Unten fettes SUV, oben flott – das neue Mercedes GLE Coupé spielt T-Rex. Mit dabei zum ersten Vergleich mit dem Dino: der BMW X6.
Video: Mercedes GLE Coupé vs. BMW X6 (2015)
Coupé-SUVs im Vergleich
Bild: AUTO BILD
Gegensätze ziehen sich an. Siehe Mann und Frau. Von wegen, rufen nicht nur die Iren. Siehe gleichgeschlechtliche Ehe. Die Wahrheit gibt es hier nicht – es bleibt wieder mal pure Geschmacksache. Genau wie bei unseren Jurassic Cars. Großer, schwerer SUV-Dino trifft schwungvolle Coupé-Linie – passt das jetzt, oder ist das so unzeitgemäß wie ein T-Rex im 21. Jahrhundert? Vom BMW X6 kennen wir diese provokante Mischung längst, Mercedes bekennt sich erst jetzt zum SUV-Coupé. Als zu lukrativ erwies sich die Marktnische, als dass man sie dem Erzrivalen überlassen wollte. Folglich liegt das neue GLECoupé geschmacklich voll auf X6-Linie. Gleiches gilt für das Format sowie für das Konzept mit vier Türen und großer Heckklappe.
Die Coupé-Form kaschiert die Dimensionen des GLE geschickt
Aus ein paar Metern Entfernung betrachtet, wirken die Dimensionen des GLE Coupés gar nicht so wuchtig.
Erster Eindruck: Aus ein paar Meter Entfernung betrachtet sieht das Riesending ja noch coupémäßig normal aus, gar nicht so elefantös wie erwartet. Formal folgt es den bekannten Mercedes-Trends – vorn ein Actros-verdächtiger Grill, viele Kurven und Sicken, heckseitig ein rundliches Fenster und schlanke Leuchten wie bei aktuellen Coupés des Hauses. Die wahre Größe wird einem erst in unmittelbarer Nähe bewusst: Die Motorhaube reicht einem Durchschnittsmann (1,75 Meter) schon fast bis zum Kinn, hinten musst du das Gepäck über eine tischhohe Ladekante wuchten, und Einsteigen heißt Aufsteigen. So gesehen ein typisches Fullsize-SUV, ungewohnt nur, dass du beim Eintritt den Kopf einziehen musst. Coupé eben. Drinnen erwartet dich sodann große Gediegenheit, da unterscheidet sich das Coupé nicht wesentlich vom gewöhnlichen GLE. Das Cockpit paart Funktionalität mit jener De-luxe-Atmosphäre, die dem Eigner das Gefühl gibt, das viele Geld gut angelegt zu haben. Wer den ML kennt, wird aber ernüchtert. Mal abgesehen vom acht Zoll großen Bildschirm, der frei auf der Mittelkonsole thront, hat sich nicht so viel geändert.
Im Vergleich fast zierlich: Der BMW X6, Urmeter der SUV-Coupés, gibt sich sportlicher als der Benz.
Bequeme Sitze hat das Coupé, auch hinten, wo die Kopffreiheit immer noch ausreicht. Trotz Flachdachs eignet sich diese GLE-Variante uneingeschränkt für den Transport von vier Erwachsenen, wenn nötig inklusive Reisegepäck. Ins Heck gehen mindestens 650 Liter Gepäckvolumen, bei umgeklappten Rücksitzen sogar 1720, vorausgesetzt natürlich, es gelingt, die Lasten in den oben liegenden Laderaum zu wuchten. In diesem Fall kannst du dich dann auch auf einen völlig ebenen Boden freuen. Schon in diesem Stadium des Vergleichs verrät dann der Schwenk zum X6 den entscheidenden Wesensunterschied: Bei aller Wuchtigkeit mutet der BMW von außen betrachtet zierlicher an, handlicher, sportlicher. Und dieser Eindruck setzt sich im Innern fort: Vorn sitzt du tiefer, und es geht insgesamt enger zu, vor allem aber im Fond, wo es an Kopf-und Fußraum mangelt. Viel mehr als im Mercedes kommen hier Coupé-Gefühle auf.
Ähnlich sind die Verhältnisse jenseits der Rücksitze, wo auf dem (nicht ganz ebenen) Ladeboden zwischen 550 und 1525 Liter reinpassen – auch nicht schlecht, zugegeben, aber eben deutlich weniger. Schwer zu glauben, dass der minimal flachere X6 die gleichen Abmessungen besitzt wie das GLE Coupé. Immerhin ist der BMW leichter, laut DIN um 110Kilo. Macht dann 2,14 Tonnen.
Im Mercedes-Motor steckt das entscheidende Plus an Kraft
Beide Konkurrenten haben 258 PS, beim Drehmonent liegt der Mercedes aber entscheidend vorne.
