"Wir haben unser Gesicht nicht verloren"

AUTO BILD motorsport: Sir Frank, BMW übernimmt bis 2009 weit reichende Kompetenzen von Williams. Wurden Sie überrumpelt? Frank Williams: Nein, es ist ein faires Geschäft. Wir wollen gewinnen und haben die besten Seiten unserer bisherigen Zusammenarbeit mit den notwendigen Verbesserungen verknüpft, ohne dass eine Seite ihr Gesicht verliert. Wir wollen ja in Zukunft keine Motoren bauen und BMW keine Formel-1-Autos.

Sicher nicht? Worum geht es denn? Vor allem auf dem Sektor Getriebe und später Elektronik wird es eine stärker ineinander verzahnte Zusammenarbeit geben. Zu den 20 oder 30 Williams-Getriebe-Spezialisten kommen also zehn oder 15 von BMW dazu. Das wird unsere Schlagkraft stärken.

Kommen da noch andere technische Felder wie Chassis oder Aerodynamik hinzu? Nein, sonst könnte man von einer Übernahme durch BMW sprechen. Fakt ist: Wir haben 50 Angestellte im Bereich Aerodynamik, daneben arbeiten drei Leute von BMW. Damit das klar ist: Williams wird nicht Stück für Stück seiner Struktur abtreten. Das würde bedeuten, die Firma abzugeben. Die neue Philosophie ist, dass wir auf dem Sektor Mechanik unser Fachwissen teilen und gemeinsam anwenden.

Also wird der Williams nicht zu, sagen wir 50 Prozent, BMW? Nein! Ich will den künftigen Anteil von BMW gar nicht herunterspielen. Aber es ist eine Spezialaufgabe, ein GP-Auto zu bauen. Wir haben auf diesem Gebiet das Know-how, das man bei BMW nicht hat. Dafür können wir gemeinsam bessere Getriebe und Elektronik herstellen. Wir nutzen gegenseitig unsere Ressourcen besser. Das gilt auch für den Bereich Materialprüfung, die wir nicht so gut machen können wie BMW.

Verkauf von Williams ist kein Thema

BMW-Direktor Gerhard Berger sagt, ein Knackpunkt war die Offenlegung aller Daten zwischen beiden Partnern. Gewiss. Der Wert eines F1-Teams sind seine Leute, ein paar Gebäude und Immobilien. Aber der Hauptwert sind seine Erfahrung und sein Wissen, wie man Siegerautos baut, Grand Prix und WM-Titel gewinnt. Wenn wir das weggeben würden, würden wir den Schatz und die Seele der Firma verkaufen und wären reif für eine selbst verschuldete Übernahme. Dass dies nicht passiert, war mein Hauptanliegen bei den Verhandlungen mit BMW.

Gab es bei Ihnen und Patrick Head, Ihrem Partner, Zweifel gegenüber der Vertragsverlängerung. Hatten Sie Alternativen? Beides, ja. BMW auch, da bin ich sicher. Patrick und ich mussten psychologische Barrieren überspringen. In der Formel 1 geht es immer um Technik. Jeder möchte sein Wissen möglichst lange für sich behalten. Also wird hoch gepokert, das ist normal. Das ganze Thema war vor allem Patricks Problem. Er ist schließlich der Vater der Williams-Technik und betrachtet sie als sein Kind, das er abtreten muss.

Sie sind 61. Was geschieht mit Ihnen nach 2009? Und wird BMW Williams dann schlucken? Das wurde nicht einmal diskutiert. Also sieht der Vertrag eine solche Entwicklung auch nicht vor. Ein Verkauf von Williams ist auch in Zukunft kein Thema. Williams bleibt ein eigenständiges, freies Unternehmen. Wir planen entsprechend, bilden schon eine neue Generation von jungen Ingenieuren aus, die zusammen mit einem großen Partner, aber nicht unter dessen Flagge, die Zukunft von Williams darstellen sollen – dann allerdings ohne mich und Patrick Head.

Möchte Ihr Sohn Jonathan nicht an Ihre Stelle treten? Nein, der mag diesen extremen Leistungsdruck nicht.

"Nächstes Jahr fahren wir um den Titel"

War der erste Saisonsieg von Montoya in Monaco Anfang Juni hilfreich für den guten Abschluss? Der Vertrag wurde gleich danach besiegelt (schmunzelt ...)

Und dann gewann Ralf Schumacher auch noch auf dem Nürburgring und in Magny-Cours. Glauben Sie nun wieder an den Titelgewinn? Das ist nicht ausgeschlossen, aber ich bin ein Pessimist. Wenn ich mir keine Sorgen machen darf, bin ich regelrecht unglücklich. Ich glaube erst an Dinge, wenn ich sie sehe. Aber wir haben bei der Aerodynamik stark aufgerüstet, rund um Chefdesigner Gavin Fisher ein junges, kreatives Design-Team installiert. Das wirkt sich nun aus. Im nächsten Jahr fahren wir ganz gewiss um den Titel mit.

