80 Prozent der Staus in Stoßzeiten gehen auf den Lieferverkehr zurück, besagt eine Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Quelle des Übels
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Video: Der Innovation Van von ZF

Intelligente Unterstützung

steht meistens in zweiter Reihe: Weit über 3,3 Milliarden Päckchen und Pakete wurden nach Schätzung des Bundesverbandes Paket und Logistik 2017 allein in Deutschland zugestellt. 2021 sollen es bereits mehr als vier Milliarden sein. Eine Mammutaufgabe für die Zustelldienstleister: 200 Päckchen pro Tag und Paketbote sind schon heute eher die Regel als die Ausnahme. Der Zeitdruck in der Branche ist enorm: Im Schnitt bleiben den Boten pro Zustellung nur zweieinhalb bis drei Minuten – für das Abstellen des Fahrzeugs, den Weg zur Haustür, das Warten an der Klingel, die Übergabe der Sendung und die Rückkehr zum Paketwagen. So viel zur Theorie. In der Praxis heißt das: Jeder Handgriff muss sitzen. Abweichungen sind nicht vorgesehen, weil schlicht keine Zeit dafür ist. In diesem Punkt ist die "Last Mile Logistik" gnadenlos. Eine Riesenherausforderung für alle Beteiligten, Empfänger inklusive: Der Frust über nicht gelieferte oder falsch zugestellte Pakete ist groß.

Zufriedenheit frei Haus

Auto-Illustration
Wie ein zweiter Mann: Gibt es keinen Parkplatz vor der Tür, liefert der Bote aus und der Innovation Van sucht sich derweil selbstständig die nächste freie Parklücke.
Bild: ZF
Der Technologiekonzern ZF hat die Problematik bereits in seiner Zukunftsstudie aus dem Jahr 2016 aufgegriffen. Nun präsentiert ZF erstmals ein Konzeptfahrzeug für Logistikdienstleister: den selbstfahrenden, vernetzten Lieferwagen. "Mit unserem Innovation Van haben wir ein umfassendes Lösungspaket für die Anforderungen der Zustellerbranche entwickelt", sagt Gerhard Gumpoltsberger, Leiter Innovationsprojekte bei ZF. "Um den vielfältigen Herausforderungen des städtischen Lieferverkehrs gerecht zu werden, bringen wir unser gesamtes Kompetenzspektrum zum Einsatz – vom autonomen Fahren über die Elektromobilität bis hin zur Vernetzung in einem smarten Support-System."

Virtuelle Leine für Zustellfahrzeuge

Der Innovation Van ist mit autonomen Fahrfunktionen nach Level 4 ausgestattet. Das heißt: Er manövriert eigenständig durch das urbane Umfeld, hält die Spur auch bei Straßen ohne Fahrbahnmarkierungen, erkennt Ampeln und Verkehrszeichen – und reagiert auf plötzliche Gefahrensituationen. Darüber hinaus kann er Hindernisse erkennen und umfahren, seien es in zweiter Reihe geparkte Fahrzeuge oder andere Verkehrsübel. Äußerst praktisch für Paketboten ist die Fernsteuerung des ZF Innovation Van via Tablet: Liegen zwei Adressen so nah beieinander, dass sich die Strecke besser zu Fuß bewältigen lässt, folgt der ZF Innovation Van dem Zusteller wie an einer virtuellen Leine. Findet sich vor der Zieladresse kein Parkplatz, kann der Paketbote das Fahrzeug zum nächsten Stopp vorausschicken, wo es selbstständig eine Haltemöglichkeit sucht.

Paketzustellung 4.0

Auto-Illustration
Breites Technikportfolio: Kamera, Radar und Lidar – das ZF-Sensorset verleiht dem Innovation Van autonome Fahrfunktionen nach Level 4.
Bild: ZF
Möglich wird das durch ein umfangreiches ZF-Sensorset. Es besteht aus Kamera-, Radar- und Lidarsensoren. Das Hightech-Paket sorgt dafür, dass der Lieferwagen seine Umgebung jederzeit vollumfänglich wahrnimmt. Der ZF Innovation Van bildet damit den Konzernanspruch "see. think. act" auf anschauliche Weise ab. Der Zentralcomputer ZF ProAI übernimmt die Steuerung, verarbeitet die von den Sensoren generierten Daten und lässt das Fahrzeug auch auf komplexe Situationen angemessen reagieren. Zuletzt setzen intelligente mechatronische Systeme wie die elektrische Servolenkung und das integrierte Bremssystem IBC die Anweisungen des Zentralcomputers zuverlässig um. Für den rein elektrischen und damit lokal emissionsfreien Antrieb sorgt das elektrische Achsantriebssystem für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.

Smarter Algorithmus findet den optimalen Weg

Über ein Cloud-basiertes Support-System hat der ZF Innovation Van permanent Zugriff auf Informationen zu jedem geladenen Päckchen, beispielsweise Zustellort, gewünschte Lieferzeit oder Haltbarkeit bei verderblicher Ware. "Unter Berücksichtigung von Parametern wie Verkehrslage oder Energieverbrauch berechnet der Algorithmus daraus in Echtzeit die optimale Zustellreihenfolge", erklärt Projektleiter Georg Mihatsch. "Das Päckchen sucht sich quasi selbst den besten Weg zum Empfänger – und das Fahrzeug folgt." Der Paketbote erhält diese Informationen über eine Mixed-Reality-Datenbrille. So hat er alle relevanten Angaben im Blick.

Kunde kann Lieferzeiten kurzfristig ändern

ZF Innovation Van
Smarte Brille: Über die Datenbrille wird der Paketbote vom ZF Innovation Van mit Infos zur nächsten Lieferung versorgt oder zum Parkplatz des Fahrzeugs gelotst.
Bild: ZF
Auch der Empfänger profitiert vom Support-System in der Cloud: Über eine App hat er die Möglichkeit, den Weg seiner Sendung exakt nachzuverfolgen und die Zustelldaten kurzfristig zu ändern. Päckchen können so jederzeit bequem zu einem bestimmten Nachbarn umgeleitet oder die Lieferzeit um eine Stunde nach hinten verschoben werden, falls unerwartet etwas dazwischenkommt. Ein Komfort-Gewinn für beide Seiten – und möglicherweise das Ende eines der größten Ärgernisse im Paketwesen: Phantomsendungen, die nur in Form einer schnöden Nachricht beim Kunden landen – "leider verpasst".