Wir haben uns die Kontrahenten mit Dieselpower vorgeknöpft, was der Verkaufsrealität in Deutschland wohl am nächsten kommt. Jeweils drei Liter Hubraum verteilen sich auf sechs Zylinder. Und hier wie da stehen 258 PS bereit. Pluspunkte erntet die Mercedes-Maschine aber beim Drehmoment: 620 zu 560 Nm. Das langt dann selbst für einen 2,3 Tonner, wie uns der GLE vorführt. Sein Diesel ist kein Beißer, auch kein Reißer, eher ein Säusler und einer, der lässig-souverän sein Pensum erledigt. Unmerklich schlurft er durch die neun Fahrstufen, nur im "Sport"-Modus wird es etwas lebhafter. Kein sportliches Vergnügen also, aber ein angenehmes. Das passt dann auch nahtlos zu den übrigen Qualitäten. Im Vergleich zum regulären GLE habe man das Coupé fahrwerkseitig dynamisiert, behaupten die Mercedes-Techniker, und das spürst du, ganz klar. Doch die Hauptattraktion bleibt der Komfort, wie die Luftfederung in der "Comfort"-Stellung die Straßen glatt bügelt, leicht schwebend, aber kaum schwankend, das möchtest du gerade bei längeren Fahretappen nicht missen. Da bringt die aktive Wankstabilisierung mittels aktiver Querstabilisatoren ("Active Curve System") zusätzlich Ruhe in die Karosserie.
Im GLE-Fahrwerk steckt jederzeit viel Komfort
Das Fahrprogramm des GLE kennt zwar "Sport", grundsätzlich bleibt er aber immer komfortabel.
Und sollte es doch zu weich sein, dann bietet "Sport" die passende Alternative: straffer, aber immer noch schön komfortabel. Zugleich legt er sich dann williger in die Kurven, erledigt Kurswechsel eine Idee präziser und arbeitet dabei weniger in den Federn. Auch das macht ihn natürlich nicht wirklich sportlich – wie auch, bei dieser Masse und einem derart hohen Schwerpunkt? Aber es hilft. Wechsel in den BMW. Du brauchst nicht die Feinfühligkeit eines Seismografen, um sofort die entscheiden-den Unterschiede festzustellen. Wo der GLE schwebt, stößt der X6, das Schluckvermögen seiner Stahlfederung lässt selbst im "Komfort"-Modus der vier Fahrprogramme zu wünschen übrig. In "Sport" oder "Sport+" schüttelt es dich selbst auf ordentlichen Belägen durch, ein Erlebnis von sehr begrenztem Reiz. Komfort ist hier also Nebensache, und das gilt – in geringerem Maß – auch für die Geräuschentwicklung.
Beim Verbrauch halten sich die beiden Dinos durchaus zurück
Keine schlimmen Säufer: Der BMW begnügte sich im Test mit neun, der Mercedes mit 10,6 l/100 km.
Erfreulich hingegen die fahrdynamischen Eindrücke: Die Lenkung kommt schneller aus der Mittellage als die des Mercedes, fast schon zu nervös. Und der Antrieb reagiert freudiger auf deinen rechten Fuß, beschleunigt dann auch mit mehr Nachdruck, wobei die Achtstufenautomatik stets optimal mitspielt. Es mag eine vordergründige Sportlichkeit sein, die hier geboten wird, aber sie wirkt. Und das bei geringerem Verbrauch: Bei unserer Vergleichsfahrt begnügte sich der X6 laut Bordcomputer mit 9,0 l/100 km (Norm: 6,0 l/100 km), das GLE Coupé verzeichnete 10,3 (Norm: 6,9 l/100 km). Jetzt noch die Preisfrage: 66.700 Euro kostet das Coupé-Vergnügen im GLE, wenn hinten 350 d draufstehen soll. Also 5950 Euro mehr als der entsprechende GLE mit Hochdach. Hinzu kommen 2034 Euro für die Airmatic. BMW fordert für den X6 3.0d 66.900 Euro. Beide zuzüglich weiterer Extras, versteht sich. Echte Jurassic Cars gibt's nun mal nicht zum Kuschelkurs.
Technische Daten BMW X6 xDrive 30d • Motor: Sechszylinder, Turbo, vorn längs • Hubraum: 2993 cm³ • Leistung: 190 kW (258 PS) bei 4000/min • max. Drehmoment: 560 Nm bei 1500/min • V-max: 230 km/h • 0–100 km/h: 6,7 s • Antrieb: Allrad/Achtstufenautomatik • Tankinhalt: 85 l • L/B/H: 4909/1989/1702 mm • Kofferraum: 550-1525 l • Leergewicht: 2140 kg • EU-Mix: 6,0 l Diesel/100 km • Abgas CO2: 157g/km • Preis 66.900 Euro.
Technische Daten Mercedes GLE Coupé 350 d 4Matic • Motor: V6, Turbo, vorn längs • Hubraum: 2987 cm³ • Leistung: 190 kW (258 PS) bei 3400/min • max. Drehmoment: 620 Nm bei 1600/min • Spitze: 225 km/h • 0–100 km/h: 7,1 s • Antrieb: Allrad/Neunstufenautomatik • Tankinhalt: 93 l • L/B/H: 4900/2003/1700 mm • Kofferraum: 650-1720 l • Leergewicht: 2250 kg • EU-Mix: 6,9 l Diesel/100 km • Abgas: CO2 180 g/km • Preis 66.700 Euro.
Fazit
von
Wolfgang König
Doch, es gibt solide, rationale Gründe für diese Autos. Angenommen, dein Wagen soll flott aussehen, aber du willst nicht limbomäßig rein- und rauskrabbeln: Bingo! Oder du bist SUV-überzeugt, brauchst aber nicht so viel Platz. Sollte das bei mir jemals zutreffen, würde ich nach diesem ersten Vergleich zum GLE Coupé tendieren. Der Mercedes ist eine Spur bekömmlicher.