Ralf Schumacher hat sich zuletzt deutlich gesteigert, warum? Weil sein Auto besser wurde.

Noch zu Saisonbeginn schwächelte er so sehr, dass Sie ihn seelisch unterstützen mussten. Jetzt geht er gestärkt aus Niederlagen. Ralf hat sich verändert, ist konstanter und positiver in seiner Arbeitsauffassung geworden, vielleicht auch ein wenig aggressiver.

Patrick Head hat noch in Kanada auf ihn eingedroschen, weil er vorn Bruder Michael nicht attackierte. Ja, Patrick ist bei einem Grand Prix immer sehr emotional. Nach einem Rennen sollte er erst mal zwei Minuten durchatmen, anstatt gleich loszupoltern.

"Michael ist immer noch der bessere Fahrer"

Wo liegt der Unterschied zwischen Michael und Ralf? Michael ist immer noch der bessere Fahrer. Er ist erfahrener und praktisch jeden Tag zu 100 Prozent bei der Sache. Sein Engagement ist nicht nur beim Rennen und Testen spürbar, er lebt die Formel 1.

Wird der Vertrag mit Ralf Schumacher verlängert? Das würde ich gern, aber nicht um jeden Preis. Fahrer sind heutzutage sehr teuer geworden.

Wird die Gage entscheidend sein? Sicher. Aber ich bin eher daran interessiert, unser Auto überlegen zu machen. Denn es gab Zeiten, da haben mich deshalb alle Fahrer um ein Cockpit gebeten. Das kommt mich dann auch billiger. Deshalb ist es viel wichtiger, ein gutes Auto zu bauen, der Rest kommt von selbst. Setzen Sie mal Michael Schumacher in den Jaguar, damit gewinnt der auch nur ein Rennen pro Jahr.

Und Montoya? Seine Leistungen sind super, aber auch er braucht noch mehr Erfahrung im Umgang mit den Technikern.

Welchen Anteil geben Sie Ihrem Reifenpartner Michelin am derzeitigen Formanstieg? Wir machen mit Michelin derzeit bei jedem Tests enorme, außergewöhnliche Fortschritte. Ich sehe es als Vorteil für uns, dass Michelin noch zwei weitere Topteams beliefert. Das ist besser als Bridgestones Vorgehen nur mit Ferrari als Trumpfkarte. Unser Entwicklungstempo mit Michelin hat sich verdoppelt. Und zwar auch deshalb, weil McLaren-Mercedes fast identische Anforderungen an die Reifen stellt.

Verliert Ferrari seine Dominanz? Ich hoffe es, aber ich glaube noch nicht ganz daran. Ferrari ist stark und kann schnell reagieren.

Frank Williams im Kurz-Porträt

Frank Williams im Kurz-Porträt Frank Geboren 16. April 1942 • Geburtsort South Shields (GB) • Wohnort Berkshire (GB) • Nationalität Engländer • Familienstand verheiratet mit Virginia, aber getrennt lebend, zwei Söhne, eine Tochter • Erlernter Beruf Kaufmann • Hobbys Luftfahrt, Geschichte, Sprachen, Zeitgeschehen

Eiserner Ritter Williams bestritt ab 1961 Rennen in Tourenwagen und Formel 3. Er gründete zusammen mit Piers Courage "Frank Williams Racing Cars". 1970 verbrannte Courage beim Großen Preis von Holland. Frank Williams gab nicht auf. Bis 1973/74 hießen seine Autos ISO. Seit 1975 tragen sie sein Kürzel (FW). 1977 rekrutierte FW einen saudi-arabischen Sponsor sowie Technik-Talent Patrick Head. 1979 beim Heim-Grand-Prix in Silverstone die ersten Erfolge: Pole-Position (Alan Jones) und Sieg (Clay Regazzoni). 1980 wurde Jones Weltmeister (fünf Siege). Williams gehörte fortan zu den Top-Teams. 1982 holte Keke Rosberg den WM-Titel.

1986 der persönliche Tiefschlag: Auf dem Rückweg von Testfahrten in Paul Ricard (F) hatte Williams einen schweren Autounfall und ist seitdem von den Schultern abwärts gelähmt. Der Erfolg blieb, vor allem dank Renault und Superkonstrukteur Adrian Newey in den 90er-Jahren (neun WM-Titel). 1997 wurde letztmals ein Williams(-Renault) Weltmeister: Jacques Villeneuve. 1999 schlug Queen Elizabeth II. Frank Williams zum Ritter Englands. Seit 2000 fährt Williams mit BMW-Motoren.