Kenner schätzen sie, und Einsteiger staunen über den hohen Preis – was für große Jahrgangsweine gilt, trifft auch auf den Mercedes Marco Polo Edition 250 d zu. Für einen Grundpreis von fast 60.000 Euro gibt es bei anderen Herstellern ein voll ausgestattetes Wohnmobil der Mittelklasse. Bei Mercedes kommt noch eine lange und kostspielige Ausstattungsliste hinzu. Uff, wer soll das bezahlen? Und lohnt sich die große Investition in den kleinen Camper trotzdem? Wir haben's im Redaktionsalltag geprüft. Sechs Monate und 30.366 Kilometer lang war der Marco Polo Edition in Hamburg zu Hause. Wobei er von der Hansestadt wenig gesehen hat. Denn dass es einen Marco Polo im Dauertest bei AUTO BILD REISEMOBIL gibt, hat sich schneller im Büro herumgesprochen als der neueste Klönschnack. Auf zahlreichen Dienstreisen hat der Camper mehr erlebt als manches Reisemobil im ganzen Fahrzeugleben.

Das Dachbett bekommt volle Zustimmung

Marco Polo Edition 250 d
Einsteigen ins Dachbett erfordert Gelenkigkeit, wird aber belohnt: Das Bett ist spitze und "fast so bequem und komfortabel wie zu Hause."
Am Anfang geht es für Redakteurin Helene Schmidt ins Allgäu und nach Franken. Wobei die erste Dienstreise unter keinem guten Stern steht: Ein liebestoller Marder tobt seinen Spieltrieb am Marco Polo aus. Nach mehrmaligem geräuschvollen Rutschen auf dem ausgeklappten Aufstelldach kriecht das Raubtierchen in den Motorraum und perforiert mit seinen spitzen Zähnen den Kühlwasserschlauch. Die erste Zwangspause für den Dauertester – denn die lokale Mercedes-Werkstatt hat keinen Ersatzschlauch vorrätig. Nach der Reparatur geht es mit Autor Jens Lehmann auf Reportage – wieder ins Allgäu. Dabei stört den Kollegen besonders die laute Schiebetür: "Warum keine Schiebetür, die sich automatisch zuzieht? Als ich nachts raus musste, war der gesamte Stellplatz wegen der lauten Schiebetür wach!" Was Kollege Lehmann zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: So was gibt's – doch es kostet 727,09 Euro extra. Das Dachbett bekommt dafür volle Zustimmung: "Fast so bequem und komfortabel wie zu Hause!" Der hohe Liegekomfort gefällt auch anderen Kollegen. Lediglich bei den umgebauten unteren Schlafplätzen sind sich die Reisenden uneinig: Der eine findet sie zu hart, dem anderen sind sie gerade recht.
Überblick: Alles zum Thema Wohnmobile

Kühlbox und Heizung sind etwas zu eifrig bei der Sache

Marco Polo Edition 250 d
Kochspaß: Vollwertige Küchenzeile mit Kühlbox, Waschbecken und Zwei-Flammen-Gasherd.
Einhelliges Lob gibt es dagegen für den Fahrkomfort. Mit dem langem Radstand, Fahrassistenzsystemen (360-Grad-Kamera, Totwinkel-, Abstands- und Kollisionswarner) und dem druckvollen 190-PS-Motor macht der Marco Polo richtig Spaß. Apropos Diesel: Der Marco Polo fährt mit SCR-Kat und verbraucht im Testschnitt 1,3 Liter AdBlue auf 1000 Kilometer. Zudem schätzen alle Fahrer die Navigation mit Echtzeit-Verkehrsinformation inklusive problemloser Smartphone-Koppelung. Während das Cockpit oben auf dem neuesten technischen Stand ist, sieht das Bedienpanel für Heizung, Kühlbox und Wasserstand wenige Zentimeter weiter unten alt aus. Das Schwarz-Weiß-Display ist gut versteckt und passt nicht so recht ins Bild des edlen Mercedes-Vans. Dafür kühlt die Kühlbox innerhalb von wenigen Stunden so gut herunter, dass den Reisenden gelegentlich die Vorräte anfrieren. Auch das Beheizen des Marco Polo funktioniert besser, als manchem Kollegen lieb ist: Die Dieselheizung feuert selbst auf der niedrigsten Stufe so gut, dass einige Benutzer über Hitzewallungen klagen. Andere stellen fest, dass bei ungünstigen Windbedingungen die Abgase ins Fahrzeuginnere ziehen können, sobald das Aufstelldach aufgeklappt ist.

Auftauchende Probleme werden unkompliziert behoben

Gegen Ende der Testzeit steht noch einmal ein kurzer Werkstattbesuch auf dem Programm: Windgeräusche ab 120 km/h! Ursache: Die Schnappverschlüsse für das Aufstelldach sind locker und sitzen nicht mehr stramm genug. An Spannkraft verlieren auch die Gummiprofile der Bodenschienen. Beide Probleme behebt Mercedes auf Garantie. Auf Nachfrage erklären die Schwaben, dass ein Lösen der Gummiprofile selten sei, diese aber selbstverständlich auch bei Kundenautos auf Garantie ersetzt werden. Zudem werde das Nachjustieren des Aufstelldachs normalerweise im Rahmen der Inspektion erledigt. Typisch Dauertester: Er ist einfach schneller als der Wartungsplan. Eine andere Macke des Mercedes beschäftigt die Redaktion während des gesamten Tests: die schwer verschiebbare Rückbank. Dieses Problem haben die Entwickler erkannt und gelöst, wie Baureihenchef Andreas Hasselwander bestätigt: "Durch das Nachjustieren der Laufschienen kann bereits viel erreicht werden. Ferner wird ab Frühjahr 2018 ein neues System zum Einsatz kommen und die Rückbank dann auf rollengelagerten Schlitten stehen. Dieses System ist natürlich auch nachrüstbar." Darüber werden die nächsten Nutzer entscheiden müssen. Uns bleibt nach 30.366 Test-Kilometern die Erkenntnis, dass der Marco Polo sein Geld wert ist. Und ein Hinweis darauf, dass sich sein Preis drücken lässt: Das Basismodell Activity für 41.412 Euro ist schließlich auch ein echter Mercedes.

Fazit

von

Helene Schmidt
Ja, der Marco Polo ist teuer. Dafür bietet er ein durchdachtes Wohnkonzept und gute Verarbeitungsqualität. Mit hohem Fahrkomfort und Alltagstauglichkeit war der Marco Polo schnell der Langstrecken-Liebling der Redaktion. Urteil: 4,5 von fünf Punkten.

Von

Helene Schmidt