Orbit 360 Gravel-Serie
Erfahrungsbericht Orbit 360 Mecklenburg-Vorpommern – der Gravelvitz

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Nicht alle Orbits sind brutal und gemein – der Orbit 360 Mecklenburg-Vorpommern (besser Rügen), ist die ideale Einstiegsdroge für Gravelfans, die sich auf einer längeren Strecke testen möchten. Es gibt viel Natur, idyllische Plätzchen, schöne Strände, gute Einkehrmöglichkeiten und ebenso gute Wege.
Bild: BIKE BILD
Nein, die Headline unseres Artikels spielt nicht darauf an, dass der im Vergleich zu anderen Orbits wohl sehr leichte Meck-Pomm-Orbit ein Witz ist. Nein. Nein. Nochmals nein. Aber wenn man über eine Insel radelt und gefühlt 90 Prozent aller Ortsnamen auf "vitz" enden, dann bekommt man das als schreibender Redakteur irgendwann nicht mehr aus dem Kopf. Im Ernst, wart Ihr schon mal auf Rügen? Für mich war die Orbit-Runde tatsächlich der erste Besuch auf Deutschlands größter Insel, und ich war wirklich über die Ortsnamen sehr erstaunt. Eine Kostprobe? Geht los: Barnevitz. Goldevitz. Dussvitz. Dreschvitz. Kuckelvitz. Tribkevitz. Granskevitz. Vaschvitz. Bubkevitz. Zürkevitz. Nonnevitz. Fernlüttkevitz. Venzvitz. Dumsevitz. Und ich bin mir sicher, das waren bei Weitem noch nicht alle. "Da muss man doch irgend etwas mit machen", so meine Gedanken über einen sehr langen Zeitraum der Rügen-Runde. Tja, und so ist dann der Gravelvitz daraus geworden. Nicht mehr, nicht weniger.
So einfach kann Orbit sein
Egal. Zum eigentlich Orbit 360 Mecklenburg-Vorpommern. Mit rund 240 Kilometern und 1000 Höhenmetern liest sich die Gravel-Runde sehr leicht. Und das Gute ist, sie ist auch leicht. Wahrscheinlich ist die Rügen-Runde der leichteste Orbit im ganzen Land. Warum das so ist? Weil ein Großteil der Strecke asphaltierte Radwege sind und auch die Passagen im Wald und auf den Feldwegen sehr gut zu fahren sind. Auf der ganzen Runde gab es keine einzige Gemeinheit – sonst weit verbreitet auf den Orbits. Heißt: Kein Verfransen, kein Schieben, kein Tragen. Ein Orbit für Einsteiger quasi. Und das soll jetzt hier keine Kritik sein. Nein, es war wirklich schön. Mal sehen:
Obwohl man den Meck-Pomm-Orbit als geübter Radler locker an einem Tag schaffen kann, wollten wir hier eine Art Familienerlebnis draus machen. Keine Stoppuhr. Keine Hatz. Nur radeln und genießen. Nach einer Nacht in Stralsund fahren wir am Samstagma orgen mit dem Auto über die Rügenbrücke nach Altefähr, wo wir den Wagen abstellen, die Räder fertig bepacken und los geht die wilde Fahrt. All unsere Angst, wir müssten zwei Tage im Regen fahren, wird von einem strahlend blauen Himmel und einer leichten Brise hinweggefegt.
Zuerst folgt der Track ein paar schönen Feldwegen entlang der herrlich blauen Ostsee, dann aber wird die Strecke für gut 30 Kilometer fast ein wenig langweilig. Nicht falsch verstehen, hier lässt sich eine vortreffliche Radtour fahren. Einzig, das Meer ist für lange Zeit nicht zu sehen und auch die Wege sind für Gravelfans etwas langweilig. Richtig schön wird es dann wieder bei Kilometer 58, kurz vor Vaschvitz, wo man schon die Enge für die Fährfahrt erahnen kann.
Schnelles Fahren ermöglicht schöne Pausen
Nach der Fähre bietet sich dann in Wiek eine Mittagspause an. Wir sind beim Imbiss-Restaurant Fischkopp eingekehrt, wo alles gut geschmeckt hat – auch die Currywurst mit Pommes. :-) Hinter Wiek wird die Strecke dann zu einem wirklich großen Spaß. Die See fast immer im Blick erreicht man dann auf der Nordostseite der Insel die ersten Ausläufer der Steilküste. Wer ausreichend Zeit mitbringt, der sollte vielleicht sein Bike am Nordufer bei Kilometer 100 anschließen und einen der schönsten Strände der Insel genießen. Wem wiederum die Kraxelei runter zum Strand zu anstrengend ist, der kann sich wenig später am Kap Arkona einen Imbiss gönnen.

