Mercedes kritisiert DTM-Kommission
Der offene Brief im Wortlaut

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Mercedes-Sportchef Toto Wolff schreibt einen offenen Brief an die DTM-Kommission. Inhalt: Unmut über die Entscheidungen der Rennleitung in Spielberg.
Bild: Getty Images / Mercedes
Der Unmut über das DTM-Rennen in Spielberg und die teilweise merkwürdigen Entscheidungen der Rennleitung ist groß. Und nun meldet sich Mercedes-Sportchef Toto Wolff genau deshalb zu Wort. In einem offenen Brief an die DTM-Kommission schildert er die Vorgänge um Robert Wickens und Pascal Wehrlein aus seiner Sicht und prangert unter anderem die "Inkonsistenz" der Rennleitung an. Lesen Sie hier Wolffs Stellungnahme, die er mit einer Bitte um Antwort verbindet, im originalen Wortlaut!
Der offene Brief
"Sehr geehrte Herren,
Mercedes-Benz ist seit 1988 werkseitig in der DTM vertreten und hat sich von Anbeginn im Einvernehmen mit allen Herstellern und dem DMSB für einen fairen und klar regulierten Motorsport eingesetzt. Dabei steht der Sport immer im Vordergrund. Wir nehmen die Teilnahme an der DTM sehr ernst, setzen nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch Herzblut dafür ein.
Umso desillusionierender waren manche Entscheidungen der Rennleitung beim letzten DTM Lauf in Spielberg für uns. Bis zum Zeitpunkt der Boxenstopps wurde durch die Fahrer der Spitzengruppe ein tolles Rennen geboten - gekennzeichnet durch couragierte und faire Zweikämpfe, wie wir und auch die Fans sie in der DTM sehen möchte. Durch die nachfolgende Entscheidung der Rennleitung, eine Durchfahrtsstrafe wegen "Unsafe Release" gegen Robert Wickens zu verhängen, wurden nicht nur Robert Wickens und sein Team um den Lohn ihrer harten Arbeit, sondern auch alle Fans vor Ort und an den TV-Geräten um ein tolles Rennen gebracht.
Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die Entscheidung inhaltlich falsch war - schon alleine vor dem Hintergrund der genauen Bedeutung des Terminus "Unsafe Release": Robert Wickens wurde nach seinem Boxenstopp in Runde 22 aus seiner Station "gelassen", der sich hinter ihm befindende Fahrer war gemäß einschlägiger Video- und Fotodokumentationen zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in der Fastlane der Boxengasse. Wickens kam sicherlich nicht optimal aus seiner Pitstop-Station, was jedoch unvorhersehbar für die Boxenmannschaft war und somit in keinem Fall als Unsafe Release gewertet werden kann.

Bei Mercedes war man mit den Entscheidungen in Spielberg unzufrieden - vor allem im Fall Wickens (re.)
In der Vergangenheit wurde darüber hinaus eine Richtlinie gelebt, die besagt, dass dem Fahrer, welcher auf Höhe der nächsten Boxenstoppstation "die Nase vorn hat" Vorfahrt gewährt werden muss. Auch diese Tatsache spricht gegen eine Bestrafung von R. Wickens.
Letztlich war die Aktion also per definitionem kein "Unsafe Release". Dies hatten wir bereits während der Untersuchung der Rennleitung so mitgeteilt. Leider kam es dennoch zu einer Durchfahrtsstrafe, die wir aber im Wissen der Diskussion mit der Rennleitung, sowie auch unserer Überzeugung keinen Fehler begangen zu haben, nicht angetreten haben. Wir fuhren hier ganz klar um den Sieg - diese Möglichkeit wurde uns genommen.
Übergeordnet fällt die Inkonsistenz in den Entscheidungen der Rennleitung auf: die Causa Pascal Wehrleins werten wir als viel eindeutigere Situation eines "Unsafe Release" - er wurde hingegen während des Rennens freigesprochen und dann nach dem Rennen dennoch bestraft. An dieser Stelle sei die Frage nach der Konsistenz der Entscheidungsfindung selbst, aber auch des resultierenden Strafmaßes gestellt. Eine Rückversetzung um drei Startplätze beim nächsten Rennen scheint im Vergleich zu einem verlorenen Sieg nicht verhältnismäßig. Zudem gab es im Rennen eine weitere vergleichbare Situation zwischen D. Juncadella und einem Audi-Piloten. Diese wurde nicht einmal untersucht und dementsprechend auch nicht bestraft - weder während noch nach dem Rennen.

Die Szene aus der Luft: Als Wickens (vorne) losfährt ist Glock (hinten) noch nicht voll in der Fastlane
Es geht uns an dieser Stelle auch nicht primär darum, uns über die Rennleitung zu beklagen. Wir respektieren die handelnden Personen und die Komplexität der Aufgabe. Oft müssen innerhalb von wenigen Momenten Entscheidungen mit großer Tragweite, innerhalb eines komplizierten Reglements getroffen werden.
Mercedes-Benz steht für die längste Historie aller Hersteller in der DTM und wir möchten im konstruktiven Dialog zwischen den Mitgliedern der DTM Kommission, dem DMSB, der ITR, dem Fernsehpartner und unseren Fans dazu beitragen, dass diese einzigartige Rennserie weiterhin für alle Beteiligten interessant und attraktiv bleibt. Insbesondere bedeutet das aus unserer Perspektive auf der sportlichen Seite:
- Vereinfachung des Reglements und Implementierung eines durchgängigen und transparenten Regelwerks und Strafenkatalogs
-Spannende und ggf. auch etwas härtere Zweikämpfe zuzulassen
- Entscheidungen im Sinne des Sports und spannenden Racings zu treffen.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Stellungnahme.
Toto Wolff und Team
Mercedes-Benz Motorsport"
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