Wer bietet mehr Spaß fürs Geld?

Eigentlich sind wir ja bescheiden. Um einen Hauch von grenzenloser Freiheit zu spüren, genügen uns zwei Dinge: eine leere kurvenreiche Straße. Und ein Auto, das sich dem Rhythmus der Straße anschmiegt wie eine Katze in ein Samtkissen. Eine Straße haben wir gefunden: Die Nockalmstraße in Kärnten hat alles, um einem leidenschaftlichen Autofahrer schon bei Flughöhe Null wolkige Gefühle zu bescheren: knackige Kehren, jede Menge leckerer, gut einsehbarer Kurven und übersichtliche Geraden. Und außerhalb der Saison kaum Verkehr, vor allem bei schlechtem Wetter.

Bei den Autos haben wir die Wahl unter zwei äußerst appetitlichen offenen Sportlern: einem Mercedes SLK 350 mit vorn längs eingebautem V6 und 272 PS. Und dem nagelneuen Porsche Boxster mit dem "S" hinten drauf und 280 PS hinten drin. Während die 13 Euro Mautgebühr für die Paßstraße eine überschaubare Größe sind, reißen SLK 350 und Boxster S ein gewaltiges Loch in die Kasse: 43.384 Euro nimmt Mercedes für sein Coupé-Cabrio mit Klappdach, für 51.304 Euro wechselt der Boxster den Besitzer. Hier endet leider die Bescheidenheit.

Bleibt die Frage: Wer bietet mehr Spaß fürs Geld? Zunächst die Parallelen: Beide Protagonisten wurden nach sieben Jahren Laufzeit komplett erneuert, der SLK bereits im Frühjahr, der Porsche zieht jetzt nach. Der renovierte Boxster glänzt nicht nur durch die Abwesenheit der als "Spiegeleier" geschmähten Frontscheinwerfer des Vorgängers und nähert sich damit der Linie des aktuellen 911.

80 Prozent aller Boxster-Teile sind neu

Auch Kotflügel, Schwellerbereich, die hinteren Lufteinlässe und die jetzt über den Rücklichtern verlaufende Trennfuge zwischen Karosserie und Heckverkleidung wurden modifiziert. Dazu kommen die vorn und hinten verbreiterte Spur und die größeren Serienräder (Boxster 17 Zoll, Boxster S 18 Zoll). Die für Porsche-Fans wohl wichtigste Neuerung: der Leistungszuwachs auf 240 PS beim Boxster und auf 280 PS beim S.

Gerade mal 20 Prozent Gleichteile zum Vorgänger zeigen, daß neben der optischen Evolution unter dem Blech fast eine kleine technische Revolution stattgefunden hat: Ein komplett verkleideter Unterboden bringt vor allem bei Highspeed größere Stabilität, das optionale aktive Fahrwerk (Porsche Active Suspension Management: 1508 Euro) in Verbindung mit einer Tieferlegung um zehn Millimeter erlaubt die Anwahl einer strafferen Dämpferkennlinie und ermittelt in jeder Einstellung über Beschleunigungssensoren die optimale Dämpferkraft je nach Fahrzustand.

Wer es noch dynamischer möchte, bekommt mit dem Sport Chrono Paket (742 Euro) nicht nur eine Bord-Stoppuhr zur Ermittlung von Rundenzeiten. Über Eingriffe ins Motormanagement (steilere Gaspedalkennlinie), die jetzt serienmäßige Stabilitätskontrolle PSM (höhere Eingriffsschwelle) und eine noch härtere Abstimmung der Dämpfer sind damit ab sofort auch Driftansätze bei aktivem PSM möglich. Und als i-Tüpfelchen kann der ambitionierte Fahrer erstmals auch für den Boxster Composite-Keramik-Bremsen (für satte 7830 Euro) ordern.

Das Boxster-Dach öffnet bis 50 km/h

Gegen diese geballte Ladung Hightech erscheint der SLK fast konventionell, gibt aber auch gar nicht vor, ein kompromißloser Sportwagen zu sein. Obwohl er in puncto Agilität im Vergleich zu seinem Vorgänger um Welten zugelegt hat. Maßgeblichen Anteil daran hat etwa die neue Vorderachse mit Zahnstangenlenkung, die den SLK jetzt deutlich präziser und direkter um die Ecken gehen läßt.

Immer noch einen leichten Genialitätsvorsprung genießt der SLK wegen seines praktischen Metall-Klappdachs. Wie im SL wird auch im kleinen Bruder die Heckscheibe gedreht, was Platz spart und den Kofferraum um 63 auf jetzt 208 Liter vergrößert. Obwohl der Boxster weiterhin auf das konventionelle Stoffdach setzt, haben ihm die Porsche-Ingenieure einen glamourösen Show-Effekt antrainiert: Wie beim 911 Cabrio läßt sich das Dach bis 50 km/h auf Knopfdruck öffnen und schließen. Zwölf Sekunden dauert dieser Vorgang im Boxster, beim SLK vergehen 22 Sekunden.

