Was haben Hamburg, Berlin, Bremen, Nürnberg, Stuttgart und München ge­meinsam? Sie sind Spitzenreiter in Sachen Stau. Laut dem Traffic Index des Navigationsspezialisten TomTom stehen Autofahrer in diesen deut­schen Städten am längsten im Stau. TomTom vergleicht für den Index die über seine Online-Navis gemessene tatsächlich gefahrene Geschwin­digkeit mit dem auf derselben Strecke bestmöglich erreichbaren Tempo. Für Hamburg heißt das: Eine Fahrt dauert morgens 46 statt 30 Minuten. Abends sind es 48 statt 30 Minuten. Und in vielen anderen Städten sieht es eben nicht besser aus. Das Problem: Kurzfristige Änderungen sind wohl nicht in Sicht. Denn laut Professor Michael Schreckenberg, Physiker und Stau-Experte an der Universität Duisburg-Essen, entstehen zwei von drei Staus, weil die Strecken überlastet sind. Anders gesagt: Es gibt einfach zu viele Autos auf zu engen Straßen. Die Folge: Jeder Deutsche steht etwa 60 Stunden pro Jahr im Stau. Bei 80 Millionen Menschen sind das rund 550 000 Jahre. Volkswirtschaftlicher Schaden: 80 Milliarden Euro pro Jahr. 

Wie entsteht ein Stau?

Wir stecken in der Stau-Falle
Auch die Tagesform der Fahrer entscheidet über Stau Nach dem Urlaub brauchen Autofahrer zwei bis drei Tage, um sich an die vielen Mitfahrer zu gewöhnen. 
Spannendste Frage: Wie entsteht ein Stau? Für Forscher Schreckenberg ist das ganz einfach: Sind zu viele Autos auf einer Straße und bremst dann ei­nes von ihnen vorn ab, bremsen die nachfolgenden Fahrer natürlich auch. Das geht so lange, bis das erste Auto steht. Dieses Auto löst wiederum eine Stauwelle aus. Diese Wellen pflanzen sich mit etwa 15 km/h in der Auto­schlange fort. Und zwar zwischen 30 und 60 Minuten lang, rückwärts über alle Zufahrten und Rampen hinweg. Aber nicht nur zu viele Autos sind ein Stauproblem, auch die Tagesform der Fahrer entscheidet über Stau oder kein Stau. Nach dem Urlaub etwa brauchen Autofahrer zwei bis drei Tage, um sich wieder an die vielen Mitfahrer und unsere engen Straßen zu gewöhnen. Außerdem müssen sie vom Urlaubsmodus auf die Alltags­routine umschalten. 

Wetter hat Einfluss auf den Fahrstil

Auch das Wetter hat seinen Ein­fluss. Nach einem Schauer zum Bei­spiel sind die Fahrer vorsichtiger unterwegs. Sie haben entweder Angst vor rutschigen Straßen, oder das Licht der Scheinwerfer anderer Autos spiegelt sich auf der nassen Straße und blendet sie. Sind dann noch die Scheiben be­schlagen, sind die Fahrer zögerlicher unterwegs – und der Verkehr stockt. Leider ist die Staugefahr auch dann nicht gebannt, wenn man gerade ei­nen Stau hinter sich gelassen hat. Die Fahrer geben zwar scheinbar befreit wieder Gas. Weil sie sich entspannen – aber auch unkonzentrierter sind –, reagieren sie auf plötzliche Ereignisse hektischer, bremsen oft unnötig ab, neue Staus entstehen. 

