Perfektionismus unterm Blech

Was könnte peinlicher sein als das Umspringen der Ampel auf Grün, und der Striptease, der das edle Gefährt – klipp-klapp – in ein Cabrio verwandelt, ist noch nicht fertig? So mancher Roadster-Fahrer kennt diese Nummer. Wie uncool. Passiert einem Porsche-Fahrer nicht. Knopf drücken, in Ruhe losfahren und 20 Sekunden später ist alles sauber verdeckelt. Klappt bis Tempo 50. Streßfreier läßt sich ein Cabrio nicht öffnen. Hut ab – auch für das, was dann kommt. Selbst wenn es sich Normalbürgern wohl nur selten oder nie erschließen wird. Denn mindestens 85.176 Euro sind nötig, um hinter dem Lenkrad des neuen 911 Carrera Cabrios (intern 997 genannt) zu sitzen. Der etwas stärkere Carrera S (355 PS) kostet sogar 95.152 Euro.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, daß daraus mit ein paar Extras leicht über 100.000 Euro werden. Eine stolze Summe, für die der Kunde einiges erwarten darf. Und auch bekommt. Schon auf den ersten Kilometern wird klar, wieviel Leidenschaft die Ingenieure unters Blech des Carrera gesteckt haben. Aber auch wieviel Pefektionismus. Das Auto ist in sich so stimmig wie nur wenige andere, dokumentiert den hohen Grad an Evolution im "Neun-Elfer".

Alles, was an Sportlichkeit, Leichtbau, Agilität und Handlichkeit bereits im Coupé mitfährt – das Cabrio steht ihm in nichts nach. Wer den Wagen als Power-Porsche nutzen will, kein Problem. Fünf Sekunden bis 100, sechs Gänge leicht und exakt gewechselt, schon steht die Nadel auf 285 km/h. Doch Tempo machen können andere auch. Richtig Fahrfreude kommt auf, sobald wohlgeformte, nicht zu enge Kurven den Kurs bestimmen. Hier trennt sich dann die Spreu vom Weizen, der Porsche von der Konkurrenz.

Auch offen eine aktive Fahrmaschine

Leicht und präzise läßt sich der Carrera einlenken, liefert perfekte Rückmeldung darüber, was sich draußen unter den Reifen abspielt. Zum guten Gefühl trägt auch die steife Karosserie bei. Dazu gesellt sich ein Fahrwerk, das keinen Grenzbereich mehr zu kennen scheint und zusammen mit den Bremsen zum Feinsten gehört, was Räder trägt. Im offenen Cabrio macht all das noch eine Idee mehr Spaß als im Coupé. Weil zum einen der sonore Klang des Sechszylinder-Boxers ungedämpfter ans Ohr dringt, ohne jedoch aufdringlich laut zu werden, und weil zum anderen ganz einfach die frische Luft und der sonnige Himmel Haupt und Hirn verwöhnen. Ohne fiese Turbulenzen.

Die Passagiere sind weitgehend windgeschützt, da sich im Gegensatz zum Vorgängermodell jetzt auch die kleinen hinteren Dreiecksfenster elektrisch hochfahren lassen. Weicheren Naturen steht noch ein faltbares Windschott zur Verfügung, das allerdings keinen Ingenieurpreis verdient. Überflüssig zu erwähnen, daß Porsche auch in Sachen Sicherheit ganz vorn mitfährt: Selbst seitliche Kopfairbags gibt es, und hinter den klappbaren Minirücksitzen stecken zwei dicke Rohrbügel, die per Federkraft hochschnellen, sollte dem Wagen ein schwerer Unfall mit Überschlag drohen.

Ohne Zweifel, den Entwicklern in Weissach ist mit dem Carrera Cabrio wieder einmal eine äußerst aktive Fahrmaschine gelungen, bei der man sich fragt: Was soll hiernach eigentlich noch besseres kommen? So gesehen, haben sich die Porsche-Leute ihre Zukunft nicht gerade leichter gemacht.

Technische Daten Sechszylinder-Boxermotor, längs im Heck • vier Ventile je Zylinder • Hubraum 3596 cm³ • Leistung 325 PS bei 6800/min • max. Drehmoment 370 Nm bei 4250/min • Heckantrieb • Sechsgang • Einzelradaufhängung vorn und hinten • Reifen 235/40 ZR 18 vorn, 265/40 ZR 18 hinten • Kofferraum 135 l • Tank 64 l • Länge/Breite/Höhe 4427/1808/1310 mm • Leergewicht 1480 kg • 0–100 km/h in 5,2 s • Spitze 285 km/h • Verbrauch 11,2 l Super plus • Preis 85.176 Euro