Das H-Kennzeichen macht den alten Iveco Daily mit Lyding-Aufbau zum Schnäppchen für Abenteurer. AUTO BILD REISEMOBIL hat ihn getestet.
Es klingt nach einem wagemutigen Experiment: Ein in die Jahre gekommenes Luxus-Wohnmobil zum Preis eines zweiwöchigen Familien-Pauschalurlaubs – geht sowas wirklich gut? Bei einer Expedition durch die Gebrauchtwagen-Börsen bleiben wir an einem Iveco, Baujahr 1980, mit Lyding-Aufbau von 1984 hängen. Uff, fast 40 Jahre alt, lächerliche 5000 Euro teuer – und ein Hersteller, den heute keiner mehr kennt. Dafür gibt es einen aus dem Vollen geschnitzten Alkoven mit H-Kennzeichen, der als rollendes Stück Autogeschichte ganz legal in jede Umweltzone darf, der voll wintertauglich ist und auf keinem Campingplatz ein zweites Mal auftaucht.
Auch im vierten Jahrzehnt weckt der Iveco Vertrauen
Optisch ist der Lyding ein Relikt der Bonner Republik – solide, aber spießig. Rein funktional gibt's jedoch wenig auszusetzen.
Klar, sein Grundriss wirkt für heutige Begriffe altmodisch, aber so waren Luxus-Womos Mitte der 80er fast immer aufgeteilt. Pappelholz-Möbelfronten und eine Plüsch-Wohnlandschaft waren für manche Hochpreis-Hersteller noch bis in die 2000er-Jahre erste Wahl. Doch rein funktional ist dem kantigen Vier-Personen-Domizil wenig vorzuwerfen. An der Bewegungsfreiheit fehlt es nicht, teilweise nachgerüstete Details wie eine Druckwasserheizung oder die professionell auf dem Dach installierte Klima- und Solaranlage versprechen hohen Reisekomfort. Den Vintage-Küchenblock mit gefliester Arbeitsplatte und die weich gepolsterte, zum Bett umbaubare Rundsitzecke könnten Berliner Prenzelberg-Hipster schon wieder kultig finden. Die Machart des Aufbaus dokumentiert den hohen Anspruch des nordrheinwestfälischen Kleinserien-Herstellers: Alles fasst sich seriös und solide an, scheint für eine extrem lange Nutzungsdauer optimiert zu sein und weckt auch im vierten Jahrzehnt noch das Vertrauen des Käufers. Lyding setzte bei seinen Aufbauten damals auf die gleiche Technologie wie Niesmann+Bischoff bei seinen Clou-Modellen: ein kältebrückenfreies Sandwich-Außenwandsystem mit einem Millimeter starken Aluplatten und Integralschaumkern. Umso mehr Aufmerksamkeit verdient der Zustand des Basisfahrzeugs, weil es in puncto Langzeit-Qualität nicht mithalten kann.
Immer schön sachte: Der Lyding erzieht zu Gleichmut, 80 km/h sind die ideale Reisegeschwindigkeit.
Der Iveco Daily ist ein klassischer Kurzhauber mit Leiterrahmen, Hinterradantrieb und Hang zum hemmungslosen Rosten. Das war zu Beginn der 80er noch kein Makel, sondern eine branchenübliche Erscheinung. Uralt-Dailys, die heute noch so proper aussehen wie das Fotofahrzeug, müssen große Zuneigung erfahren haben – entweder mit der Wachslanze oder dem Schweißgerät. Weil der geringe Marktwert gegen größere Eingriffe in Profiqualität spricht, sind Hinterhof-Basteleien mehr Regel als Ausnahme: Laien sollten zum Ortstermin deshalb einen Experten mitnehmen, der sich mit Oldtimern auskennt und weiß, wie ein Schichtdicken-Messgerät funktioniert. Und sie sollten viel Zeit mitbringen. Nicht nur zum Check des Womos, sondern auch später, auf großer Fahrt. Unter der Haube hämmert ein 2,4-Liter-Wirbelkammerdiesel, ringt sich 72 PS ab und kämpft gegen fast vier Tonnen Gesamtgewicht. Das verlangt vom Fahrer selbst dann eine gehörige Portion Gleichmut und Gelassenheit, wenn sich keine größere Steigung in den Weg stellt. Wer das Flachland liebt, macht mit dem gepflegten und substanziell gesunden Klassiker wenig falsch. Ein 5000-Euro-Urlaub ist schließlich nach zwei Wochen vorbei. Der Lyding dagegen hat als Oldtimer noch viele gute Jahre vor sich.