Gut drei Sekunden bis Tempo 100. Keine zehn bis 200. Spitze um die 300 km/h, beide, locker. Die nackten Zahlen versprechen Ekstase auf Rädern. Der ultimative Highspeed-Quickie. Ich bin in Le Castellet, Bilderbuch-Rennstrecke im Süden Frankreichs. Hier testen Formel-1-Teams ihre Boliden, hier veranstaltet AMG Fahrerlehrgänge namens "Driving Academy". Und hier stehen sie vor mir – die ultimativen Asphaltfresser auf vier und auf zwei Rädern. Der brandneue GT-Bolide Mercedes SLS AMG GT3. Und die knallrote Italo-Rakete Ducati Superbike 1198 SP. Die brachialsten Renner, die Affalterbach und Bologna derzeit zu bieten haben.

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Ducati 1198 SP
Da geht richtig die Post ab: 170 Ducati-PS treffen auf 168 Kilogramm Leergewicht.
Die beiden Highspeed-Konzerne treten seit November 2010 gemeinsam auf. Keine offizielle Aktienehe wie einst bei Daimler und Chrysler, sondern eine leidenschaftliche Beziehung. AMG stellt den Fuhrpark für das Moto-GP-Rennteam "Ducati Corse", einschließlich Mercedes-Trucks für den kompletten Rennzirkus. Ducati trägt dafür das AMG-Logo und pimpt im Gegenzug die Fahrtermine und Events der schnellen Mercedes-Tochter. Künftig wird man dort auch auf zwei Rädern seine fahrerischen Grenzen ausloten können. "Eine perfekte Kombination", glaubt Pietro Zollino, PR-Manager von AMG. Kundenbefragungen haben gezeigt, dass AMG-Käufer oft auch schnelle Zweiräder besitzen. Und umgekehrt. Vier Räder hier, zwei Räder dort. Welche Höllenmaschine schmeiße ich zuerst an? "Nimm die 1198 SP", rät Ducatis Marketingdirektor Diego Sgorbati, "aber brems nicht zu stark." Warum? "Das Motorrad stoppt sonst schneller als du." Is’ klar. Schlüssel drehen. Startknopf drücken. Das rote Biest faucht. Ohrenbetäubend. Atemberaubend. Respekteinflößend. Digitaler Tacho, jede Menge Anzeigen und Kürzel. Elektronische Helfer wie die zuschaltbare, achtstufige Traktionskontrolle DTC (Ducati Traction Control) sollen das Superbike zähmen. ABS gibt es nicht.

