Wie ein Hai am Badestrand

Nach Luft schlürfende Einlässe am Frontspoiler, gierig saugende Kiemen für die Ladeluftkühler an der Seite und ein aufragender Flügel am Heck – der Porsche Turbo wirkt im normalen Straßenverkehr so Respekt einflößend wie ein Hai am Badestrand.

Star-Rummel, adieu: Wenn der neue Lamborghini Gallardo zum Schaulaufen auf unsere Straßen rollt, verblasst der Porsche zum Kulissenschieber. Gegen die kompromisslos, ebenso leicht wie brachial gezeichnete Autoskulptur wirkt selbst der 911 kaum spektakulärer als ein VW Käfer. Das gilt auch für die Technik des Heckmotor-Autos, das auf relativ rohe Art auf Supersportwagen-Niveau gedopt wird: Seine 420 PS schafft der 3,6 Liter-Boxer nur mit Hilfe von zwei Turbos.

Der neue Lamborghini präsentiert dagegen die ganz Palette kreativer Ingenieurskunst: Fünf Liter Hubraum, Zehn-Zylinder-Mittelmotor in V-Anordnung, insgesamt vier oben liegende Nockenwellen und 40 Ventile. Leistung: 500 PS bei 7800 U/min.

Finger weg vom Stabilitätsprogramm!

Das Kraftpaket kauert hinter den beiden Sitzplätzen, festgeschraubt an einem Aluminium-Space-Frame-Rahmen, Lamborghini-Eigentümer Audi lässt grüßen. Auch bei dem Allradantrieb mit Visco®-Kupplung ist die Handschrift der Ingolstädter zu erkennen. Eine Konstruktion, mit der auch der Porsche um mehr Traktion ringt. Aber nur mit Teilerfolg.

Zwar bringt er seine Leistung sicher auf die Straße. Aber das andere Allrad-Anliegen, neutrales Fahrverhalten, verfehlt er. Mit dem relativ übersichtlichen, insgesamt unproblematisch zu handhabenden Turbo zum Einkaufen fahren? Und danach über einen schnellen Alpenpass? Kein Problem.

Doch im Grenzbereich muss man das Heck im Auge behalten wie ein Gefängnisaufseher schwere Jungs. Einmal ausgebrochen, bekommen nur noch Profis die Situation unter Kontrolle. Oder das serienmäßige Stabilitätsprogramm PSM, das besser immer eingeschaltet bleiben sollte. Sicher ist sicher.

Tiefes Grollen, fröhliches Trompeten

Mit dieser Lektion in den Knochen besteigt man umso nervöser den Gallardo. Mittelmotor-Autos gelten als genauso zickig wie eine Hollywood-Diva. Erst recht ein Lamborghini. Das schwarze Cockpit verschluckt einen förmlich. Und wo der Porsche dem Beifahrer-Knie brav den Airbag entgegenwölbt, holt das rampenförmige Gallardo-Cockpit zu seiner herrischen Geste aus – um von der fast liegenden Frontscheibe erst auf Radhöhe wieder eingebremst zu werden. Es scheint, als erhebe der Gallardo Anspruch auf zwei Fahrspuren. Der Start des grollenden Motors beruhigt erwartungsgemäß wenig: Sein unruhiger Leerlauf erinnert an einen nervösen Boxer, der gleich zum Schlag ausholt.

Ein Tritt auf das Gaspedal genügt, und der V10 geht an die Decke. Das E-Gear des Testwagens haut den ersten Gang rein, und der Italiener legt los. Dabei ist es zunächst nicht die Wucht der Beschleunigung, die Eindruck macht – der Motor inszeniert ein Konzert, dass es wert wäre, in der Mailänder Scala aufgeführt zu werden: Das tiefe Grollen verliert sich bei mittlerer Drehzahl schnell in fröhlichem Trompeten – mal hell, mal dunkel, je nach Last. Der Fahrer fühlt sich fast als Musikant.

Der wie zugestopft klingende Porsche Turbo kommt da so wenig heran wie ein Leierkastenmann an eine italienische Oper. Dafür prägt er trotz seines Leistungs-Defizits von 80 PS ein gewaltigeres Beschleunigungserlebnis. Der Turbo-Boxer tritt brutal zu, stürmt an die Drehzahlgrenze, schlägt nach dem Gangwechsel kaum geschwächt wieder zu.

Gallardo nimmt 911er zwei Sekunden ab

Die Wucht von Turbos ist eben kaum zu überbieten: Der Porsche stemmt sein maximales Drehmoment bei 2700 U/min. Und nicht erst bei 4500 U/min wie der Gallardo. Der verteilt seine Leistung so gleichmäßig über die Drehzahlleiter wie eine italienische Mama die Spaghetti. Tacho 200 erreicht er schon nach 13,8 Sekunden. Der Porsche hält gut mit: 15 Sekunden.

Auf der Rennstrecke hat der störrische Turbo aber keine Chance. In 1,47 Minuten will er in Oschersleben um die Strecke gezwungen werden. Der Lambo schafft das zwei Sekunden schneller. Und das ohne Lenkakrobatik. Fahrer wie Auto pflügen gelassen durch den Grenzbereich. Die Sportsitze geben selbst in schnellen Kurven ihren Halt nicht auf. Welche Fliehkräfte hier am Werk sind, merkt man erst nach vielen Runden – wenn die Halsmuskulatur zu schmerzen beginnt.

Wer im Porsche ähnliche Unterstützung genießen will, muss für Extra-Geld Sport- oder Schalensitze ordern. Die Basis-Sitze bieten nicht mehr Seitenhalt als die in einem VW Golf. An Innenausstattung bietet der Porsche aber etwas, was bei Lamborghini weder für Geld noch gute Worte zu haben ist: zwei Notsitze im Fond. Nicht nur das macht den Zuffenhausener im Alltag bekömmlicher. Er ist sparsamer, übersichtlicher, leiser, weniger hart gefedert und problemloser einzuparken. Gibt es etwas Demütigenderes, das man über einen Supersportwagen sagen kann?

Fazit und Technische Daten

Fazit Der Lamborghini führt den Porsche in fast jeder Hinsicht vor. In seiner Mitte bebt der faszinierendere Motor, in seinen Radkästen das schnellere Fahrwerk. Italienisches Feuer, verbunden mit germanischer Perfektion: Eine größere Gefahr hat es für den 911 nie gegeben.

Porsche oder Lamborghini – Ihr Urteil

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