (Mega Race Team) und Rainer Renker (Whisky BAR) die Reifen anreichen. Hoch motiviert und mit großem sportlichen Ehrgeiz üben die Teilnehmer den Reifenwechsel und können kaum genug davon bekommen. Das muß doch noch schneller gehen – schließlich entscheidet die Zeit über den Startplatz der Autos. Spätestens jetzt wird klar, daß hier über Nacht zwei echte Teams zusammengewachsen sind.

Neuer Rekord beim Boxenstop

Dann das Rennen, von dem die Teilnehmer später unisono sagen werden, daß "es richtig aufregend" war. Nach der Einführungsrunde eilen die Teams auf die Strecke zu den Boliden. "Whisky BAR"-Dateningenieur Oliver Kraus hat ein Auge auf die gefahrenen Zeiten, kennt das Fahrzeuggewicht genau und weiß, wieviel Sprit im Tank ist. Ebenso Thomas Schnelle, sein Konkurrent in gleicher Funktion beim "Mega Race Team". Letzte Besprechungen mit den Fahrern, dann ertönt das Signal, die Teams verlassen die Strecke und die Motoren heulen auf.

Phil Bennett startet zu früh – mit voller Absicht – und kassiert eine "Stop and Go"-Strafe. Dafür müssen das "Whisky BAR"-Team und James Rossiter eine Strafe wegen zu schnellen Fahrens in der Boxengasse hinnehmen. Die BAR-Instrukteure denken sich immer wieder kleine Gemeinheiten aus, um das Szenario so realistisch wie möglich zu gestalten. Kaum Zeit, sich darüber zu ärgern, denn das Rennen läuft und die Autos werden zum Reifenwechsel an die Box gerufen.

Jetzt zeigt sich, wer es drauf hat. Beide Teams fertigen die Boliden zügig ab, aber "Whisky BAR" markiert mit 28 Sekunden einen neuen Veranstaltungsrekord. So schnell hatten es bei "Honda Racing 4 Real" nicht einmal die europäischen Pressechefs und die Honda-Händler bei den beiden Testläufen in Brands Hatch und Silverstone geschafft. Ergebnis: Platz eins im Rennen und respektvolles Staunen bei den Honda-Instruktoren.

Am Ende war es den Teilnehmern fast egal, ob sie gewonnen hatten, obwohl alle den Preis – ein original Zahnrad aus einem Formel-1-Getriebe – sicher gerne mit nach Hause genommen hätten. Norbert Förster faßte den "Racing 4 Real"-Event wohl im Namen aller Teilnehmer am treffendsten zusammen: "einfach geil!". Motorsport mal ohne Chips und Bier.