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Mercedes SLS AMG GT3
Wildes Geflügel: In der GT3-Version drückt den SLS AMG ein mächtiger Spoiler auf den Asphalt.
Auf Stufe null brennt der schnellste Zweizylinder der Welt schwarze Spuren auf den Asphalt, im Zweifel bis in den sechsten Gang. Ich starte mit Stufe acht. Idiotenmodus. 170 PS zähmt die SP, 168 Kilo wiegt sie. Mehr Leistung als Leergewicht. So soll das sein. Gang rein, etwas Gas, rasselnd rollt das Biest aus der Boxengasse. Kurzer Blick nach links hinten, Bahn frei – ab dafür! Im Sekundentakt (gefühlt) flippere ich durch die Gänge. Die Digitalziffern tanzen. Erster Gang bis 96 km/h, zweiter bis 134, dritter bis 180. Das hat was von Beamen. Eben noch hier, jetzt schon dort. Aberwitzig. Bei 290 Sachen legen Könner den sechsten Gang ein. Dann geht der Marschflugkörper weiter bis circa 300 km/h. Glaube ich gern. Ausprobiert habe ich es nicht. Das sollen Vmax-Helden machen wie Valentino Rossi, Italiens Superbiker. Der neunfache Motorrad-Weltmeister ist der neue Fixstern im Ducati-Corse- Rennteam. Was "The Doctor" (Rossis Spitzname) auf zwei Rädern kann, leistet Bernd Schneider auf vier Rädern. Fünf Mal hat Deutschlands Tourenwagen-Schumi die DTM gewonnen. Der Rekord-Champion hat bereits der zivilen Version sportliche Manieren beigebracht. Jetzt hat er den SLS fit gemacht für die Rennstrecke. Heute ist er mein Guide. Schneider macht die Pace, ich hänge mich dran. So weit der Plan.
Bevor es losgeht, werde ich verkabelt und verschnürt. Die Kopfhörer sehen aus wie ein Paar Oropax mit Strippen. Sturmhaube auf, Helm drüber, rein in den grob gepolsterten Schalensitz. Mir wird heiß. Und mulmig. Schon der 183.260 Euro teure Serien-SLS hat 571 PS, läuft 317 Spitze. Wie geht dann bloß die Rennversion? Offizielle Daten sollen noch im März folgen. Dann muss der GT3, der wie das Serienmodell über Trockensumpf-Schmierung verfügt, zur "Balance of Performance", der technischen Abnahme für die neue Rennsaison. Flügeltüren zu. Startknopf drücken. Gänsehaut kriegen. Was – für – ein – Sound! Trotz drei Lagen in und auf meinen Ohren. Höllisch. Bombastisch. Brutal. "Alles wie bei einem normalen Auto", hatte mir der Mechaniker noch zugebrüllt. Na ja. Fürs Schalten per Paddel am Lenkrad mag das ja fast noch gelten, für den Leerlauf nicht. Den legst du mit einem kleinen grünen Knöpfchen auf dem Lenkrad ein. "Die gelben Pylonen markieren die Bremspunkte. Bei den orangefarbenen lenkst du ein", erklärt mir Schneider über Funk.

Nur die Zweirad-Rakete gibt es auch mit Straßenzulassung

Mercedes SLS AMG GT3 Ducati 1198 SP
Leichtbau in Fahrt: SLS AMG GT3 und Ducati 1198 SP beim Kräftemessen auf der Piste.
Von Runde zu Runde werde ich besser, finde ich. Der Abstand zu Schneider wird dennoch immer größer. Mit Kurvenkräften von bis zu 1,0 g rumpele ich über die Kerbs. Ein g! In normalen Sitzen hätte ich mich längst um die eigene Achse gedreht. In diesem Karbonkokon bewegt sich nur mein Kopf. Ein kleines bisschen. Der GT3 fährt sich verblüffend spielerisch. Für die verlässliche Kraftübertragung sorgt ein Sechsgang-Renngetriebe mit sequenzieller Schaltung. Rechts rauf, links runter. Die aufwendige Elektronik des GT3 macht aus jedem halbwegs begeisterten Autofahrer einen kleinen Rennfahrer. "Wir haben den Wagen bewusst so abgestimmt, dass jeder damit klarkommt – vom Profi bis zum ambitionierten Privatfahrer", erklärt mir Bernd Schneider. Festgetackert im Sitz kommen mir das Tempo und vor allem die Verzögerung gar nicht so spektakulär vor. Je nach Übersetzung läuft der GT3 über 300 km/h, das im Getriebe integrierte Lamellen-Sperrdifferenzial und die Traktionskontrolle ermöglichen fulminante Beschleunigungswerte.
Gleiches gilt für die Verzögerung: Sechskolben-Festsättel vorn und Vierkolben-Festsättel hinten bieten üppig dimensionierten Bremsbelägen Platz. Die vier Scheiben der Rennsportbremsanlage sind belüftet, genutet und gelocht. Nahezu narrensicher macht den GT3 das serienmäßige ABS mit spezieller Rennstreckenabstimmung. 397.460 Euro kostet der AMG. Auf der Straße darf er nicht fahren, aber an allen Sprint- und Langstreckenrennen nach FIA-GT3-Reglement teilnehmen. 20 Exemplare baut AMG für das Jahr 2011 auf. Alle 20 sind verkauft. Wem zwei Räder reichen: Die Ducati SP gibt es ab 22.690 Euro. Mit Straßenzulassung.  

Von

Ralf Bielefeldt