Schon das Anschnallen ist ungewohnt. Instinktiv greift die Hand zum Gurt, der an der B-Säule des Sprinters hängt. "Das ist der falsche", korrigiert mich Fahrlehrer Igino Farnhamer, "du musst den Gurt des Rollstuhls nehmen." Als Mensch ohne körperliche Einschränkungen ist es erst einmal ungewohnt, umzudenken. Ich sitze in einem elektrischen Rollstuhl hinter dem Steuer eines Mercedes Sprinter – speziell umgebaut für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die sich automobile Freiheit wünschen. Farnhamer zeigt mir, wie ich dieses Gefährt steuere – er ist Fahrlehrer bei der Firma Paravan.
Mercedes Sprinter Behindertenfahrzeug
Die Hände nicht ans Lenkrad, sondern an den Joystick: So wird der Paravan-Sprinter gesteuert.
Bild: Werk
Das Unternehmen Paravan aus dem baden-württembergischen Pfronstetten baut jährlich rund 1000 Fahrzeuge um, meist sind es Transporter oder Vans. Logisch, diese bieten viel Bewegungsfreiraum und auch die nötige Höhe, wenn ein Kunde direkt mit seinem Rolli hineinfahren will. Aber auch für Kleinwüchsige gibt es beispielsweise spezielle Pedallösungen. Der Mercedes Sprinter, in dem ich fahre, wurde für Rollstuhlfahrer mit einem sehr beschränkten Bewegungsspielraum angepasst. Mit dem E-Rolli fährt man direkt in das Auto hinein (je nach Version über die Seitentür oder durch die Heckklappe, parkt auf einer Docking-Station, die anstelle des Fahrersitzes am Boden angebracht ist und den Rollstuhl automatisch fixiert. Pedale und Lenkrad sind zwar am gewohnten Platz, werden aber nicht benötigt: Ein Joystick übernimmt das Lenken, Fahrlehrer Farnhamer steuert bei unserer Testfahrt Gas und Bremse vom Beifahrersitz aus. "Beim Joystick ist das Gas vorne und die Bremse hinten. Das würde einen Anfänger erst einmal verwirren", sagt er. So kann ich mich auch besser auf das Lenken konzentrieren.

Das Steuern ist einfacher als gedacht

Mercedes Sprinter Behindertenfahrzeug
Blick in den Spiegel und auf die Monitore auf dem Armaturenträger gerichtet, geht es rückwärts.
Bild: Werk
Das Steuern mit dem Joystick ist ungewohnt, aber leichter als gedacht: Je nach Neigung dreht sich das Lenkrad mit einem leisen Summen blitzschnell, auch schnelle Manöver sind damit möglich – fast sogar schneller, als würde man das Lenkrad selbst drehen. Schwieriger ist es vielmehr, den langen Sprinter durch den engen Parkour zu zirkeln. Enge Kurven, um die Hütchen und wieder rückwärts einparken ist gar nicht so einfach mit dem großen Gefährt, zumal ich nicht die Kontrolle über Gas und Bremse habe. Auch den Einschlagwinkel des Lenkrads muss man erst einmal einschätzen lernen. Doch dank der Kameras, die das Umfeld scannen und ihre Bilder an ein Display auf dem Instrumententräger schicken, klappt das auch. Außerden bremst und beschleunigt der Fahrlehrer neben mir sehr gefühlvoll und gibt immer wieder Tipps zum Umgang mit dem Joystick. Zwischenzeitlich muss ich mich zusammenreißen, um nicht auf das Bremspedal zu treten oder das Lenkrad in die Hand zu nehmen. Was übrigens keine gute Idee wäre: Das Lenkrad wird über Elektromotoren gedreht und ist von Hand kaum zu bewegen. Ein Griff ins sich drehende Lenkrad könnte leicht Abschürfungen nach sich ziehen.

Fazit

von

Christopher Clausen
Beeindruckend, was technisch möglich ist. Angepasste Umbauten erlauben es auch körperlich eingeschränkten Menschen, mit dem Auto problemlos mobil zu sein.

Von

Christopher Clausen