70 Prozent Wertverlust! Jaguar XE und Infiniti Q50 sind Mittelklasselimousinen mit Stil, die nicht jeder auf dem Zettel hat. Warum eigentlich nicht?
Da stehen sie und stehen und stehen. Inzwischen seit Monaten. Für schnellen Warenumschlag sind die beiden Mittelklasse-Limos Jaguar XE und Infiniti Q50 nicht zu gebrauchen. Aber weil das Autohus bei Bremen seine Ware in großen Kontingenten einkauft, sind eben auch mal solche Exoten dabei. Was keinen interessiert, lässt uns nicht automatisch kalt, ganz im Gegenteil! Autos, die bei anderen für stutzige Gesichter sorgen, sind uns per se sympathisch. Na klar, der Zaster spielt auch eine Rolle. Gute drei Jahre sind die beiden stilvollen Limousinen alt und haben mächtig Federn gelassen: Der Neupreis lag bei über 50.000 Euro. Schaut man sich vergleichbare Euro-6-Diesel der deutschen Premiumhersteller an, werden fix ein paar große Scheine mehr fällig. Vor allem beim Infiniti reiben wir uns ungläubig die Augen: Nur 32.000 Kilometer und dazu ziemlich volle Hütte. So etwas gibt es anderswo nicht so schnell für deutlich unter 20.000 Euro.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist www.dat.de.
Harte Kompromisse bei der Verarbeitungs- und Materialqualität
XE-Cockpit mit Skurrilitäten: Drehknopf zum Fixieren der Lenksäule, wo einst ein Zündschloss war.
Der in "Italian Racing Red" lackierte Jaguar ist bei Weitem nicht so gut ausgestattet. Hier heißt es Platz nehmen auf gewöhnlichen Stoffsitzen, zur Sitzverstellung suchen wir vergeblich nach elektrischen Schaltern. Zwar fasziniert die Inneneinrichtung durch ihre Andersartigkeit. Doch nach der ersten Begeisterung über das ziemlich coole Cockpit-Design kommt auch etwas Ernüchterung auf. Bei der Verarbeitungs- und Materialqualität müssen harte Kompromisse eingegangen werden. Merkt man etwa beim Abklopfen der Türtafeln, die hohl und fragil klingen. Und sieht man bei schief eingepassten Verkleidungsteilen – das ist not amusing! Da macht der Q50 einen angemesseneren Eindruck. Die vertikal ausgerichtete Mittelkonsole mit vielen Schaltern wirkt zwar auch nicht wie aus dem Vollen gefräst. Dennoch fühlt und sieht man, dass die Konstrukteure bei der Einrichtung und Gestaltung von Ambitionen angetrieben wurden, die über das qualitative Durchschnittsmaß der Mittelklasse hinausgehen. Der Haptik-Punkt geht nach Japan!
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist www.dat.de.
Der XE wirkt agiler als eine Mercedes C-Klasse
Ausfahrbarer Automatikschalter des XE defekt? Der Tausch kostet 785 Euro.
Die Stunde der Briten schlägt aber, sobald der Automatik-Drehknopf aus seiner Versenkung hochfährt. Ein interessantes Feature, doch es dauert gefühlt zu lange, bis wir endlich auf "D" drehen und davongleiten können. Das beherrscht der XE 20d allerdings auch nach über 100.000 Kilometern ganz vorzüglich. Die flott und vornehm waltende Achtstufenautomatik stammt von ZF, passend dazu zündelt der 430 Newtonmeter starke Diesel fein weggedämmt im Hintergrund vor sich hin. Erst bei nachdrücklicher Leistungsabfrage gurgelt der Vierzylinder kerniger – so muss das sein! Das Fahrwerk ist zwar straffer abgestimmt, aber keinesfalls mit zu übertriebenem Sportsgeist versehen. Trotzdem legt sich der gut 1,6 Tonnen schwere XE sportlich in Kurven, wirkt dabei sogar agiler als eine Mercedes C-Klasse. Das liegt auch an der fast ausgeglichenen Gewichtsverteilung und der präzisen, aber nicht nervösen Lenkung. Mit dieser gekonnten Mischung aus Sport und Komfort haben die Briten den Nagel auf den Kopf getroffen, das bekommen andere auch nicht besser hin.
Infiniti-Besitzer werden weiterhin durch Händler betreut
Der OM 651 ist im Q50 spärlich gedämmt, erinnert mit seinem Sound ans Taxi. Leistung und Verbrauch gehen aber vollkommen in Ordnung.
Wir sind gespannt auf den barock wirkenden Infiniti Q50. Die Motor-Getriebe-Einheit stammt von Mercedes, was im Falle des OM 651 leider nicht nur Vorteile haben muss. Das hölzern federnde Fahrwerk haben sie sich aber gewiss nicht bei den Stuttgartern abgeguckt. Das Entwicklungsbudget war wohl schon vor der Feinabstimmung verbraucht. Rückmeldung von der Lenkung? Nur ansatzweise! Und dann nagelt der OM 651 so deutlich vor sich hin, dass mit geschlossenen Augen ohne größeren Anlauf Zeitsprünge in ein 200er-Diesel-Taxi anno 1996 gelingen. Dafür gehen Leistung und Verbrauch vollkommen in Ordnung, auch wenn der Antritt der knapp 1,8 Tonnen schweren Limo nicht für Euphorie sorgt. Nissans Premium-Tochter hat sich nun offiziell aus Deutschland verabschiedet. Besitzer werden aber weiterhin durch Händler in Deutschland betreut. Damit bleibt der Q50 in Zukunft der größere Exot. Der viel geschliffener fahrende XE ist uns am Ende aber trotzdem sympathischer.Fazit von Stefan Novitski und Lars Jakumeit: Nicht nur die Seltenheit dieser beiden Exoten ist verlockend, auch die niedrigen Preise machen sie interessant. In technischer Hinsicht drohen sowohl bei Jaguar als auch bei Infiniti keine außergewöhnlichen Kapriolen. Bei der Ersatzteilversorgung kann es jedoch zu längeren Wartezeiten kommen. Urteil Jaguar XE: 3,5 von fünf Punkten; Urteil Infiniti Q50: drei von fünf Punkten.