Die Schwierigkeiten häufen sich

Wenn Manfred Stolpe über seinen Tellerrand guckt und in die Schweiz oder nach Österreich schaut, muß er eigentlich fürchterliches Bauchgrimmen kriegen. In den kleinen Alpenländern läuft, wovon der Bundesverkehrsminister noch träumt: die milliardenbringende Lkw-Maut. In Deutschland steht vorerst mit dem 1. Januar 2005 nur der mittlerweile vierte Starttermin für die Lkw-Maut. Und wie schon bei den drei vorausgegangenen und vom Betreiberkonsortium Toll Collect verursachten Fehlstarts (Januar, August, November 2003) häufen sich erneut die Schwierigkeiten dermaßen, daß es schon heißt: Wetten, daß die Lkw-Maut wieder nicht kommt?

Zwar sind die Probleme mit den "On-Board-Unit" (OBU) genannten Mautboxen nach mehreren Praxistests weitgehend behoben, doch sind erst ein Zehntel der für die reibungslose Mauteinführung notwendigen 500.000 OBUs in Lkw eingebaut. Trucker ohne OBU müssen zwecks Abrechnung die Maut-Terminals an den Raststätten ansteuern. Damit sind Chaos und Staus, besonders an der polnischen und tschechischen Grenze, garantiert.

Pro Lkw rechnet man15 Minuten für das Einloggen am Terminal. Wer kein Deutsch kann, benötigt entsprechend länger. Schon beginnt wieder das Szenario, das man aus den vorhergegangenen Startpannen kennt und das an das berühmte Pfeifen im Walde erinnert. Toll-Collect-Chef Christoph Bellmer tönt vollmundig: "Wir haben die Gewißheit, daß das System unter voller Last funktioniert." Mag ja sein, ist aber nur eine Seite der Maut-Medaille.

Zu wenig On-Board-Units eingebaut

Die andere ist, daß die Spediteure derzeit wöchentlich nur 3000 Mautboxen anfordern. Bellmer gesteht: "Wir brauchen aber Bestellzahlen von 25.000 bis 30.000 pro Woche." Er ahnt: "Es gibt immer noch Spediteure, die zweifeln, ob die Maut wirklich kommt." Nicht nur die sind skeptisch. Bellmer selbst hatte am 24. Mai zwar verkündet, die OBUs könnten nun "massenhaft" eingebaut werden. Gleichzeitig hatte er aber auch gewarnt, der Mautstart zum Jahreswechsel sei "mit Risiken behaftet", der Zeitplan "sehr eng gesteckt".

Am 26. August rückte Toll Collect vom Ziel ab, zum Mautstart 500.000 Lkw mit OBUs ausgerüstet zu haben. Das neue Ziel heißt "möglichst viele". Der Hauptgeschäftsführer des Spediteursverbands BGL, Karlheinz Schmidt, ahnte da schon: "Die Chancen, daß die Maut am 1.1.2005 kommt, liegen unter 50 Prozent." Und selbst Verkehrsminster Stolpe sah den "Mautstart nicht garantiert".

Es geht um Milliarden, auf die er seit Anfang 2003 wartet. Denn die Maut soll pro Lkw (ab zwölf Tonnen) und gefahrenen Kilometer im Schnitt 12,5 Cent einbringen. 2,4 Milliarden Maut-Euro würden pro Jahr in den Straßenbau fließen. Irgendwann einmal. Und auch nur vielleicht. Denn am aktuellen Starttermin darf genauso grundlegend gezweifelt werden wie an den Erfolgsaussichten von Stolpe, daß Toll Collect die geforderten 4,5 Milliarden Euro Schadensersatz zahlt.