Top 3 der Bundesländer

In NRW, Bayern und Baden-Württemberg standen die Autoschlangen zusammen ­genommen etwa 24-mal um die Erde. Genauer gesagt in Nordrhein-Westfalen 485.919 Kilometer, in Bayern 275.037 Kilometer und in Baden-Württemberg 207.118 Kilometer. Die wenigsten Staus gibt es mit 3349 Kilometern in Mecklenburg-Vorpommern. In der Stadt haben Staus andere Ursachen. Hier beeinflussen Ampeln, Kreuzungen und Abbiegevorgänge den Verkehrsfluss. Dazu kommen die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Autos, Radfahrern und Fußgän­gern. Kommen dann noch Baustellen dazu, geht schnell nichts mehr. Zudem ist jedes dritte Auto in der Stadt nur zur Parkplatzsuche unterwegs. Eine oft diskutierte Idee gegen den Stau: Man richtet Umweltspuren ein oder gibt Busspuren für E-Autos, E-Bikes, E-Roller und Fahrgemeinschaf­ten frei. "Das bringt nichts, im Gegen­teil", sagt Professor Schreckenberg. "Die Fahrzeuge behindern sich gegen­seitig, weil sie unterschiedlich schnell unterwegs sind. Außerdem brauchen diese Sonderspuren Platz." Der den normalen Fahrspuren dann fehlt. Die Folge: Auf den Reststraßen fließt der Verkehr langsamer – oder steht. Bleibt die Erkenntnis: Wir haben zu viele Fahrzeuge auf zu engen Straßen, stehen in der Staufalle. Keine Frage: Unsere Mobilität ist in Gefahr.

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Wie verhalte ich mich im Stau?

 – Halten Sie ausreichend Abstand zum Vordermann. So haben Sie Platz und Zeit, um bei Gefahr rechtzeitig zu bremsen. Hekti­sches Bremsen begünstigt Staus. 
– Bleiben Sie möglichst in Ihrer Fahrspur. Fahrspurwechsel führen zu unnötigen Bremsmanövern anderer Verkehrsteilnehmer und können Staus auslösen 
– Schwimmen Sie harmonisch im Verkehrsfluss mit. Häufige Tem­powechsel irritieren die anderen Verkehrsteilnehmer und führen zu Bremsmanövern und Staus. 
– Beim Auffahren auf eine andere Straße, etwa eine Autobahn, das Tempo anpassen. Fügen Sie sich in den Strom ein, um den Fluss nicht zu stören. 
Hier gibt es Anti-Stautipps von AUTO BILD

Interview: Prof. Dr. Michael Schreckenberg (Stauforscher)

Wir haben zu viele Fahrzeuge in den Städten. Könnte hier eine Citymaut helfen? 
"Nicht wirklich. Sie würde die kleineren Autos aus der Stadt ver­bannen. Fahrer großer Autos und SUV könnten sich die Maut gut leisten und führen weiter in die Stadt und die Parkhäuser, die für ihre Autos nicht gemacht sind."
Was ist die Alternative? 
"Wir müssen den öffentlichen Per­sonennahverkehr stärken. Er ist das Rückgrat unserer Mobilität und könnte die Straßen entlasten. Leider ist er zu teuer."
Also sollen die Verkehrsbetriebe ihre Preise senken? 
"Das wäre ein erster Schritt. In Wien etwa kostet eine Netzkarte 365 Euro pro Jahr, also einen Euro pro Tag, für alle Linien. Das hat schon einiges gebracht. Günstiger ÖPNV führt dazu, dass Menschen vom Auto umsteigen. Am besten wäre ein kostenloser ÖPNV. Dann wären wahrscheinlich deutlich mehr Menschen zum Umsteigen bereit. Tatsächlich brauchen wir jedoch andere Lösungen."
Wo würden Sie ansetzen? 
"Wir brauchen ein nationales Ver­kehrskonzept, müssen die Anbie­ter vernetzen. Aktuell wissen die Stadtplaner nicht, was die regio­nalen Verkehrsbetriebe planen. Und die wissen nicht, was die Bahn vorhat. Oder nehmen Sie die Citymaut: Es gibt kein nationales Konzept, weil jede Stadt mehr ver­dienen will als die andere."
Fazit von AUTO BILD-Redakteur Stefan Szych: "Zu viele Fahr­zeuge auf zu engen Straßen – und kein nationales Verkehrs­konzept. Ob Bund, Länder und Gemeinden, Verkehrsbe-triebe oder Bahn: Jeder wurschtelt vor sich hin. Die Folgen: marode Straßen und Züge, Stau ohne Ende. Liebe Politiker, macht endlich was, sonst steht die Republik bald still."