Claire heißt eigentlich Hongyu. In China ist es bei jungen Leuten in, sich einen zweiten, europäischen Vornamen zu geben. Vor allem wenn sie wie Hongyu bei einer westlichen Firma arbeiten. "Das ist für unsere Chefs leichter auszusprechen", erklärt die junge Verwaltungsfachangestellte von Ford in Chongqing und kann sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Und warum Claire? "Weil es so schön klingt. Clääää...". Etwas Statistik bevor wir uns ins Abenteuer stürzen. Claire/Hongyu hat studiert, verdient etwa 7200 Yuan im Monat (umgerechnet etwas über 1000 Euro) und fährt einen Ford Focus S mit Automatik. Der kostet etwa 170.000 Yuan (24.200 Euro) und wird per Kredit abgezahlt. Ganz ehrlich: ein dickes Brett. Aber Autos sind den Chinesen wichtige Statussymbole. Je größer, desto besser. Ein dicker Schlitten zeigt: Seht her, ich habe es geschafft. Entsprechend fahren in Chongqing fast nur neue Autos auf den Straßen. Viele groß und entsprechend teuer. Jedes Jahr kommen etwa 60.000 neue dazu.

In der Ruhe liegt die Kraft

Mit dem Focus in Chongqing
Klaus in der Seilbahn hoch über dem Jangtse.
Heute bringt uns der Focus erst einmal nach Yuzhong, einen Stadteil am Jangtse. Wir wollen mit der Seilbahn ans andere Ufer schweben. Aber bitte Eile mit Weile. Die sonst so quirlige Stadt scheint hier für einen Moment den Atem anzuhalten. Schlange stehen ist angesagt. Erst als die Gondel, eine betagte Schweizer Konstruktion, schwankend in der Station einschwebt und ihre Schiebetüren öffnet, dürfen die Chinesen ihre Qualitäten im Drängeln unter Beweis stellen. Da kann der blonde Klaus noch weit aus der Masse der Chinesen herausragen, gegen die Weltmeister im Schubsen ist er machtlos. Da wird mit allen Bandagen um den besten Platz in der Gondel gefochten. Ellenbogen, Knie, Taschen kommen rücksichtslos zum Einsatz. Und wenn alles nicht hilft, abtauchen und als U-Boot nach vorne kriechen. Klaus jedenfalls kommt als letzter in die Seilbahn. Und gewinnt damit etwas, was andere nicht haben: einen Fensterplatz. "Die Letzten werden die ersten sein", bemerkt er trocken – in der Ruhe liegt die Kraft.

Auszeit zum Träumen

Die Aussicht ist grandios. Die Wolken hängen heute etwas tief, es wirkt so als schwebt die Seilbahn in den Wolken. Langsam gleiten die chinesischen Wohntürme vorbei und der Jangtse fließt träge und trübe dem Meer entgegen, Schiffe tuckern gemütlich in den Wellen. Sind wir wirklich noch in der 33 Millionen Metropole? Aber für die Ruhe liebt Claire diesen Ort: "Hier kann man eine kleine Auszeit nehmen und träumen." Genau wie an ihrem nächsten Lieblingsort, dem Zoo. Er liegt im Stadtteil Jiulonpo, mit dem Auto etwa 20 Minuten zu fahren. Wenn kein Stau ist, so wie heute. Doch die kleine Claire schlängelt geschickt durch alle Lücken: "Wir Chinesen sind eben Weltmeister im Drängeln – auch am Steuer." Klaus juckt es in den Fingern, zu gerne würde der ehemalige Busfahrer den Focus auch mal fahren. Leider geht das nicht, er besitzt keinen chinesischen Führerschein. Und um den zu machen, ist die Zeit in Chongqing leider zu kurz.

Zu Besuch bei den Pandas

Mit dem Focus in Chongqing
Panda auf dem Donnerbalken im Zoo von Chongqing.
Dann lieber ab in den Zoo. Vor dem Eingang noch einen kleinen, teuflisch scharfen Fleischspieß verdrückt und ab zu den Pandas. Acht Stück besitzt der Zoo in Chongqing. Gemächliche Burschen sind das. Die meisten schlafen oder mampfen genüßlich ihre Bambus-Malzeit. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Pandas sind Feinschmecker, es muss eine ganz bestimmte Bambusart sein, die nur hier in den Bergen Sichuans vorkommt. Nur einer der acht Pandas ist gerade aktiv. Er rennt geradezu durch sein Gehege. Aber, Eile mit Weile, dieser schwarzweiße Bär zeigt wie langsam man rennen kann. I m m e r   s c h ö n   i n   Z e i t l u p e. Gut, dass dieser Panda kein Beamter bei der Führerscheinstelle ist, da müsste man ja ewig und drei Tage auf seinen Stempel warten. Trotzdem, den Zuschauern ist die Vorführung einen extra Applaus wert, Pandas haben einen dicken Stein bei allen Menschen im Brett.

Landpartie im Focus

Mit dem Focus in Chongqing
Der Focus hat Pause, Klaus und Claire spazieren zwischen Reis und Karpfen.
Unsere letzte Station führt uns aufs Land. Nun ja, was man in einer Stadt wie Chongqing so Land nennt. Ein paar Karpfenteiche, Reisfelder und Menschen mit viel Zeit. Sind das die selben Chinesen, die so hektisch durchs Zentrum wuseln? So still ist es hier, alle scheinen Zeit im Überfluss zu haben. Claire wünscht sich hier ein kleines Ferienhaus: "Es wird aber lange dauern, bis ich mir das leisten kann." Klaus würde zwar gerne noch ein wenig zwischen den Karpfenteichen verweilen und dem gemächlichen Treiben der Menschen zusehen. Aber uns geht das Licht aus, der Tag geht zu Ende, Claire muss zurück in die City. Xie xie Claire, danke schön, dass du uns die stille Seite deiner Heimat gezeigt hast.