Doch genug der schnöden Fakten. Schließlich befinden wir uns am Fuße der Nockalmstraße, vor uns liegen rund 20 Kilometer jenes Stoffs, aus dem süße Fahrerträume gemacht sind: jede Menge Biegungen, rund 1000 Höhenmeter, die sich bis auf 2024 Meter durch eine atemberaubende Hügellandschaft zwischen Lieser und Gurktal hoch- und wieder runterwinden. Auch das Wetter spielt mit: Es ist schlecht, zehn Grad Celsius. Der Wind scheucht die Nebelschwaden, es ist feucht.

Mit Airscarf offen fahren bei zehn Grad

Der SLK ist gerade schön warm von der Anfahrt. Allerdings nicht innen, denn wir fahren offen. Schon auf den ersten Metern lernen wir den Airscarf (458 Euro, nur in Verbindung mit Lederpolstern und Sitzheizung) schätzen, der warme Luft durch Öffnungen unterhalb der Kopfstützen in den Nacken bläst. Der Rest des Körpers bleibt durch die tiefe Sitzposition und die straffen und gut anliegenden Sitze angenehm warm. Die ersten Kurven nehmen wir behutsam, achten auf eine saubere Linie, wann immer es die Sicht erlaubt.

Der V6 des Benz hängt verdammt gut am Gas und bringt schon bei niedrigen Drehzahlen viel Kraft auf die Hinterräder, also Vorsicht beim Herausbeschleunigen. Das ESP bleibt natürlich an. Recht schnell wird klar, zu welch perfekter Fahrmaschine der SLK mittlerweile gereift ist: Die Lenkpräzision ist vom Feinsten, der kurze Schalthebel flutscht wie von allein durch das Sechsganggetriebe, ein Untersteuern beim Einlenken ist kaum vorhanden. Und doch fehlt gerade bei engen Kurven etwas die Rückmeldung von Fahrwerk und Lenkung, man fühlt sich wie auf einem Wattepolster. Dazu paßt auch das sehr gefühlvoll eingreifende ESP, das minimale Heckbewegungen zuläßt und dann sanft den Saft abdreht.

Die Glockenhütte ist erreicht, wir drehen um und fahren langsam bergab. Der Boxster S wartet, ebenfalls vorgewärmt. Einen Luftschal findet man hier zwar nicht, dafür Sportsitze mit perfektem Seitenhalt, ein endlich in Höhe und Weite verstellbares Lenkrad und die neugestaltete Mittelkonsole. Übrigens einer der wenigen Schwachpunkte des Porsche Boxster, weil diese durch die Verwendung von nicht stilsicherem Kunststoff unstandesgemäß billig wirkt.

Der Boxer klingt nach Heavy Metal

Wir schalten gleich in den Sportmodus des aktiven Fahrwerks, der einen höchst erstaunlichen Restkomfort bietet. Schon in den ersten Kurven wird deutlich: Im Gegensatz zum Benz gibt es hier kein Eintauchen beim Anbremsen, keine auch noch so geringe Karosserieseitenneigung – der Boxster schnürt völlig ungerührt und dank Mittelmotor sehr neutral durch enge Wechselkurven und Kehren. Dank der exquisiten Lenkpräzision und des feinfühligen Fahrwerks vergeht nur wenig Zeit, bis man sich mit dem Porsche verwachsen fühlt.

Bedingt durch sein geringeres und etwas später anliegendes maximales Drehmoment gehen wir etwas früher aufs Gas und jubeln, wann immer es geht, den voluminös trompetenden Boxermotor bis zur Drehzahlgrenze hoch. Und sind etwas von der vergleichsweise trägen Tiptronic enttäuscht, die den 280 PS einiges an Temperament raubt. Sportlich orientierte Fahrer sollten daher immer zum Schaltgetriebe greifen.

Ungefähr auf halber Strecke holen uns die Wolken ein. Die Umgebung zerfließt zu Schemen, das schwache Sonnenlicht läßt die Szenerie fast unwirklich erscheinen. Dann bricht der Nebel auf, die Strecke ist absehbar frei und der Rhythmus aus Anbremsen, Runterschalten, Einlenken und Rausbeschleunigen wird runder und flüssiger. Eine letzte Kehre und die Glockenhütte ist in Sicht. Leider wieder viel zu schnell. Trotzdem: Manchmal kann die Freiheit über den Wolken auch am Boden grenzenlos erscheinen.

Fazit und Technische-Daten

Fazit von AUTOMOBIL TESTS-Redakteur Ralf Kund Wahrlich keine einfache Entscheidung: Der relativ günstige Preis des SLK macht es leicht, über seine etwas weniger ausgeprägte Sportlichkeit hinwegzusehen. Wer jedoch nach einem betont sportlichen und perfekt abgestimmten Roadster sucht, kommt am Boxster S nicht vorbei.

Ausstattung und Kosten

Wem eine Fünfgang-Schaltung und "nur" 240 PS reichen, der kann auch zum normalen Boxster greifen. Preislich liegt der sogar noch etwas unter dem SLK und hat dafür sogar ein CD-Radio an Board. Ganz nebenbei spart man noch Kraftstoff, Steuern und sogar bei der Vollkaskoversicherung. Die Beschleunigungs- und Elastizitätswerte sind zwar schlechter, aber eine Höchstgeschwindigkeit von 256 km/h sorgt dafür, daß man auf der Autobahn immer noch vor dem SLK fahren kann.