Während wir hier sitzen, demonstrieren in Berlin rund 40.000 Menschen unter anderem gegen die Maskenpflicht. Vielleicht sollten sich einige von ihnen lieber ein solches Plätzchen suchen und chillen.
Bild: BIKE BILD
Kurze Zeit nach dem Kap Arkona begleitet man die L30 über einen längeren Zeitraum auf dem Radweg nebenan. Hier ist man nur wenige Meter vom Meer entfernt – sehen und hören kann man es indes nicht. Nicht zuletzt aufgrund des dröhnenden Autoverkehrs. Nun ja, kann man nichts machen. Anschließend geht es rund 15 Kilometer lang durch den über 3000 Hektar großen (dennoch Deutschlands kleinsten) Nationalpark Jasmund. Den mit 161 Meter höchsten Punkt der Insel, den Piekberg, haben die Orbit-Scouts ausgelassen, dennoch ist es ein wenig Kraxelei in dem ansonsten wunderbaren Buchenwald. Die darauf folgende rund sechs Kilometer lange Abfahrt ist ein Genuss. Klar, wäre noch schöner, wenn man nicht auf dem schmalen Asphaltband, sondern auf Waldboden abfahren würde, die befestigte Strecke ist aber wohl für den Transport der Touristen hinauf zum Nationalparkzentrum am Königsstuhl wichtig. Sei's drum. Wir beschließen den Tag in Sassnitz, wo wir eine Unterkunft gefunden haben.
Auch am zweiten Tag sind uns die Wettergötter wohl gesonnen – es ginge nicht besser. Die Strecke führt vorbei an den imposanten aber nicht schönen Gebäuden der Prora und durch das Seebad Binz, welches mit schöner, fast kitschiger Architektur glänzt. Wunderbar führt die Strecke dann durch das Biosphärenreservat Südost-Rügen mit den Ortschaften Sellin, Göhren, Middelhagen und Baabe, rund um den Selliner und Neuensiener See. Das ist Entspannungsradeln durch und durch. Wer hier nur, tief gebeugt über den Flare-Lenker, die direkten Asphaltmeter vor der Nase wahrnimmt, der hat in jedem Fall etwas verpasst. In der Freetzer Niderung und Goor verpassen wir einmal einen Linksabbieger. Hätten wir ihn direkt getroffen, hätten wir indes die Alte Eiche im Goor verpasst, einen imposant großes, aber kahles Gewächs. Im kleinen Ort Lauterbach gibt es wieder gute Möglichkeiten eine Mittags- oder Kaffeepause einzulegen – mit Blick auf die Insel Vilm, einem Naturschutzgebiet, wo einst Erich und Margot Honecker Urlaub machten. Von hier sind es nur noch 35 Kilometer bis Altefähr, wo man am Hafen einen Kaffee oder ein Bier genießen kann, bevor man die Bikes wieder ins Auto packt.

Hier beginnt und endet die Reise – in Altefähr im Süden der Insel Rügen mit Blick auf Stralsund.
Bild: BIKE BILD
Orbit Mecklenburg-Vorpommern: Fazit
Wie schon eingangs erwähnt, scheint der Orbit auf der Insel Rügen der perfekte Einstieg in die Orbit-Welt zu sein. Keine schweren Passagen, kein Schieben, kein Tragen. Teilweise fühlt man sich als Gravelfan etwas unterfordert, aber immer wenn die Strecke durch die Natur auf Feld- und Waldwegen verläuft ist es wunderbar. Auch sind die Blicke, welche die Insel vorhält ganz wunderbar, teilweise spektakulär – man muss sich nur die Zeit nehmen hinzugucken. Wir möchten die Strecke dieses Orbits darum wärmstens empfehlen, und gerne auch als Overnighter. Einfach nur über die Insel hinweg zu bügeln wäre doch schade, wenn man eine nicht unbeträchtliche Anreise hatte.
Tipps & Tricks zum Orbit 360 Rügen
Material
Für den Orbit 360 Mecklenburg-Vorpommern reicht ein normales Gravelbike mit 40 Millimeter breiten Reifen absolut aus. Klar, es gibt auch Passagen, wo etwas breitere Reifen mehr Komfort versprechen, aber das ist letztlich Geschmacksache.
Verpflegung
Rügen ist geradezu auf Tourismus getrimmt. Hier gibt es keinerlei Probleme bei der Verpflegung. Der Orbit führt durch viele Ortschaften. Wir empfehlen eh einen oder mehrere Restaurant- bzw. Imbiss-Besuche entlang der Strecke. Wer unbedingt zu einem Discounter möchte, der findet diese in den größeren Ortschaften.
Startpunkt
Logischer Startpunkt für alle diejenigen, die nur zum Orbiten hierher kommen ist Altefähr, die erste Ortschaft wenn man die Insel erreicht. Wer länger auf der Insel bleiben möchte, der sollte sich einen schönen Urlaubort aussuchen – der Orbit-Track führt fast überall durch diese Ortschaften oder dicht an ihnen vorbei.
Empfehlung
Wie bei vielen anderen Orbit-Besuchen, so würden wir auch hier empfehlen, dass Gravelfans, die eine lange Anreise haben, mehrere Tage in der Region verbringen. Wir selbst haben diesen Besuch zum Beispiel mit dem Aufenthalt in Stralsund kombiniert. Auch eine Regeneration an den vielen Stränden der Insel ist sehr zu empfehlen.