Der Super-Porsche kommt aus Leipzig

Der Stolz steht den Ingenieuren ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder. Welch eine Ehre auch, ein Straßenauto konstruieren zu dürfen, bei dem fast alle Großserien-Zwänge wie überschüssiger Ballast über Bord geworfen werden können. Endlich mal freien Lauf, endlich mal nicht auf den Cent schauen müssen, endlich mal Werkstoffe einsetzen dürfen, die nicht nur extrem leicht und fest, sondern auch extrem teuer sind. Wie das fertige Endprodukt auch: der Carrera GT. 452.400 Euro dürfen 1500 Kunden an Porsche für das Meisterwerk überweisen.

Für die wirklich Reichen kein Hindernis: Gut 1000 Vorbestellungen gibt es schon. Die ersten werden den Superrenner (gebaut in Leipzig) Ende des Jahres bekommen. Und auf die dürfen wir neidisch sein. Der Aufwand, den die Techniker im Entwicklungszentrum Weissach betrieben haben, ist einzigartig. Der GT stellt alles in den Schatten, was Porsche bislang für die Straße gebaut hat.

70 Patente wurden neu angemeldet. Erstmals bei einem Serienauto bestehen das in Monocoque-Bauweise gefertigte Chassis und der Aggregateträger komplett aus kohlefaserverstärktem Kunststoff, wiegen insgesamt nur 100 Kilo. Und der Leichtbau geht weiter. Titan, Aluminium, Magnesium, wohin das Auge blickt. Ordinärer Stahl findet sich allenfalls noch bei ein paar Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben. Alles andere ist feinste, reinste Renntechnik. Ohne dabei jedoch den Alltagsnutzen zu vergessen. Der Carrera GT soll genauso zum Brötchenholen taugen wie für die 7:30-Minuten-Hatz über die Nordschleife des Nürburgrings, sagen seine Väter.

612 PS beschleunigen auf 330 km/h

Gerade mal 1380 Kilo wiegt der flache Zweisitzer. Konkurrenzlos. Sein Zehnzylinder-V-Motor war ursprünglich für Le Mans 2000 gedacht, doch Chef Wiedeking blies das Vorhaben kurzfristig ab. Für den GT wurde das 5,5-Liter-Alu-Triebwerk auf 5,7 Liter vergrößert, um es für den Straßenverkehr ein wenig sanftmütiger zu machen. Die Werksangaben: 612 PS, 330 km/h Spitze, null bis 100 km/h in 3,8, bis 200 km/h in 9,9 Sekunden. Die 300er-Marke soll nach weniger als einer halben Minute erledigt sein. Für unser normales Autofahrerhirn nicht vorstellbar.

Um dies alles sicher auf die Straße zu bekommen, war neben optimalem Leichtbau und maximaler Steifigkeit hauptsächlich eines wichtig: ein niedriger Schwerpunkt. So entschloss sich Porsche – nach der Keramik-Bremsanlage vor drei Jahren –, eine weitere Weltneuheit einzuführen: die Keramik-Kupplung, genannt PCCC (Porsche Ceramic Composite Clutch). Was dies mit Schwerpunkt zu tun hat? Nun, sie ist mit nur 169 Millimeter Durchmesser extrem klein und leicht. Dadurch kann der gesamte Motor entscheidende Zentimeter tiefer eingebaut werden.

Im Gegensatz zur reinen Carbon-Kupplung im Rennsport hält die Keramik-Version im GT laut Porsche gut zehnmal so lange. Alles andere wäre für den Kunden auch nicht zumutbar. Weiterer Vorteil: Ihre geringe Masse (ein Schwungrad gibt es nicht mehr) lässt den Motor so leicht hoch drehen wie nie. Porsche verspricht auch hier: Faktor zehn gegenüber einer herkömmlichen Kupplung.

Crashboxen aus rostfreiem V2A-Stahl

Beim Thema passive Sicherheit entschieden sich die Zuffenhausener werkstoffseitig für eine konventionelle Lösung, die aber gleichzeitig das Optimum darstellen dürfte. Vorn und hinten kommen so genannte Crashboxen (jeweils zwei Längsträger) zum Einsatz. Sie bestehen aus sehr festem V2A-Edelstahl (H400), weil dieser die Verformungsenergie am besten aufnimmt und obendrein rostfrei ist. Hinzu kommt: Porsche will weltweit alle gültigen Crash-Normen erfüllen. Kohlefaserverbundstoff hätte diese Aufgabe nur unzureichend erfüllt, Aluminium zu dicke Wandstärken erfordert. Auch Teile des Fahrwerks wie Hinterachsquerlenker oder vordere Druckstreben für die Federbeine sind aus Edelstahl.

Zu was der GT auf der Straße fähig ist, konnten wir vergangene Woche auf dem Porsche-Prüfgelände in Weissach, wo Renn- und Chefingenieur Roland Kußmaul einige Runden drehte, schon mal beobachten. Der Sound des V10-Zylinders erinnerte dabei an eine Mixtur aus Kreissäge und Elektrohobel.

Kußmauls akrobatische Drifts sind künftigen Besitzern der Serienversion in dieser Form allerdings nicht vergönnt. Bei der gelben Flunder handelte es sich noch um einen Prototyp ohne Traktionskontrolle. Der Straßen-GT wird sie bekommen. Denn Tests auf Rennstrecken haben ergeben, dass der Carrera GT mit der Elektronik-Hilfe deutlich schneller unterwegs war als ohne – trocken wie nass.