"Bin kein guter Rennfahrer"

Am Nürburgring fuhr Joey Kelly gleich zwei Rennen: den Alfa-147-Cup und das 24-Stunden-Rennen. AUTO BILD motorsport-Redakteur Leopold Wieland sprach mit dem 29-Jährigen.

AUTO BILD motorsport: Nach Marathon und Triathlon sind Autorennen Ihr nächster Extremsport. Was reizt Sie daran? Joey Kelly: Ich bin Motorsportfan, schaue mir gern Formel 1 und Rallye an, vor allem Rallye. Ein Nachbar ist bei der Dakar-Rallye mitgefahren. Was er davon erzählte, hat mich begeistert. Letztes Jahr kam mir dann die Idee: Du fährst auch mal die Dakar. Ein Freund, der bei der Formel 1 arbeitet, hat mir geraten, mit Langstreckenrennen auf dem Nürburgring anzufangen.

Und wie schätzt sich der Spätstarter Joey Kelly als Rennfahrer ein? Nicht gut.

Warum nicht? Auch nach fast 10.000 Testkilometern habe ich ja fast keine Erfahrung. Durch meinen Ausdauersport bin ich körperlich nur fitter als 90 Prozent der Fahrer in der Langstreckenmeisterschaft. Ich bin in den letzten sechs Wochen vier Marathons gelaufen, habe also eine ganz gute Kondition. Außerdem kenne ich meinen Körper sehr gut. Das hilft mir auch im Cockpit sehr, weil ich jede Veränderung sofort registriere. Was ich aber immer noch nicht weiß: Wo ist wirklich das Limit des Autos?Fahre ich schon 98 Prozent oder erst 90? Es gibt Kurven, die die Spitzenfahrer voll nehmen, wo mir noch das Vertrauen fehlt.

Trotzdem geben Sie manchmal zu viel Gas. Bei jedem Training zum Alfa-147-Cup mit dem VIP-Auto von AUTO BILD motorsport sind sie rausgeflogen. (Lächelt verschämt.) Na ja, ich gehe schon ziemlich aggressiv zur Sache. Ich will mich ja ständig verbessern. Mein Ziel für 2002: bis zum Saisonende zehn Sekunden schneller um die Nürburgring-Nordschleife.

Wie arbeiten Sie daran? Mit meinem Partner Achim Schirra fahre ich immer wieder gemeinsam die Strecke ab, lasse mir grob die Brems- und Einlenkpunkte zeigen.

Nächstes Jahr will Joey angreifen

Wie werden Sie von den Gegnern auf der Piste behandelt? Ich bin halt ein Neuling und muss aufpassen, dass ich nicht im Weg bin. Wenn mich mal ein Schnellerer an die Seite drängelt – kein Problem. Aber nächstes Jahr werde ich nicht mehr einfach so von der Ideallinie gehen.

Ihr Lebensmotto lautet: "Gib zehn und nimm eins!" Das gilt für den Motorsport also offenbar nur bis Ende 2002? Ob ich nun Rennen fahre oder laufe, ich will meine Bestzeit zumindest wieder erreichen, am liebsten natürlich unterbieten. Ehrgeiz gehört im Sport dazu. Ich will nicht durch die Gegend kriechen und gehöre nicht zu den Promis, die hier nur für ein paar Fotos hereingetanzt kommen und denken: 'Ich bin Sportler.' Ich will in den nächsten drei bis fünf Jahren sehen, wie weit ich im Motorsport kommen kann.

Welche Gefühle haben Sie am Steuer? Erst noch einmal: Ich bin kein guter Rennfahrer. Aber bei den Langstreckenrennen gibt es Momente, wo ich im Fluss bin. Da spüre ich: Du fährst zwar nicht wie bei Sprints die ganze Zeit auf Risiko, aber konstant, überlegt, zurückhaltend – und bist aber trotzdem dran.

Lassen sich die Gefühle im Cockpit vergleichen mit denen auf der Bühne? Nein, das sind zwei ganz verschiedene Sachen. Ich stehe auf der Bühne, seit ich vier bin, spiele heute 80 bis 100 Konzerte im Jahr. Auf der Bühne bin ich mit vielen meiner Geschwister. Auf der Piste bin ich ganz allein. Dort bin ich nur auf mich angewiesen, für jeden Fehler allein verantwortlich.

"Wahnsinnig aggressive Geräusche"

Etwas allein zu machen ist also wichtig? Ja, ein Ausgleich, eine Energiequelle.

Wo haben Sie mehr Lampenfieber? Vorm Rennen natürlich; vorm Konzert nur, wenn es ein besonderes ist.

Ist der Sound eines Motors für Sie Musik? Nein.

Sagen Sie uns trotzdem, welchem Musikstil Motorsport am nächsten kommt? Heavy Metal. Ein Rennauto ist halt eine Maschine voller wahnsinnig aggressiver Geräusche. Es klingt wie die deutsche Band Rammstein.

Andere Musiker mit Motorsportvirus wie Chris Rea oder George Harrison haben mit Rennsound sogar komponiert. Werden Sie das auch? Wenn es von innen aus mir herauskommt, gern. Aber nicht gezielt, nur weil es sich derzeit gut verkauft. Ich bin ja nicht Modern Talking.

Fahren Sie noch den Bandbus? Nein, aber drei alte englische Doppeldeckerbusse habe ich behalten.

Sie sollen ein guter Mechaniker sein. Ich war schon sehr früh bei uns für die Technik zuständig, auch für die der Autos. Mein Rekord für einen Motorwechsel beim Käfer sind elf Minuten.

Wie fühlt man sich im Pkw als Beifahrer von Joey Kelly? Schrecklich, sagt meine Frau. Ihr fahre ich zu schnell, zu hektisch, zu unkonzentriert.

Zur Person

Joseph ("Joey") Maria Kelly war schon immer härter drauf als seine elf Geschwister. Vater Daniel merkte auf der Tingeltour seiner Familien-Bigband durch die USA, durch Spanien, Frankreich, Holland, die Schweiz, Österreich und Deutschland: Sein siebtes Kind liebt neben den Gitarrensaiten vor allem Motorkolben. Zum Ballett- und Akrobatikunterricht bekam Joey also auch einen Privatlehrer für Technik. Mit 16 kaufte er vom Schrott sein erstes Auto und brachte es wieder zum Fahren. Kein Wunder, dass der Rock-'n'-Roll-Fan sich bald um sämtliche Fahrzeuge des rollenden Musikantenclans kümmern musste. Auch die Hausboote und den Dreimaster "Santa Barbara Ann" (benannt nach der 1982 gestorbenen Mutter) brachte der fünfte der sieben Kelly-Söhne wieder auf Vordermann. 1996 entdeckte Joey seine Liebe für Ausdauersport. Marathons, Triathlons, Ironmen und Extremradtouren sind für ihn "kein Extremsport" mehr. Nächste Ziele: demnächst ein Radrennen von der Ost- zur Westküste der USA und 2003 Start bei der Dakar-Rallye. Seit 1998 lebt er mit der Sängerin Tanja Niethen("Bellini") zusammen. Die beiden haben einen Sohn (1).