Die Formel E hat mich bisher nicht ergriffen. Im Live-Stream habe ich mir ausschnittsweise ein paar Rennen angeschaut. Das dumpfe Gerumpel und Gepolter der Rennwagen über den Flughafenplatz Tempelhof hat in mir so viel Emotionen geweckt wie eine Straßenbahn. Doch als ich dieses Wochenende live an der Rennstrecke in Paris stand, sah das ganz anders aus! Dort pfiffen die Gen2-Autos an mir vorbei wie T-Fighter aus Star Wars. Das Geräusch der Reifen, wenn sie über die Curbs fahren, das Knacken des Fahrwerks, das Quietschen der Bremsen – alles war ganz klar zu hören und wurde nicht unter einem ohrenbetäubenden Motorgebrüll begraben. So lässt sich viel mehr spüren, was auf der Rennstrecke passiert. Schade, in der TV-Übertragung kommt davon zu wenig rüber.

So wird Motorsport zum Familien-Event

Schluss mit den Vorurteilen!
Die Formel E findet im Herzen bekannter Großstädte statt.
Das Ausbleiben lauter Motoren ist immerhin auch der Grund, warum die Formel E in Städten wie Paris, New York und bald wieder London stattfinden darf. Außerdem zieht die Formel E ein ganz anderes Publikum an. Familien und jüngere Menschen. Eltern müssen das Gehör ihrer Kinder nicht schützen und ständig darauf achtgeben, dass die Kleinen sich nicht die Ohrschützer vom Kopf reißen. Außerdem ist der Besuch der Formel E deutlich günstiger als der von anderen Motorsport-Events, die in der Provinz liegen und über mehrere Tage gehen. Die Formel E kann man an einem Samstagnachmittag besuchen. Das Rennen dauert 45 Minuten und eine Runde, was den Fahrern Taktik abverlangt und die Geduld der Zuschauer nicht überstrapaziert.

Diversity in den Boxengassen

Schluss mit den Vorurteilen!
Bei der Formel E ist der Frauenanteil groß. Fehlt nur wieder eine Fahrererin im Feld.
Features wie Fan-Boost, eine Portion Extra-Power per Online-Fan-Abstimmung, der Attack-Mode, eine Spur außerhalb der Ideallinie, die wie bei Mario Kart für begrenzte Zeit mehr PS freischaltet, und das Ghost Racing, wo jeder übers Smartphone oder dem Tablet live beim Rennen virtuell mitfahren kann, ja, die machen so ein Rennen interaktiv und für neue Zielgruppen spannend. Und in den Boxengassen wird Diversity gelebt. Dass Frauen an den Fahrzeugen arbeiten und Teamchefs sind, ist hier ganz normal. Auch Nachhaltigkeit wird vorgemacht. Pro Rennen gibt es nur einen Satz Reifen. Natürlich darf man auf der anderen Seite fragen, wie nachhaltig es ist, mit dem ganzen Rennzirkus um die Welt zu reisen.

In acht Minuten für 200 Kilometer Strom tanken

Schluss mit den Vorurteilen!
Mit dem Schnelllader von ABB in acht Minuten für 200 Kilometer Strom tanken.
Wie es beim Thema Elektro-Mobilität weitergeht, lässt sich aus vielen Entwicklungen der Formel E ableiten. So hat Hauptsponsor ABB einen Schnelllader (Terra 53 DC) für die Jaguar i-Pace ETrophy entwickelt, der das Fahrzeug in acht Minuten für 200 Kilometer lädt. Eine neue Technologie, die für das deutsche Schnellladenetz von Ionity wichtig ist und zuerst mit dem Porsche Taycan (Ende 2019) in einem Serienfahrzeug umgesetzt werden kann. Und für Action ist auch gesorgt. Im gesamten Rennen finden gefühlt mehr Überholmanöver statt, als in einer Formel 1 Saison. Bis zu 100 Überholvorgänge sind nichts Ungewöhnliches. Und spannend bleibt es auch. In bisher acht Rennen der Saison gingen acht unterschiedliche Sieger hervor. Was bleibt zu wünschen, außer, dass die Vorurteile gegenüber der Formel E abnehmen? Ich würde mich über neue Streckenlayouts freuen, denn die Renngassen sind teilweise zu klein für die Formel-E-Fahrzeuge. Dadurch kommt es zu Unfällen, die für zu lange und zu vielen Gelbphasen führen. Außerdem wäre es begrüßenswert, wenn Berlin die Formel E wieder zurück in die Innenstadt holt, denn da gehört sie hin! Wer sich selber ein Bild von der Formel E machen will, der bekommt die geballte Ladung Elektro-Power live am 25. Mai in Berlin Tempelhof zu spüren.