Liner auf Iveco-Basis: Wohnmobil-Test
Ein Liner für kleines Geld

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Dieses Traumschiff ist für Normalos erreichbar! Dennoch sollte man vor dem Kauf eines Projektfahrzeugs wie dieses Liners auf Iveco-Basis seine handwerklichen und finanziellen Möglichkeiten genau checken.
Bild: Christoph Boerries
Abseits des Mainstreams können große Reisemobilträume wahr werden. Dieser Wolpertinger-Liner ist das beste Beispiel. Wolpertinger? Ja, genau. Denn wie bei dem bayrischen Fabel-Mischwesen bleibt bei diesem Mobil trotz ausführlicher Recherche bei diversen Herstellern, in Fachforen und unserem Redaktionskosmos der Ursprung unsicher. Im Fahrzeugschein des Wohnmobils steht Iveco, sonstige Vermerke bringen keine Klarheit über den Aufbauhersteller.
Iveco Deutschland weiß, dass das Basisfahrzeug einst in Düsseldorf ausgeliefert wurde. Woher jedoch Leerkabine und Ausstattung genau stammen, ist unklar. Wir tippen trotz anders lautender Dekore am Fahrzeug auf die Firma Beier. Ohne eindeutigen Namen als Verkaufsargument ruft ein norddeutscher Händler moderate 29.900 Euro auf. Kein schlechter Tarif für einen rollenden Zweitwohnsitz aus dem Baujahr 2005, der neu weit mehr als 200.000 Euro gekostet haben dürfte. Ein gleich alter Kastenwagen auf Ducato-Basis käme aktuell kaum günstiger.
Der Zahn der Zeit nagt deutlich, neidische Blicke gibt's trotzdem
Das ist er: Ein Projekt für Leute mit eigener Lkw-Werkstatt oder passionierte Wohnmobilbastler. Der 7,49-Tonner setzt auf solide Iveco-Eurocargo-Technik. Obwohl der 9,42 Meter lange Liner erst 109.200 Kilometer gelaufen hat, nagt der Zahn der Zeit bereits sichtbar an ihm. Die Alubeplankung des Aufbaus zeigt insbesondere um diverse Klappen hässlichen Alufraß. Und die Blende vor der auf der Beifahrerseite in den Aufbau integrierten Markise fehlt gänzlich. Hinzu kommt, dass der Vorbesitzer trotz handwerklich begrenzter Möglichkeiten mit einer Umgestaltung des Innenraums begonnen hat. Dennoch hat die Vollwertlösung für Reisemobilfreunde mit Lkw-Führerschein immer noch ihren Reiz.

Riesengroße Heckgarage für Marathontrips. Die Holzkonstruktion verrät den nachträglichen Umbau.
Bild: Christoph Boerries
Dem 9,42 Meter langen Urlaubsgiganten sind auf Campingplätzen neidische Blicke so gut wie sicher. Hoffentlich gucken die Zaungäste nicht zu genau, denn ansonsten dürften ihnen unter der silbern schimmernden Außenhaut ein paar Ungereimtheiten ins Auge springen. Die schmalen Rückleuchteinheiten sind links und rechts senkrecht auf großen Riffelblechabschnitte montiert. Und sobald man die einzige Tür der Heckgarage öffnet, fällt ihr seltsames Format auf. Sie ist breit, aber durch eine nachträgliche Veränderung der Raumaufteilung des Heckbereichs seltsam geschnitten. Die Tanks und einzelne Versorgungsleitungen wirken improvisiert verbaut. Wie der Urzustand aussah, ist unklar. Der Käufer muss sich damit abfinden, dass er ein Fahrzeug mit lückenhafter Historie, ohne Schaltpläne und schlüssige Bedienungsanleitungen kauft.
Technische Daten
Motorisierung
Leistung
Hubraum
Drehmoment
Höchstgeschwindigkeit
Getriebe/Antrieb
Tankinhalt/Kraftstoffsorte
Länge/Breite/Höhe
Radstand/Bereifung
Leergew. fahrbereit/Zuladung (Testmobil)
Anhängelast (gebremst/ungebremst) Material Wand/Dach/Boden
Liegefläche Heck L x B
Kühlschrank inkl. Eisfach
Herd
Bordbatterien*
Frisch-/Abwassertank
Gastank/Heizung
Testverbrauch
Grundpreis (2005)*
Die Wohnlandschaft punktet mit acht Sitzplätzen – allerdings in rosarot
Das hat er: Raum und Komfort wie sonst nur ein Ferienappartement. Stehhöhe ist angesichts einer Fahrzeughöhe von 3,63 Meter reichlich vorhanden. Hinter den Vordersitzen schließt sich eine voll klimatisierte Wohnlandschaft mit sage und schreibe acht Sitzplätzen an. Rosarote Velourspolster und ein hemdsärmelig gefertigter Tischfuß zeugen von wenig Stilsicherheit und begrenzter Liebe zum Detail. Die L-Küche in der Fahrzeugmitte profitiert von der ansteigenden Dachlinie. Sie ist großzügig und verfügt sogar über einen Backofen.

Großzügigen Platzverhältnisse: Küche, Bad und Schlafzimmer sind im Heck untergebracht.
Bild: Christoph Boerries
Dort, wo eigentlich ein Kühlschrank der 130-Liter-Klasse sitzen sollte, gähnt allerdings ein großes Loch. Vollständig erhalten ist dagegen die dahinterliegende Badzone mit Eckdusche, Keramiktoilette und gegenüberliegendem Waschtisch. Warum in diesem Bereich Teppich verlegt wurde, bleibt eines der vielen Geheimnisse des Vorbesitzers. In der seltsam kahlen Heckkoje lässt es sich in einem klassischen Doppelbett komfortabel nächtigen.
Ausschließliche Autofahrer sollten sich von einem Fahrlehrer einweisen lassen
So fährt er: Am Steuer fühlt man sich wie ein Kapitän der Landstraße. Sitzposition und Cockpit entsprechen Ivecos mittelgroßer Lkw-Baureihe. Wer vom Pkw kommt, dem sei eine Einweisung durch einen Fahrlehrer empfohlen. Dank des reichlichen Drehmoments verliert das Reise-Trumm auch an Steigungen kaum an Geschwindigkeit. Entspannt reist es sich auf der Lkw-Spur, für Städtetouren sind die Abmessungen jedoch eher ungeeignet. Auf hiesigen Landstraßen sind 80 Kilometer pro Stunde zulässig, auf der Autobahn können es 100 Kilometer sein. Die schafft das Reisemobil mit links, denn das bullige Iveco-Triebwerk muss(te) in vielen Lkw-Versionen auch mit dem doppelten Fahrzeuggewicht klarkommen.
Kosten
Unterhalt
Testverbrauch
CO2
Inspektion
Haftpflicht*
Teilkasko*
Vollkasko*
Kfz-Steuer (S3, Masse 7490 kg)
Ersatzteilpreise**
Lichtmaschine
Anlasser (AT)
Zahnriemen
Wasserpumpe
Bremsscheiben und -klötze, vorn
6 Reifen 215/75 R 17,5
Fazit
Für normale Reisemobilkäufer ist dieses Angebot eher nicht geeignet. Wer jedoch auf eine interessante XXL-Basis spekuliert und reichlich Zeit sowie handwerkliches Geschick besitzt, könnte mit diesem Exoten durchaus glücklich werden.
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